Prager Frühling: Vor 40 Jahren erschien das „Manifest der 2000 Worte“

Robert Fico, Angela Merkel, Mirek Topolánek (Foto: ČTK)

Mitte der Woche haben der tschechische Premier Mirek Topolánek, sein slowakischer Amtskollege Róbert Fico sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin eine Ausstellung zum Prager Frühling 1968 eröffnet. Der Termin für die Ausstellungseröffnung ist nicht verwunderlich, denn am Freitag sind 40 Jahre vergangen, seitdem eines der wichtigsten Dokumente der damaligen Reformbewegung veröffentlicht wurde: das Manifest der 2000 Worte.

Robert Fico,  Angela Merkel,  Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Am 27. Juni 1968 erschien das Dokument. Abgedruckt wurde es in der kulturpolitischen Zeitschrift „Literární listy“, die damals Sprachrohr der Reformbewegung war, sowie in den drei Tageszeitungen „Lidové noviny“, „Práce“ und „Mladá Fronta“. Die Überschrift lautete: Zweitausend Worte, die an Arbeiter, Landwirte, Beamte, Künstler und alle gerichtet sind. Angeregt hatten dieses Manifest der 2000 Worte, wie es genannt wird, einige angesehene Wissenschaftler. Sie wandten sich an den Schriftsteller Ludvík Vaculík, der das Manifest dann schrieb.

„Ich wollte niemals Sprecher des Volkes sein. Sie kamen aber zu mir mit dem, was alle dachten: dass die Lage kritisch und pikant sei vor den Parteikonferenzen zur Vorbereitung des außerordentlichen Parteikongresses. Wir wollten die Öffentlichkeit aufrütteln, den fortschrittlichen Flügel in der Partei zu unterstützen“, erinnert sich Vaculík.

Der Parteikongress der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei sollte im Herbst stattfinden. Innerhalb der KPTsch waren die Reformer um Alexander Dubček aber in der Minderheit. All die Freiheiten, die im Lauf des Frühlings 1968 erlangt wurden, wie Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder Reisefreiheit waren also weiterhin bedroht. Im Manifest steht deswegen: „Die Leute befürchten, dass die Demokratisierung stehen bleibt.“

Und weiter wollte Vaculík ausdrücken„dass es sich bereits um eine Bürgerbewegung handelt und nicht um den Kampf zweier Flügel in der Partei und dass die Demokratisierung nicht gegen die Kommunisten durchgesetzt werden kann. Es sollte wie eine Unterstützung der Regierung klingen, soweit die Regierung das Mandat, das wir ihr geben, ausfüllt.“

Doch die Führung der KPTsch lehnte das Dokument als eine Misstrauenserklärung ihrer Politik ab. Der Text wurde sogar dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Leonid Breschnew vorgelegt. Breschnew verurteilte den Inhalt. Letztlich formulierte das Zentralkomitee der Partei einen Beschluss.

„In dem Beschluss hieß es letztlich sinngemäß: Das Manifest ist schlecht, aber wir erkennen an, dass seine Autoren subjektiv gute Ziele gehabt haben können“, sagt der Historiker Jakub Končelík.

Zudem wurde eine Gegenresolution angeregt, doch die Journalisten in den Zeitungen lehnten ab, so etwas zu verfassen. Sie sagten, dass sie körbeweise zustimmende Briefe erhalten hätten und nur vier bis fünf ablehnende Zuschriften. Das Manifest unterschrieben in der Folge viele Personen des öffentlichen Lebens wie der Dichter Jaroslav Seifert oder Olympiasieger Emil Zátopek.

In seinem Text warnte Vaculík bereits vor der Gefahr einer Intervention der Sowjettruppen. Heutzutage wird dem Verfasser der 2000 Worte von verschiedenen Seiten aber vorgeworfen, die Invasion geradezu herausgefordert zu haben. Seine Antwort:

„Auch wenn die Gefahr bestand, musste es getan werden. Dass die Russen kommen könnten, darauf konnte keine Rücksicht genommen werden.“

Am 21. August 1968 überrollten die Sowjetpanzer die Reformbewegung des Prager Frühlings.