Live fast, die young – das rastlose Prag

„Morgenstund hat Gold im Mund“ – und das schrille Klingeln des Weckers im Ohr. Manche stehen aber auch auf, bevor ihr Wecker klingelt, mit dem ersten Hahnenschrei etwa. Und das müssen nicht immer nur Menschen in einem landwirtschaftlichen Betrieb, vulgo Bauern sein.

Nehmen wir sieben Uhr früh. Unter der Woche stehe ich da gerade auf – und gehöre damit laut einer Umfrage, welche die Tageszeitung Mladá Fronta Dnes letztens durchführen ließ, zu einem typischen Bewohner Prags oder einer anderen tschechischen Großstadt. Lebte ich auf dem Land oder in einer Kleinstadt, dann wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit um sieben bereits auf Arbeit. Daraus ließe sich folgern: In meinem Wahlwohnort Prag leben Spätaufsteher – zumindest im Vergleich.

Doch die Umfrage hat meiner Meinung nach einen Fehler. Sie berücksichtigt nur die Tage unter der Woche, aber nicht auch Samstag und Sonntag. Ein Beispiel: Eine gewisse Zeitlang bin ich mit tschechischen Freunden regelmäßig am Wochenende zum Skifahren aufgebrochen. Nicht selten ging es bereits um sieben Uhr los, denn die Freunde – nicht so sehr ich – wollten bereits um neun im Riesengebirge auf der Piste stehen. Und auf wen traf ich am Samstagmorgen in der Straßenbahn oder der Metro? Auf jede Menge Prager Bürger mit Rucksäcken oder Skiern. Da habe ich wirklich gestaunt.

Ein Bekannter sagte mir mal: Wir Amerikaner nennen die Tschechen Franz Josef People. Jaja, der österreichische Kaiser Franz Josef war ein notorischer Frühaufsteher, der um sechs Uhr bereits seine Minister um sich versammelte. Schwerlich wird der Kaiser aber auch noch am späten Abend durch die Kneipen gezogen sein. Vor allem junge Prager sind da einen Tick härter. Fragt sich nur: Wann schlafen die, bitte?

Am Wochenende die Flucht aus der Stadt und unter der Woche müssen alle Sozialkontakte in Prag gepflegt werden. Also ist man auch am Abend noch lange unterwegs. Eine ganz schön rastlose Stadt, dieses Prag. Jetzt las ich letztens, Wissenschaftler hätten entdeckt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen zu wenig Schlaf und der Anfälligkeit für Krankheiten gibt. Vielleicht gibt es aber auch weitere Korrelationen. Nehmen wir doch mal die durchschnittliche Lebenserwartung: In Tschechien liegt sie bei 76 Jahren, in Deutschland aber bei über 80 Jahren. Dann müssten zu diesem Unterschied besonders die Prager beitragen. Sie scheinen es so zu halten, wie einst Neil Young gesungen hat: „Live fast, die young.“ Da dreh´ ich mich doch am Wochenende lieber noch einmal im Bett um und gönn´ mir eine Extrarunde Schlaf.