Tschechiens Präsident Pavel nimmt an Gedenkakt für Opfer des Roma-Konzentrationslagers in Lety teil
Über 1300 Sinti und Roma wurden während des Zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager im südböhmischen Lety interniert. Die Anlage diente später als Schweinemastbetrieb, aber nun entsteht dort eine neue Gedenkstätte. Am Sonntag fand ein Gedenkakt statt, an dem erstmals seit 28 Jahren auch der tschechische Staatspräsident teilnahm.
Am Sonntag wurde in Lety bei Písek den Opfern des Roma-Holocaust gedacht. Zuletzt wohnte 1995 mit Václav Havel ein tschechischer Staatspräsident der Gedenkveranstaltung bei. Nun nahm erst zum zweiten Mal ein Staatsoberhaupt an dem Akt teil.
„Es scheint mir, als habe die Menschheit die Tendenz, ihre Fehler immer zu wiederholen“, betonte Präsident Petr Pavel in seiner Rede mit Blick auf die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Und gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte Pavel in Lety:
„Ich bin froh, dass hier nun eine Gedenkstätte entsteht. Dadurch wird ein Teil unserer Geschichte beleuchtet, den wir nicht vergessen dürfen, sondern genau beschreiben sollten. Wir müssen uns zu unserem Teil der Schuld bekennen. Nur so können wir das Geschehene verarbeiten. Ich sehe diese Bemühungen als ehrlichen Versuch einer Wiedergutmachung an.“
Der Gedenkakt wird alljährlich vom Museum der Roma-Kultur sowie dem Ausschuss für die Entschädigung der Opfer des Roma-Holocaust veranstaltet. Auf dem Gelände in Lety befand sich zwischen 1942 und 1943 ein Konzentrationslager für Sinti und Roma. Über 1300 Menschen wurden dort interniert, mehrere Hundert von ihnen kamen ums Leben. Im Mai 1943 wurden in einem Transport über 400 Gefangene in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
In den 1970er Jahren wurde auf dem Gelände ein Schweinemastbetrieb errichtet. Würdiges Gedenken fand lange Zeit nicht statt. Erst 2018 konnte der Staat das Areal kaufen, und man begann mit dem Abriss der 13 Hallen. Diese Arbeiten wurden Ende vergangenen Jahres abgeschlossen. Derzeit entsteht nun ein Ort des Gedenkens. Fast 100 Millionen Kronen (4,2 Millionen Euro) soll das neue Besucherzentrum kosten. Wie die Arbeiten daran vorangehen, erklärte Jana Horváthová, die Leiterin des Museums der Roma-Kultur:
„Die Bauarbeiten am Besucherzentrum laufen bereits. Zudem planen wir die Gestalt des kreisförmigen Denkmals. Dieses soll sich unmittelbar am Ort des ehemaligen Lagers befinden. Strahlenförmig werden daran die Namen der Inhaftierten angebracht.“
Eröffnet werden soll die neue Ausstellung in einem Jahr. Präsident Petr Pavel teilte am Sonntag mit, bei der Einweihung dabei sein zu wollen, sofern es ihm sein Terminplan ermögliche. Auch Lucie Fuková, Regierungsbeauftragte für die Angelegenheiten der Roma-Minderheit, begrüßte die geplante Gedenkstätte:
„In der Errichtung des Denkmals für den Roma-Holocaust in Lety sehe ich nicht nur ein bedeutendes Ereignis für alle Roma. Es ist auch ein Signal an die gesamte Gesellschaft.“
Zugleich äußerte sich Fuková jedoch besorgt über extremistische Parteien in Tschechien und die Gleichgültigkeit, die in der Gesellschaft gegenüber Roma oft herrsche. Auch Präsident Pavel machte deutlich, dass es im Zusammenleben zwischen Tschechen und Angehörigen der Roma-Minderheit Nachholbedarf gebe. Doch es ließen sich auch Fortschritte verzeichnen, so Pavel in seiner Rede bei der Gedenkveranstaltung:
„Mich freut sehr, dass mehr Stipendien an Roma-Studierende vergeben werden und es auch mehr Interessenten dafür gibt. Bildung ist der richtige Weg für unsere Gesellschaft. Sie kann dazu beitragen, dass Vorurteile und Diskriminierung abgebaut werden und Toleranz sowie Respekt wachsen.“
Um dieses Ziel weiter zu verfolgen, begrüßte Pavel auch eine mögliche Zweigstelle des Museums für Roma-Kultur, die in Prag eingerichtet werden soll:
„Unter anderem können Schulen und junge Menschen so Zugang bekommen zu einem breiteren Spektrum an Informationen aus Geschichte und Gegenwart der Roma. Ich bin davon überzeugt, dass die Chancen auf eine gelungene Integration der Roma nur durch Lernen steigen – voneinander und übereinander. Die Möglichkeiten, die dadurch entstehen, sollten wir nicht verpassen.“