Novelle zur Änderung der tschechischen Verfassung im Senat abgelehnt
Das Tolerierungsbündnis zwischen den regierenden Sozialdemokraten (CSSD) und der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) bröckelt. Denn in der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments, dem Senat, mussten beide Großparteien am Donnerstag eine erneute Niederlage hinnehmen. Die von ihnen zuvor im Abgeordnetenhaus verabschiedete Verfassungsänderung ist im Oberhaus aklar gescheitert. Lothar Martin fasst zusammen.
Spätestens seit den letzten Ergänzungswahlen zum Senat im November vergangenen Jahres haben sich die politischen Machtverhältnisse in Tschechien ein wenig verschoben. Denn seitdem haben die Vertreter der liberalen Viererkoalition zusammen mit den beiden parteilosen Senatoren hier die absolute Mehrheit inne und die zweite Kammer des Parlaments bildet inzwischen so etwas wie den Gegenpol zum von Sozialdemokraten und Bürgerpartei beherrschten Abgeordnetenhaus. Und diese Machtverschiebung bekamen die beiden programmatisch sehr verschiedenen, durch den sog. Oppositionsvertrag aber miteinander verbandelten Großparteien erneut zu spüren. Ihre Verfassungsnovelle, die die Rolle der politischen Parteien bei der Regierungsbildung stärken, die Kompetenzen des Präsidenten der Republik jedoch einschränken und die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses ermöglichen sollte, wurde mit dem Votum von 38 zu 19 Stimmen im Senat klar abgelehnt. Damit ist die Behandlung der umstrittenen Novelle, gegen die bereits Präsident Vaclav Havel erfolgreich vor dem Verfassungsgericht in Brno/Brünn geklagt hatte, nunmehr abgeschlossen.
Dementsprechend unterschiedlich waren die Reaktionen. Vaclav Havel begrüßte das Votum und erklärte, dass eine Verfassungsänderung ohne eine breite Mehrheit im Parteienspektrum wenig sinnvoll sei. Die Veränderung sah unter anderem vor, dass der Präsident nach einer Parlamentswahl automatisch den Vorsitzenden des Siegers mit der Regierungsbildung beauftragen muss. Havel hatte dies als "unnötiges Misstrauen" kritisiert.
Im Lager der Sozialdemokraten und Bürgerdemokraten wurden hingegen leise Enttäuschung bis harsche Kritik geäußert. Während CSSD-Chef Milos Zeman mit der Ablehnung der Novelle im Senat gerechnet hatte und dieses Votum lediglich bedauerte, versuchte die ODS-Senatorin und Vorsitzende des Verfassungs-rechtlichen Ausschusses im Senat, Dagmar Lastovecka, die von CSSD und ODS beabsichtigte Verfassungsänderung nochmals zu rechtfertigen:
"Ich bin der Meinung, dass das Streben der beiden politischen Parteien nach einer Verfassungsänderung ihnen durch die Ergebnisse beider Parteien bei den letzten Wahlen vorgegeben wurde, wo sie die meisten Mandate erhielten. Und wenn man in die Geschichte zurückblickt und sie mit der Entwicklung der letzten Jahre in der Republik vergleicht, dann, so denke ich, war es nahezu gerade ihre Pflicht, mit dem Entwurf zu einer Verfassungsänderung auf diese Entwicklung zu reagieren."
Mittlerweile hat die Entwicklung beide Parteien jedoch in die Defensive gedrängt und vor allem ihr machtpolitisch begründetes Zweckbündnis immer mehr in Frage gestellt. Manche Politologen gehen schon davon aus, dass das sie verbindende Tolerierungsabkommen nicht bis zu den Parlamentswahlen im Sommer 2002 halten wird. Doch zumindest das wollen beide Großparteien vorerst verhindern.