Bange machen gilt nicht! Interregionaler Gewerkschaftsrat für grenzüberschreitende Arbeitnehmerrechte

Vorsitzender des DGB-Landesbezirks Hanjo Lucassen (Foto: Autor)

Vergangene Woche versammelten sich in Prag Steuerexperten aus ganz Europa, um auf einer Fachkonferenz die Steuersysteme der einzelnen Länder zu vergleichen und die wirtschaftlichen sowie sozialen Auswirkungen von Reformen zu diskutieren. Radio Prag hat bereits berichtet. Zu Gast war auch Hanjo Lucassen, der Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Sachsen. Gerald Schubert hat sich am Rande der Konferenz mit ihm über die Zusammenarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des tschechischen Gewerkschaftsdachverbandes CMKOS unterhalten:

Vorsitzender des DGB-Landesbezirks Hanjo Lucassen  (Foto: Autor)
"Wir haben zwischen Nordböhmen, dem polnischen Teil Schlesiens und Sachsen eine sehr gute Verbindung. Der Interregionale Gewerkschaftsrat verbindet die CMKOS, die Solidarnosc in Polen und den Deutschen Gewerkschaftsbund in Sachsen", sagt der sächsische DGB-Chef Hanjo Lucassen. Was genau sind die Tätigkeitsfelder dieses Interregionalen Gewerkschaftsrates?

"Wir kümmern uns um die Probleme in der Grenzregion. Es geht uns darum, Ansiedlungspolitik, insbesondere aus Deutschland im Grenzraum Polens und im Grenzraum Tschechiens auch in sozialer Hinsicht zu beobachten. Es müssen gewisse Standards eingehalten werden, etwa was die Löhne oder die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten betrifft. Arbeitnehmer sind kein Freiwild, wenn sie in Polen oder Tschechien wohnen. Und es geht uns auch darum, dass wir die Freizügigkeit jetzt stärker in den Griff bekommen."

Böhmisch-mährische Gewerkschaftskonföderation
Letzteres lässt aufhorchen. Denn oft waren es gerade auch die Gewerkschaften aus den alten Mitgliedsländern der Europäischen Union, die der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt skeptisch gegenüberstanden. Sie befürchteten einen zu großen Ansturm von Arbeitskräften aus den neuen EU-Staaten und in weiterer Folge massives Lohndumping. In den Beitrittsverträgen wurden schließlich bis zu sieben Jahre lange Übergangsfristen verankert. Hanjo Lucassen tritt hier zumindest für eine sachliche Neubewertung ein:

"Wir haben ein Projekt entwickelt, bei dem wir beobachten, wie Pendlerbewegungen von Nordböhmen und Schlesien nach Sachsen sind - aber auch umgekehrt. Und wir stellen fest: Die Angstmacher, die sagen, dass Arbeitnehmer aus Tschechien und Polen überfluten unser Gebiet und nehmen den Deutschen den Arbeitsplatz weg, haben unrecht. Wir müssen vielmehr darauf achten, dass junge Menschen, also die Humanressourcen in Polen, Tschechien und Deutschland, für den wirtschaftlichen Aufschwung in unseren Ländern genutzt werden. Bange machen gilt nicht. Der Interregionale Gewerkschaftsrat Elbe-Neiße kann hier eine wichtige Rolle spielen, und die Arbeit funktioniert auch gut."