Aufruhr in der ODS: Sechs Abgeordnete lassen Abstimmung zur Mehrwertsteuer platzen

Petr Nečas (Foto: ČTK)

Unlängst haben wir in einem Beitrag in unseren Sendungen bereits gesagt: Der Regierung Nečas weht jetzt ein schärferer Wind ins Gesicht. Dieser Wind kommt in erster Linie von der Opposition sowie von der Prager Burg, dem Amtssitz des Staatspräsidenten. Seit Dienstag aber ist es offensichtlich: Auch in den Reihen der Regierungspartei ODS regt sich Widerstand gegen die eiserne Sparpolitik von Premier und ODS-Chef Nečas und von Finanzminister Kalousek. Gleich sechs ODS-Abgeordnete haben unverhohlen angekündigt, dass sie den Regierungsentwurf für eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht unterstützen werden.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Das Kabinett von Premier Petr Nečas war im August 2010 mit dem Ziel angetreten, den Staatshaushalt zu stabilisieren. Ein Weg zu diesem Ziel sind Steuererhöhungen, findet die Regierung. Deshalb hat sie im vergangenen Jahr eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent und für den reduzierten Satz auf 14 Prozent durchgedrückt. Das entsprechende Gesetz ist zum 1. Januar in Kraft getreten. Trotz anhaltender Rezession im Land wollte sie nun die nächste Erhöhung folgen lassen – auf 21 beziehungsweise 15 Prozent. Vor der Sommerpause hatte der entsprechende Regierungsentwurf das Abgeordnetenhaus bereits nach drei Lesungen passiert, der von der Opposition dominierte Senat aber hat ihn jüngst an die untere Parlamentskammer zurückgewiesen. Am Dienstag sollte nun das Veto des Senats von der Kammer überstimmt werden, sechs Abgeordnete der Regierungspartei ODS aber stellten sich quer. Da das Regierungslager im Abgeordnetenhaus nur über eine dünne Mehrheit verfügt, wurde die Abstimmung zur Mehrwertsteuer vorerst vertagt – sehr zum Unmut von Finanzminister Miroslav Kalousek:

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
„Hier geht es überhaupt nicht um die Steuer, auch nicht um die Tagesordnung. Hier geht es leider um einen parteiinternen Machtkampf in der ODS.“

Der ODS-Vizevorsitzende Pavel Drobil wiederum wusste nicht so recht, wie er den Sinneswandel seiner sechs Parteikollegen zu deuten habe:

„Für mich ist es etwas schwierig zu begreifen, dass man einen Gesetzentwurf fünfmal in Folge unterstützt, dann aber – nachdem der Senat den Entwurf an das Abgeordnetenhaus zurückgegeben hat – beginnt, seine Meinung zu ändern.“

Michal Doktor
Der Abgeordnete Michal Doktor, der erst vor kurzem aus der ODS austrat und jetzt für eine Budweiser Bürgerbewegung im Parlament sitzt, wurde indes deutlich:

„Ich denke, die Regierung hat nicht das moralische Recht für eine Steuererhöhung. Jede Woche bringen unsere Medien genügend Informationen darüber, wie verschwenderisch die Minister dieser Regierung mit Geld umgehen, statt in ihren Ressorts alle Möglichkeiten zu Einsparungen zu nutzen. Erst wenn sie das beherzigen, werde ich darüber nachdenken, ob es nötig ist, in Tschechien die Steuern zu erhöhen.“

Der Redakteur des Internetservers Aktuálně.cz, Petr Holub, schließlich brachte noch ein Argument ins Spiel, weshalb sich der Wind inzwischen gedreht hat:

„Wir haben gerade während dieses Sommers erfahren müssen, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die zu Jahresbeginn vorgenommen wurde, dem Staatshaushalt im Grunde genommen nichts gebracht hat. Dies ist ein ziemlich logisches Argument, das die ODS-Abgeordneten gegen ihren Premierminister und seine Sparpolitik vorbringen können.“

Es sieht also ganz so aus, als wenn die Abstimmung über die Mehrwertsteuererhöhung diesmal scheitern wird. Für diesen Fall aber hat die Koalitionsregierung bereits einen zweiten Versuch angekündigt. Die Abstimmung, die dann folgen soll, will Premier Nečas allerdings mit der Vertrauensfrage im Abgeordnetenhaus verbinden. Das heißt: Die Regierung will nun wissen, ob sie dem starken Wind, der ihr entgegen bläst, noch standhalten kann.