Trotz Tschernobyl: Tschechien baut auf die Atomkraft bei mehr Sicherheit

Foto: CTK

Vor genau 20 Jahren, am 26. April 1986, hat sich im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl die größte zivile Kernkraftkraftkatastrophe der Welt ereignet. Man spricht heute davon, dass mehrere 100.000 Menschen von den radioaktiven Folgen der Reaktorexplosion betroffen wurden, die Zahl der Toten, die der überhöhten Radioaktivität unmittelbar zum Opfer fielen, wird einem UNO-Bericht zufolge mit über 4000 Menschen angegeben. Wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl seinerzeit in der Tschechoslowakei wahrgenommen wurde und welche Konsequenzen man für die tschechische Energiepolitik der Gegenwart und Zukunft daraus gezogen hat, dazu mehr im folgenden Bericht von Lothar Martin.

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Vor 20 Jahren gehörte das ukrainische Atomkraftwerk Tschernobyl verwaltungstechnisch noch zum Riesenreich der damaligen Sowjetunion, einem Land, das seine kommunistische Gesellschaftsordnung auch darauf stützte, dass man über Fehler, Pannen und Katastrophen keine Rechenschaft ablegen, sondern alles herunterspielen und nach Möglichkeit vertuschen wollte. So war es erst recht mit der Reaktorkatastrophe, wo aufklärende Informationen zunächst kaum existierten. Auch Andrej Kugler vom Institut für Nuklearphysik der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik erinnert sich und bestätigt:

"Das war typisch für die damalige Zeit in der Sowjetunion. Dort hat man alles verheimlicht, wenn es möglich war."

Die Katastrophe hat zu einem gewissen Umdenken bei der Nutzung der Kernkraftenergie geführt. Nach Meinung von Andrej Kugler sieht die Öffentlichkeit die Atomenergie seitdem in einem ziemlich negativen Licht, andererseits habe der Gau von Tschernobyl dazu geführt, dass man inzwischen wesentlich mehr in die Sicherheit und ständige Überprüfung von Kernkraftwerken investiere, als das früher der Fall war. Daher ist Kugler auch der Auffassung:

"Eine Katastrophe in diesem Ausmaß, wie sie sich in Tschernobyl ereignet hat, lässt sich meiner Meinung nach bei den gegenwärtigen Reaktoren ausschließen. Denn die heutige Technologie ist soweit fortgeschritten, dass der Faktor Mensch bei ihr schon keinen Einfluss mehr hat."

Havarien in Kraftwerken ließen sich jedoch nie ganz ausschließen, räumt Kugler ein, auch wenn es ein neues Tschernobyl bei moderneren Reaktoren wie zum Beispiel in Temelin nicht geben könne. Von Atomkraftgegnern wird jedoch immer wieder gefordert, dass Tschechien seine auf Wärme- und Kernkraftwerke aufgebaute Energieerzeugung überdenke und auch von alternativen Ressourcen wie der Wasser- und Windkraft mehr Gebrauch mache. Andrej Kugler aber sieht das so:

"Das Problem liegt darin, dass zum Beispiel die Kapazität der Wasserkraftwerke in einem Land, wie wir es sind, beschränkt ist. Hier sind wir heute wohl schon beim Maximum angelangt, nur ganz schwer wird sich die Kapazität erweitern lassen."

Ähnlich sei dies bei der Windkraft und anderen erneuerbaren Energien zu sehen, die man in Tschechien aufgrund der hier vorherrschenden geografischen Gegebenheiten nicht in einem erforderlichen Maße nutzen könne. Daher werde die Kernkraftenergie in den nächsten 50 Jahren in Tschechien eine noch größere Rolle spielen, zumal die Kohleressourcen zur Nutzung der Wärmeenergie immer weiter zurückgehen, meint Kugler. Atomkraftgegner wie die Initiative "Südböhmische Mütter" sind jedoch der Meinung, dass die im AKW Temelin erbrachte Energieerzeugung überdimensioniert sei und nur dazu diene, auf diesem Sektor riesige Geschäfte auf europäischer Basis zu machen. Daher wird der Reaktor in Temelin auch immer wieder in Frage gestellt - sowohl wirtschaftlich als auch in punkto seiner Sicherheit. Der letztere Aspekt aber darf 20 Jahre nach Tschernobyl schon keine Fragen mehr offenlassen.