Bayerische Vertriebenen-Beauftragte in Tschechien: Deutschunterricht und Zusammenarbeit der Schulen
Sylvia Stierstorfer, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, weilt in diesen Tagen zu Besuch in Tschechien. Martina Schneibergová hat mit der bayerischen Landtagsabgeordneten aus Regensburg über die Schwerpunkte ihrer Visite gesprochen.
Frau Stierstorfer, Sie haben in diesen Tagen in Tschechien zweifelsohne ein volles Programm. Treffen Sie auch mit Vertretern der verschiedenen deutsch-tschechischen Initiativen und der deutschen Vereine zusammen?
„Ich war gerade in Aussig und habe die Ausstellung ,Unsere Deutschen‘ besucht. Sie ist hochinteressant. Mit den Organisatoren sind wir uns einig, dass wir sie als Bildungsauftrag sehen. Ich werde versuchen, junge Menschen in Bayern dafür zu begeistern, sodass Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten diese Ausstellung besuchen. Zudem haben wir in Aussig über ein Austauschprogramm mit den tschechischen Schulen gesprochen. Zudem habe ich im Prager Parlament mit dem Abgeordneten Hayato Okamura (Christdemokraten, Anm. d. Red.) über die Möglichkeit diskutiert, die deutsche Minderheit in Tschechien zu stärken. Dies war auch das Thema meines Gesprächs mit Martin Dzingel (Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, Anm. d. Red.) und dem deutschen Botschafter Andreas Künne in der Bayerischen Repräsentanz. Darüber, wie man den Deutschunterricht an den tschechischen Schulen stärken kann, habe ich mich zudem mit Helena Válková ausgetauscht (Ano-Abgeordnete und ehemalige Regierungsbeauftragte für Menschenrechte, Anm. d. Red.). “
Wollen Sie sich auch dafür einzusetzen, dass mehr Muttersprachler als Deutschlehrer nach Tschechien kommen?
„Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der angesprochen worden ist. Dies ist mein großes Anliegen. Es ist jedoch nicht ganz einfach, es umzusetzen, denn darüber muss das Auswärtige Amt in Berlin entscheiden. Es geht mir darum, dass Interesse der Lehrer zu wecken. Dazu gibt es die ,Sprachassistenz‘, die Bayern auch unterstützt. Dabei könnten Studentinnen und Studenten eine Zeit lang in Tschechien an den Schulen arbeiten. Dies war auch Thema bei meinen Gesprächen. Ich möchte aber auch den Tschechisch-Unterricht bei uns stärken. Dies betrifft Kindergärten sowie Schulen. Ich selbst komme aus dem Grenzgebiet, aus dem Landkreis Regensburg. Im Rahmen eines Projekts mit der früheren tschechischen Generalkonsulin bietet ein Gymnasium in München Tschechisch-Unterricht für Schülerinnen und Schüler aus dem Raum München an.“
Wie groß ist allgemein das Interesse für den Tschechisch-Unterricht?
„Vor allem in unserer Region wird versucht, das Interesse zu stärken. Der Sprachunterricht hat eine Brückenfunktion. Wenn man sich das Geschehen in der Ukraine anschaut, findet man, dass es wichtiger denn je ist, dass wir zusammenrücken.“
Wir haben vor drei Jahren miteinander anlässlich einer Ausstellungseröffnung in Prag gesprochen. Bald danach begann die Corona-Zeit. Haben Sie seitdem Tschechien noch einmal wieder besucht?
„Nein, das ist jetzt mein zweiter Besuch als Regierungsbeauftragte in Tschechien. Es geht mir darum, die Projekte, die es schon gibt, weiter anzustoßen. Mit Herrn Okamura habe ich vereinbart, dass wir Praktika bei ihm im Parlament sowie bei mir im Landtag anbieten. Mir geht es auch um die wissenschaftliche Zusammenarbeit. Dazu werde ich an der Universität in Pilsen Gespräche führen. An der Universität in Regensburg bekommen wir einen Forschungsauftrag zum Thema Vertriebene. Daran werden sich die Herkunftsländer der Vertriebenen beteiligen. Es gibt schon gute Kooperationen zwischen der Prager Karlsuniversität und Regensburg. Die Gespräche, die ich bisher in Tschechien führte, waren sehr wertvoll. In Aussig habe ich mir mit dem Direktor des Collegium Bohemicum, Petr Koura, fast drei Stunden lang die Ausstellung angeschaut. Wir haben ein Sudetendeutsches Museum in München und möchten uns mit Aussig über die Zusammenarbeit austauschen.“
Konnten Sie die Projekte während der Corona-Zeit auf Entfernung betreuen?
„Wir haben bei uns verschiedene Programme, in deren Rahmen wir Studenten unterstützen, die nach Tschechien gehen. Wir müssen es nur mehr in die Öffentlichkeit bringen. Wichtig finde ich das Vernetzen und das Wissen darum, welche Möglichkeiten es gibt.“
„Das Thema der Sprachlehrer hat mich beschäftigt. Ich war mit dem deutschen Botschafter, mit dem Auswärtigen Amt sowie dem Kultusminister in Kontakt. Wir haben bei uns verschiedene Programme, in deren Rahmen wir Studenten unterstützen, die nach Tschechien gehen. Wir müssen es nur mehr in die Öffentlichkeit bringen. Wichtig finde ich das Vernetzen und das Wissen darum, welche Möglichkeiten es gibt.“
Könnte dazu auch der Tag der offenen Tür beitragen, der am Dienstag in der Deutschen Botschaft in Prag stattfand und bei dem sich auch die Initiatoren verschiedener Austausche präsentiert haben…
„Ich habe gehört, dass es dort 3000 bis 4000 Besucher gab. Das finde ich beeindruckend. Ich glaube, dass der schreckliche Krieg inmitten von Europa, bei dem unzählige Menschen, vor allem Mütter mit Kindern, gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, auch junge Menschen zum Nachdenken und dem Wissen-Wollen anregt. Wenn man die Geschichte nicht kennt, ist es schwierig, die Zukunft zu gestalten.“
Mehrere Hunderttausend Geflüchtete aus der Ukraine sind in Tschechien aufgenommen worden. Die Bereitschaft der Menschen hierzulande, zu helfen, ist bisher groß. Sie haben bestimmt auch eine persönliche Erfahrung mit den Geflüchteten…
„Ja, wir versuchen gezielt zu helfen – mit Lieferungen in die Ukraine, aber auch mit Unterkünften für Mütter mit Kindern und für Senioren. Mein zukünftiger Schwiegersohn hat seine Wohnung zwei ukrainischen Frauen zur Verfügung gestellt. Seine Oma stammte aus Karlsbad und wurde selbst vertrieben und fand ein neues Zuhause. Er wollte, dass die Frauen gut aufgenommen werden. Viele Menschen stellen Unterkünfte zur Verfügung. Ich bin davon überzeugt, dass dies Europa zusammenschweißt. Da haben wir eine große gemeinsame soziale Aufgabe.“
Sie haben sudetendeutsche Wurzeln, einer ihrer Vorfahren war sogar Bürgermeister in einer westböhmischen Gemeinde. Besuchen Sie diesen Ort?
„Wenn ich in Tschechien bin, ist es ein Stück Heimat, das ich mittrage.“
„Ja. Mein Vater ist jetzt ein bisschen gesundheitlich angeschlagen. Unser Wunsch ist es, den Heimatort meines Vaters gemeinsam mit der ganzen Familie zu besuchen. Er war sieben Jahre alt, als er vertrieben wurde. Wenn ich in Tschechien bin, ist es ein Stück Heimat, das ich mittrage. Unsere Familiengeschichte hängt damit eng zusammen. Deshalb hat mich die Ausstellung in Aussig so berührt.“