Die Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen - oder: Wie man sich in eine bessere Zukunft kickt
Auf dem kleinen eingezäunten Fußballplatz mitten im Zentrum Prags tummeln sich am ersten Juni Kicker verschiedenen Alters. Mit Tätowierungen, ohne Tätowierungen, mit Zähnen - und mit wenig Zähnen. Was hier stattfindet, ist ein Qualifikationsturnier. Wer sich qualifiziert und wofür, erfahren Sie im folgenden "Forum Gesellschaft".
Wer jetzt die Vorstellung hat, dass hier eine Art Penner-Kicker gespielt wird, bei dem sich am Spielfeldrand die Schnapsflaschen auftürmen und einige Spritzen unter den Handtüchern versteckt werden, der irrt. Jeder, der hier dabei ist, ist auf dem Weg der Besserung, sagt Marcel Ambroz:
"Wir können vielleicht sagen, dass das hier nur die Motivierten sind, die etwas gegen das Problem machen wollen, also wenn jemand auf der Straße ist und eine Möglichkeit bekommt - `Willst du deine Situation ändern - ja oder nein? Willst du auf Alkohol bleiben - ja oder nein? Wir geben dir dann eine Chance."
Ähnlich hat das auch der 58-jährige Josef Sindelar gesehen. Er ist der Kapitän des Teams von der Heilsarmee. Das Schicksal, der Alkohol und die Drogen haben ihn für lange Zeit aus dem Leben katapultiert.
"Ich bin auch ein Obdachloser. Ich war früher Funktionär beim Fußball-Klub ´Dukla Prag´ - erste Liga. Ich war dort auch Trainer und hab bei Dukla viel gelernt. Während des Totalitarismus hab ich aber kein Blatt vor den Mund genommen. Ich hab auf Korruption in der Mannschaft aufmerksam gemacht und auf andere Sachen, die mir nicht gefielen. Die haben mich gefeuert. Und dann haben sie mich nicht mehr in Ruhe gelassen. Damals begann das mit der Obdachlosigkeit. Bis heute bin ich obdachlos. Die haben gesagt: Wenn du immer was kritisieren musst, werden wir es dir zeigen. Ich hab mir gesagt, dass ich das schon durchhalten werde."Der Rückweg dauert zumeist noch länger und ist mühsamer als der Fall. In das Gesicht von Sindelar habe sich das Leben eingekerbt. Doch er reißt sich zusammen - für sich, für andere und für Gott, wie er sagt.
"Ich will den anderen Menschen zeigen, dass ich an mir hart arbeiten werde. Und auch die jungen Leute sollen zusehen, dass sie an sich selbst arbeiten. Es gab Zeiten, in denen ich sehr schlecht dran war, da hab ich das mit Alkohol, Zigaretten und Drogen versucht zu lösen. Als ich dann das Evangelium kennen gelernt habe, hab ich über mich nachgedacht und wusste: Dies ist keine Lösung. So hab ich wieder mit dem Fußball begonnen und es macht mir Spaß. Und die negativen Gedanken hab ich abschütteln können."Im vergangenen Jahr ist das Team von Sananim aus ehemaligen Drogenabhängigen zur Weltmeisterschaft gefahren - gesponsert durch die Sparkassenstiftung und andere Firmen. Der Prager Oberbürgermeister hat einen Fußball und seine Schirmherrschaft obendrauf gegeben. Die Weltmeisterschaft der Obdachlosen in Südafrika - ein Erlebnis, das auch Marcel Ambroz nicht vergisst:
"Das war wirklich für viele das schönste Erlebnis in ihrem Leben. Das halbe Team hatte keine Reisepässe. Zwei oder drei Leute sind noch niemals in ihrem Leben geflogen. Es war wirklich sehr spannend am Anfang. In Südafrika waren 500 Spieler aus 50 Ländern. Es war wie Karneval in Rio, weil dort auch viele schwarze Teams waren. Das Ganze ging zehn oder zwölf Tage und war wie ein Musik-Festival. Es gab keinen Konflikt. Es war wunderschön für mich, dass es bei so vielen Spielern aus so vielen Ländern, mit so unterschiedlichen Vergangenheiten, nie einen Konflikt zwischen den Teilnehmern gab. Und auch am Rande des Turniers gab es kein Problem."Nach einem schweißtreibenden Tag auf dem Spielfeld haben sich alle Mannschaften mit ihren Kapitänen an der Spitze in Reih und Glied aufgestellt. Der Sieger wird ausgerufen, das Team, das die Tschechische Republik auf der ´Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen´ in Kopenhagen vertreten wird.
Das Team von "Sananim" jubelt und lässt den Pokal mit Kribbelwasser und ohne Alkohol kreisen. Der F.C. Sananim reist im Sommer nach Kopenhagen. Marcel Ambroz hatte vor sieben Jahren die Idee, dieses Fußballteam aus ehemaligen Drogenabhängigen aus der Taufe zu heben - als eine Gelegenheit für die "sauberen" Klienten, etwas zu tun. Denn:"Die wissen nicht ganz genau, was sie zu erwarten haben, was schön ist im Leben, was man Gutes machen kann. Und Fußball ist wirklich eine gute Aktivität für alle."
Und das sehen wohl die Spieler ganz genauso, erzählt Marcel Ambroz:
"Einige von denen haben mir erzählt: ´Fußball zu spielen und zu können hat mir das Leben gerettet´!"