Otfried Preußler: „Ich bin ein Geschichtenerzähler“

Otfried Preußler (Foto: www.preussler.de)

In unserer neuen Sendereihe Buch.cz stellen wir heute das dritte Buch vor. Geschrieben hat es Otfried Preußler, der Autor, der Generationen von Kindern und Jugendlichen mit den schönsten, lustigsten und spannendsten Geschichten versorgt hat. Christian Rühmkorf hat das Buch gelesen und mitgebracht.

Otfried Preußler: Ich bin ein Geschichtenerzähler
Christian, es ist kein Buch aus Tschechien und es ist auch kein Buch direkt über Tschechien. Was ist es?

„Der Autor ist niemand geringerer als Otfried Preußler. Ihn kennen eigentlich alle, Jung und Alt, vor allem in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern. Denn die Kinder- und Jugendbücher von Otfried Preußler wurden in alle möglichen und unmöglichen Sprachen übersetzt. Jeder kennt sie: den kleinen Wassermann, die kleine Hexe oder den Räuber Hotzenplotz.“

Und warum passt Otfried Preußler in die Radio-Prag-Reihe Buch CZ?

Otfried Preußler: Der kleine Wassermann
„Das Buch, das ich vorstellen möchte, gehört meines Erachtens auch deshalb hierher, weil der Autor Otfried Preußler in der Tschechoslowakei geboren wurde, und zwar 1923. Also: Einer der beliebtesten deutschen Kinderbuchautoren ist als Tschechoslowake geboren worden, war aber Deutschböhme, also ein Sudetendeutscher aus Reichenberg, auf Tschechisch Liberec. Und er ist auch, wie ich von Bekannten gehört habe, noch bis vor einigen Jahren häufig in die Reichenberger Gegend gefahren und hat dort viele Freunde. Gerade Reichenberg spielt in diesem Buch auch eine recht große Rolle. Der Titel lautet: ´Ich bin ein Geschichtenerzähler´ und es ist ein Buch von Preußler über Preußler – also kein Kinderbuch.“

Otfried Preußler  (Foto: www.preussler.de)
Eine Autobiographie also?

„Nein, eben nicht. Es sind Texte von Otfried Preußler aus ganz verschiedenen Jahren und Jahrzehnten, von 1972 bis 2009, es sind Auszüge aus biographischen Texten, aus Essay und Vorträgen. Aber alle spiegeln das Leben, die Arbeit, die persönlichen Überzeugungen und Weltanschauungen Preußlers wider. Zusammengestellt haben das Ganze die Töchter des Schriftstellers. Gedacht ist es als eine Hommage an ihren Vater.“

Und ist die Hommage geglückt?

Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz
„Aus der Sicht von Otfried Preußler sicherlich, aus der Sicht des Lesers mit leichten Einschränkungen. Aber vielleicht erst einmal allgemein über das Buch: Der Titel sagt es schon: Das Geschichtenerzählen ist der rote Faden im Leben von Otfried Preußler. Das beginnt eben schon in seiner Kindheit in Reichenberg. Aus dieser Zeit schöpft er seine Geschichten, seine Figuren und in dieser Zeit wurden die Grundlagen für sein erzählerisches Handwerk gelegt. Reichenberg – das ist für Preußler, der aus einer Lehrerfamilie stammt, eine ´herrlich unbeschwerte Zeit´ in einem zu Hause, wo Künstler und Literaten ein- und ausgehen. Er schreibt sehr liebevoll von seiner Großmutter Dora. Sie war ein unerschöpflicher Brunnen von Geschichten aus dieser Gegend. Von ihr hörte er zum ersten Mal vom Wassermann, der in der Iser lebt. Sein Vater nahm ihn mit auf stundenlange Wanderungen von Baude zu Baude, Da schrieb er dann Geschichten auf, die ihm die Menschen erzählten. Der Leser erfährt viel über die Ursprünge und Entstehungsgeschichten der Preußler-Bestseller. Der Name seines legendären Räubers Hotzenplotz zum Beispiel ist der deutsche Name eines kleinen Ortes in Mährisch-Schlesien. Heute heißt er Osoblaha. Oder: Preußler zeigt mit dem Buch „Krabat“ auch, wie demagogisch verführbar seine eigene Generation war. Und er gibt Einblick in seine Arbeitsweise: Der Erzähler spricht auf langen Wanderungen erst einmal in sein Diktiergerät.“

Otfried Preußler ist ein Sudetendeutscher, hast Du gesagt. Kommt das Thema Vertreibung im Buch vor?

Otfried Preußler: Krabat
„Ja, immer wieder. Preußler gerät als Wehrmachtssoldat 1944 in Gefangenschaft und verbringt die nächsten fünf Jahre in sowjetischen Strafarbeitslagern. Er überlebt mit viel Glück und mit viel Geschichtenerzählen und kehrt erst 1949 zurück. Aber eben nicht in seine böhmische Heimat. Denn seine ganze Familie, seine Verlobte, alle sind bereits vertrieben. Erst im bayerischen Chiemgau findet die Familie wieder zusammen, und da lebt Preußler heute noch mit seinen fast 87 Jahren. Was alles verloren ging durch die Vertreibung an Kultur, an aufgeschriebenen Geschichten, daran erinnert sich Preußler mit Wehmut und ein bisschen Wut. Aber er ist mit den Tschechen im Reinen und formuliert Fragen wie: ´Was haben wir vormals eigentlich voneinander gewusst? Wir böhmischen Deutschen von ihnen, den tschechischen Böhmen – und sie von uns? Müßige Fragen, verpasste Gelegenheiten, vorbei, vorbei´.“

Film „Die kleine Hexe“
Dein Tipp, Christian: kaufen?

„Also ich habe das Buch gerne gelesen. Längen hat es deshalb manchmal, weil es durch die Zusammenstellung eigenständiger Texte häufiger zu Wiederholungen von Erlebnissen und Gedanken kommt. Beim Thema Vertreibung, aber auch was Preußlers Blick auf sein junges Publikum betrifft. Von Kindern schwärmt er immer wieder in höchsten Tönen. Es ist ein liebevoller Blick, der aber auch geprägt ist von einer sehr konservativen, sozusagen ´rechtschaffenen´ Grundeinstellung. Alles in allem kann ich das Buch empfehlen.“

Service:

Otfried Preußler: „Ich bin ein Geschichtenerzähler“. Thienemann Verlag, Stuttgart 2010. 272 S., geb., Abb., 19,90 €.