Zu schlechten Sachen grundsätzlich 'nein' sagen - Ludvik Vaculik wird 80

Ludvik Vaculik (Foto: CTK)

Ludvik Vaculik, einer der bekanntesten und vielleicht auch streitbarsten tschechischen Journalisten und Schriftsteller, ist am vergangenen Wochenende 80 Jahre alt geworden. Silja Schultheis erinnert an einige der wichtigsten Grundsätze und Stationen im Leben von Vaculik.

Ludvik Vaculik  (Foto: CTK)
"Ihr dürft nicht die Gelegenheit verpassen, zu einer schlechten Sache grundsätzlich 'nein' zu sagen" - diesen Ratschlag gebe er jungen Leuten immer wieder mit auf den Weg, schreibt der Journalist und Schriftsteller Ludvik Vaculik Anfang dieser Woche in seiner Kolumne "Das letzte Wort" in der Zeitung Lidove noviny. Darin kommentiert Vaculik regelmäßig das aktuelle Geschehen, kritisiert etwa die Verbreitung von Reality shows in Tschechien oder macht sich Gedanken über den Sinn von Geburtstagsglückwünschen.

Nein sagen, gegen Unrecht protestieren, seinen eigenen Grundsätzen treu bleiben - Eigenschaften, die sich wie ein roter Faden durch die Biographie von Vaculik ziehen. "Wenn irgendwo etwas passiert, was nicht richtig ist, muss er einfach reagieren", so beschreibt es Marie Vaculikova, seine Frau, mit der Vaculik seit 1949 verheiratet ist.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Vaculik in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bekannt, als er begann, gesellschaftspolitische Essays in der Zeitschrift Literarni noviny (später: Literarni listy bzw. Listy) zu publizieren. Aufsehen erregend war sein Auftritt beim Schriftstellerkongress 1967 in Prag, mit dem er sich definitiv von der kommunistischen Ideologie lossagte, an die er seit 1948, wenn auch mit wachsender Skepsis, geglaubt hatte. In seinem bekannten Manifest "2000 Worte", einem der entscheidenden Wegbereiter des "Prager Frühlings", rief Vaculik seine Landsleute 1968 zum bürgerlichen Ungehorsam auf. An die 40.000 Menschen solidarisierten sich damals durch ihre Unterschriften mit ihm.

Was auf seinen radikalen Bruch mit der kommunistischen Ideologie Ende der 60er Jahre folgte, war aus der Sicht des Regimes nur konsequent: der Ausschluss aus der Partei und ein permanenter Druck auf den widerspenstigen Journalisten und Schriftsteller. Kurz nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erinnerte sich Vaculik in einem Gespräch für den Tschechoslowakischen Rundfunk an die Auflagen, die ihm seit Ende der 60er Jahre von der Staatspartei gemacht wurden:

"Entweder zu emigrieren, nicht zu schreiben, oder wenn ich schon schreibe, mich nur um meine eigenen Texte zu kümmern - d.h. meinen Samisdat-Verlag, die Edice Petlice, aufzugeben. Wenn es nach den Kommunisten gegangen wäre, hätte ich am besten einen Arbeiterberuf ausüben sollen, der mich so sehr entkräftet, dass ich keine Zeit mehr für andere Dinge habe. Dieser Druck hat die ganze Zeit über angehalten, mal war er stärker, mal schwächer."

Ernähren konnte Vaculik sich und seine Familie trotz des Publikationsverbotes paradoxerweise durch seine Bücher. Denn das Verbot galt nur für die Tschechoslowakei, nicht für Veröffentlichungen im Ausland. Und so brachte Vaculik der unverhältnismäßige Devisenkurs relativ gute Einnahmen für seine im Ausland erschienenen Bücher. Der Roman "Die Meerschweinchen" (1970) wurde etwa in elf Sprachen übersetzt. Über dieses Buch, das als eines seiner besten gilt und als Parodie auf die kommunistische Gesellschaft verstanden werden kann, sagte Vaculik 1990 gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

"Das ist ein Buch, das ich gerne geschrieben habe. Ich spreche darin weder direkt über mein eigenes Schicksal noch über die Gesellschaft, sondern stelle diese Dinge metaphorisch dar - so wie es Schriftsteller wohl tun sollen."

"Die Meerschweinchen" waren zugleich das erste Buch, das in Vaculiks bereits erwähntem Samizdat-Verlag Edice petlice ("Edition hinter Schloss und Riegel") erschien. In Eigenregie gab Vaculik in dieser Reihe zwischen 1972 und 1989 an die 400 Buchtitel heraus, die nahezu die gesamte Bandbreite der tschechischen Literatur der damaligen Zeit repräsentierten - von Jaroslav Seifert über Bohumil Hrabal, Jan Skácel, Vaclav Havel und viele andere. Neben seinen Romanen ist Ludvik Vaculik auch heute vor allem für seine Feuilletons und Glossen eine journalistische Gattung, die unmittelbar mit seiner Dissidentenzeit zusammenhängt, erklärt er:

"Diese Gattung hat ihre Logik: denn wenn man den Anspruch hatte, etwas zu schreiben, was sich andere Leute abschreiben können, musste es kurz sein. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Leute drei Seiten noch gerne abschreiben, mehr schon nicht mehr. Außerdem konnte ich hinter einem literarischen Text immer einen doppelten Sinn verbergen und ihn dann so auslegen wie ich wollte. Wenn mich die Staatspolizei gefragt hat: was wollen sie damit sagen?, habe ich geantwortet: genau das. Aber das hat einen doppelten Sinn. So ein Feuilleton ist einfach eine großartige Erfindung."

Als Journalist war Ludvik Vaculik ab 1958 auch einige Jahre beim Tschechoslowakischen Rundfunk in der Jugendredaktion tätig. Als Medium ziehe er allerdings klar die Printmedien vor, so Vaculik Anfang 1990:

"Weil sie sich nicht aufdrängen, sondern einfach daliegen. Und entweder man nimmt sie in die Hand und liest sie oder man lässt sie liegen. Man kann zwischen ihnen auswählen und muss sie nicht zu Ende lesen. Sie sind bescheiden und haben dennoch eine große Bedeutung."

Der Zeitung bleibt Vaculik auch mit 80 Jahren treu. Regelmäßig schreibt er für die Literarni noviny, und in den "Lidovky" hat er - wie eingangs erwähnt - jeden Dienstag das "letzte Wort". Außerdem möchte er gerne noch zwei Bücher schreiben. Den Plot habe er schon im Kopf, wolle ihn aber vorerst für sich behalten, sagte Vaculik unlängst in einem Zeitungsinterview.