Idealistisch, aber mit wenig Einfluss: Studie beleucht den Stand der tschechischen Zivilgesellschaft

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Der Staat, das sind nicht nur Politiker, Funktionäre und einflussreiche Wirtschaftsverbände, sondern vor allem die Bürger. Lebendig und stabil wird ein Staat erst dann, wenn sie zusammenkommen, Ideen entwickeln, und die Gestaltung ihres Umfeldes selbst in die Hand nehmen - kurzum: wenn sich eine Bürgergesellschaft bildet. Nicht gerade das, was die kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa gefördert haben. Wie die Situation in Tschechien gut 15 Jahre nach der Wende aussieht, untersucht eine Studie der Stiftung zur Entwicklung der Bürgergesellschaft (NROS), die nun in Prag von vorgestellt wurde. Thomas Kirschner mit den Einzelheiten.

Ein Jahr lang wurden Möglichkeiten, Umfang und Wirkung des Engagements von Bürgern in Tschechien unter die Lupe genommen. Im Mittelpunkt standen dabei die gemeinnützigen Organisationen. Das Spektrum der Organisationen wurde ebenso untersucht wie das politische und juristische Umfeld, in das sie eingebettet sind und die Werte, für die sie stehen. Gerade letztere sind in der tschechischen Gesellschaft klar ausgeprägt, meint die Projektleiterin Tereza Vajdova von der Stiftung NROS.

"Zu den stärksten Seiten der tschechischen Bürgergesellschaft gehört sicher das Wertbewusstsein. Die wichtigsten Werte sind hier Gewaltfreiheit, Schutz der Umwelt, Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Armut. Diese Werte konnten wir bei der Untersuchung sehr stark nachweisen, und das sowohl im Hinblick darauf, was die Organisationen propagieren, als auch was sie davon auch wirklich in der Praxis umsetzen."

Die Studie entstand im Rahmen des internationalen Projektes "Civil Society Index", an dem sich mehr als 60 Länder beteiligen. Interessant sind Vergleiche etwa zum Nachbarland Deutschland. Nochmals Tereza Vajdova:

"Aus den Untersuchungen geht hervor, dass die Bürgergesellschaft in Deutschland einen wesentlich größere Wirkung und einen stärkeren Einfluss hat. Zugleich haben die Deutschen aber beine skeptischere Haltung zu den Werten, die die Bürgergesellschaft propagiert und für die sie in der Praxis eintritt."

Anders gesagt: die gemeinnützigen Organisationen in Tschechien treten mit mehr Idealismus auf, haben aber zugleich einen geringeren Einfluss auf die Gesamtgesellschaft als ihre Partner in Deutschland. Tereza Vajdova von der Stiftung NROS sieht darin auch 15 Jahre nach der Wende noch Nachwirkungen des totalitären Regimes in der damaligen Tschechoslowakei.

"Der Idealismus, der mit den Tätigkeiten in der Bürgergesellschaft verbunden ist, könnte seine Wurzeln noch in der Zeit des Kommunismus haben, wenn wir auf die Tätigkeit der Dissidenten schauen, wie etwa Vaclav Havel und andere: Da war die Bürgergesellschaft die ideale Sphäre für Widerstand gegen das totalitäre Regime. Die positive Bewertung und der Idealismus können also noch aus dieser Zeit kommen."

Und auch das Hauptproblem der Zivil- und Bürgergesellschaft in Tschechien könnte mit eine Nachwirkung der vergangenen Zeiten sein: Immer noch sind zu wenige Menschen bereit, sich in einer der gemeinnützigen Organisationen zu engagieren. Und zu viele Tschechen schauen immer noch auf den Staat, wenn es darum geht, die eigenen Probleme zu lösen.