Tschechiens steiniger Weg zu vorgezogenen Neuwahlen
Das tschechische Parlament hat am Freitag vergangener Woche möglicherweise einen Weltrekord aufgestellt. Innerhalb nur eines Tages hat es die Verfassung geändert. Am Tag stimmte das Abgeordnetenhaus ab, der Senat folgte noch am Abend. Einen Tag zuvor hatte das Verfassungsgericht entschieden, das Gesetz zur Verkürzung der laufenden Wahlperiode und damit auch den Termin für die Neuwahlen am 8. und 9. Oktober aufzuheben. Nun haben beide Parlamentskammern eine dauerhaft wirksame Änderung der Verfassung beschlossen.
Sollten die Neuwahlen, wie bereits festgelegt, am 6. und 7. November stattfinden, hat der Präsident bis Donnerstag dieser Woche Zeit, sie auszurufen. Schon am Samstag nach seiner Rückkehr vom Präsidententreffen der vier Visegrad-Länder im polnischen Sopot beteuerte Václav Klaus am Flughafen:
„Ich werde das Gesetz bestimmt noch heute unterzeichnen und am Abend, wie vereinbart, wird auch der Regierungsvorsitzende seine Unterschrift hinzufügen. Der nächste Schritt ist die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses am Dienstag. Erst dann kann ich die Neuwahlen ausrufen.“
Gesagt, getan, das Gesetz ist unterzeichnet. Nun muss sich das Abgeordnetenhaus noch selbst auflösen. Dabei könnte es aber hoch hergehen im Unterhaus des tschechischen Parlaments, deutete Präsident Klaus in einer Stellungnahme an:
„Ich glaube, dass wir die Neuwahlen brauchen. Dass jetzt unter den Abgeordneten verschiedenste Konzepte genannt werden und manche nicht damit einverstanden sind, was hierzulande passiert, kann ich gut verstehen. Verstehen kann ich auch, dass die Abgeordneten ein bisschen traurig darüber sind, dass sie das Unterhaus auflösen sollen und das von ihnen nicht besonders geliebte Oberhaus des Parlaments, der Senat, regieren wird. Das sind persönliche Gründe, und ich habe so etwas erwartet. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass die Parteichefs das Ziel letztlich durchsetzen werden.“
Ob das mit dem Durchsetzen des Ziels glatt geht ist aber nicht so sicher. Der ursprünglich bürgerdemokratische, derzeit fraktionslose Abgeordnete Juraj Raninec räumte am Freitag gleich nach der Verabschiedung der Verfassungsänderung ein, die tschechische Öffentlichkeit brauche zwar Neuwahlen, diese müssten aber im Einklang mit der Verfassung stehen. Er zweifle daran, dass dem so sei. Raninec schließt nicht aus, eine Beschwerde beim Verfassungsgericht einzulegen.
Ähnlich reagierte auch der ehemalige Sozialdemokrat und derzeit fraktionslose Abgeordnete Miloš Melčák. Derselbe Melčák, der sich am Donnerstag vergangener Woche bereits durch seine Verfassungsbeschwerde um die Aufhebung des Wahlgesetzes zur Verkürzung der laufenden Wahlperiode „verdient“ gemacht hat. Die Verfassungsänderung sollte seiner Meinung nach erst für eine neue Wahlperiode gelten:„Falls mit dem heute vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Gesetz über seine Selbstauflösung das Prinzip der Rückwirkung angewandt wurde, lasse ich das Gesetz erneut vom Verfassungsgericht beurteilen.“
Wegen Melčák will der sozialdemokratische Parteichef Jiří Paroubek diesmal nichts dem Zufall überlassen:„Er ist ein politischer Wirrkopf, zugleich aber Querulant. Es ist also anzunehmen, dass er wieder irgendeine Beschwerde einreichen wird. Wir müssen daher eine mindestens 99-prozentige Sicherheit haben, dass die Beschwerde abgelehnt wird.“
Der Weg zu vorgezogenen Neuwahlen in Tschechien ist weiterhin äußerst steinig.