Pferdeeisenbahn Budweis - Linz
Liebe Hörerinnen und Hörer, seien Sie herzlich willkommen zu unserer Touristik-Sendung. In der kommenden Woche, genau am 28. Juli, werden wir eines Verkehrsjubiläums gedenken. Es ist in unserer Zeit, in der Flugzeuge und TGVs eine alltägliche Erscheinung sind, kaum vorstellbar, dass man erst vor 175 Jahren auf dem europäischen Kontinent begann, die erste Eisenbahn zu bauen. Und diese wurde nicht von Strom oder Dampf betrieben, sondern von Pferden gezogen. Sieben Jahre später, 1832, verband die Pferde-Eisenbahn die Städte Ceske Budejovice (Budweis) in Südböhmen und Linz in Oberösterreich. Mehr dazu erfahren Sie in unserer Touristensprechstunde von Philipp Kauthe und Markéta Maurová.
Seit Jahrzehnten träumte man von einer Verbindung der Moldau und der Donau, zunächst vor allem durch einen Wasserweg. Eine Verwirklichung fanden diese Träume im Plan des österreichischen Projektanten Franz Josef Gerstner. Im März 1808 legte er auf der Generalversammlung der Böhmischen Hydro-technischen Privaten Gesellschaft seinen revolutionären Entwurf der Errichtung einer Eisenbahn zwischen dem oberösterreichischen Linz und Hohenfurt in Böhmen vor. Es handelte sich um ein ganz neues Verkehrsmittel, das damals nur in England benutzt wurde und bei dem Pferde als Zugtiere eingesetzt wurden. Als Franz Josef Gerstner von der Hofkanzlei aufgefordert wurde, das Projekt durchzuführen, empfahl er seinen Sohn Franz Anton für diesen Plan. Gerstner Junior unternahm zuerst eine Studienreise nach England. Nach der Rückkehr stellte er einen Antrag auf die Erteilung der Konzession für den Bau der Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau und später gründete er die "K. und k. privilegierte erste Eisenbahngesellschaft."
Ein entscheidendes Datum in der Geschichte der Pferdeeisenbahn stellte der 28. Juli 1825 dar. An diesem Tage wurden bei Netrebice die Bauarbeiten an der Bahn begonnen, die dann fast ohne Änderungen 45 Jahre diente. Die Bauarbeiten waren nicht einfach: Man baute zunächst eine Strasse und auf diese wurden zunächst Holzbalken und darauf Schienen Holzbalken gelegt.
Die ganze Pferdeeisenbahn zwischen Ceske Budejovice/Budweis und Linz in einer Länge von 128,7 Km mit allen zusätzlichen Bauten wurde am 1. August 1832 vollendet. Dazu gehörten fünf Stationen, in denen die Pferde gewechselt wurden - in Holkov, Bujanov, Kerschbaum, Lest und Oberndorf. Im Abstand von 2-3 km wurden entlang der Strecke Wächterhäuser errichtet. Und man brauchte natürlich auch Wohngebäude und Ställe, Eisenhammer- und Wagnerwerkstätten sowie notwendige Haferlager. Etwa 600 Pferde waren auf der Bahn im Einsatz. Die tägliche Leistung eines Pferdes betrug bei Güterzügen ca. 42 km und bei Personenzügen 30 km. Die Bahngesellschaft besaß ca. 1000 offene oder gedeckte Güterwagen, sowie Personenwagen, die verschiedene Bauarten aufwiesen. Es gab offene und gedeckte Wagen, die bis zu 24 Sitzplätze hatten. Die Wagen waren in drei Klassen unterteilt und trugen Namen. Eine Besonderheit stellten Equipagewagen dar, auf die man die eigene Kutsche verladen und darin mitreisen konnte.
Eine Eisenbahn, die auf einmal die Landschaft durchquerte, das war schon eine ernste Sache! Hören Sie nun eine Warnung der Lokal-Direction, der k. und k. privilegierten ersten Eisenbahn-Gesellschaft.
"Obschon die Eisenbahn nicht die Bestimmung hat, zu einem Spaziergang zu dienen, indem sie allein zu dem Zweck erbaut ist, Personen und Waren mit ihren Wägen darauf zu führen, so will man doch Niemanden des Vergnügens berauben, auf der Bahn spazieren gehen zu dürfen; man findet aber für notwendig, da weder Wagen noch Pferde die Bahn verlassen können, Jedermann zu ersuchen, denselben zur rechter Zeit auszuweichen, bei Begegnung der Stell- und Transportwägen sich von der Bahn zu entfernen, und den Transport ruhig vorbeziehen zu lassen. Insbesondere werden Eltern darauf aufmerksam gemacht, ihren Kindern das Nachlaufen und Besteigen der vorbeifahrenden Eisenbahnwägen streng zu untersagen, weil die Eisenbahn-Unternehmung sich gegen jeder Verantwortlichkeit verwahrt, wenn durch Nichtbeachtung dieser Vorschrift und demnach durch eigene Schuld irgend Jemand sich ein Unglück zuziehen sollte."
Eine ganz einzigartige Attraktion bietet die Pferdeeisenbahn auf der österreichischen Seite. Hier wurde 1992 der Verein der "Freunde der Pferdeeisenbahn" gegründet. In Zusammenarbeit mit allen an dieser Bahn Interessierten in Österreich und Tschechien verlief von 1993 bis 1995 die Sanierung des historischen Stationsgebäudes in Kerschbaum. Im Juni 1995 erfolgte der erste Spatenstich zur originalgetreuen Errichtung eines ca. 500 m langen Trassenstückes und der Sanierung der ehemaligen Stallungen. Nach einem Jahr, im Juni 1996, konnte auf dem ersten Streckenteil der Museumsfahrbetrieb mit zwei nachgebauten Wagen aufgenommen werden. Am selben Tag wurde im ältesten Pferdestall des Stationsgebäudes die erste Ausbaustufe des Pferdeeisenbahnmuseums eröffnet.
Auf der tschechischen Seite plant man keine Wiederaufnahme des Bahnbetriebs. Doch gibt es einen Plan zur Revitalisierung der Pferdeeisenbahn, der die Präsentierung einiger wichtiger Stationen auf der Bahnstrecke vorsieht. In der Stadt Budweis handelt es sich um das Gasthaus "Zum grünen Zweig", dem ehemaligen Endpunkt der Strecke im Norden, wo die Güter auf Schiffe umgeladen und weiter ins Innland transportiert wurden. Des Weiteren das Salzlager - weil Salz die wichtigste Beförderungsware war, und das Wächterhaus. Dieses gilt heute als nationales Kulturdenkmal und beherbergt das Museum der Pferdeeisenbahn, das im Rahmen des Südböhmischen Museums in Budweis wirkt. Der Museumsdirektor Pavel Safr sagte uns dazu:
"In diesem Jahr haben wir die Ausstellung um einen Salzwagen bereichert, d.h. einen Lastwagen, der Salz aus Gmunden nach Budweis beförderte. Diesen Wagen hat uns der Verein der Freunde der Pferdeeisenbahn in Kerschbaum geliehen. Es handelt sich um eine getreue Kopie, die vor dem Wachthaus steht. Und weiter präsentieren wir dort die neuesten archäologischen Forschungen im Zusammenhang mit der Bahn."
Auf der Bahnstrecke wurden weitere wichtige Punkte ausgewählt, die für den Betrieb wichtig waren und einen historischen Wert haben. Es handelt sich vor allem um zwei Umspannstationen, Holkov und Bujanov, wo Pferde gewechselt wurden.
"In Holkov wollen wir eine Ausstellung schaffen und das ganze Objekt im Fuhrmann-Stil gestalten. Wir wollen eigentlich die Lage präsentieren, die es vor der Entstehung der Pferdeeisenbahn gab. Vor dieser Bahn als ein Verkehrsphänomen fuhren Fuhrwagen, die Ware transportierten. In Bujanov funktioniert schon die Station, man findet dort ein kleines Museum. Es handelte sich auch um eine Umspannstation, die als Kolatschen-Station bezeichnet wurde. Dort nämlich, als man die Pferde wechselte, wurden den Reisenden Kolatschen als Erfrischung serviert. Und die weitere Umspannstation befindet sich schon auf dem österreichischen Gebiet, es handelt sich um das bereits erwähnte Kerschbaum."