Phänomen Vladimír Zelezný
Der Sieg des Medienmoguls Silvio Berlusconi bei den italienischen Parlamentswahlen vor einigen Wochen, warf wieder einmal die Frage nach dem Verhältnis zwischen Medien und Politik auf. Normalerweise kommt dem Fernsehen, den Zeitungen und dem Hörfunk eine wichtige Kontrollfunktion zu. Wie kann aber diese Kontrolle stattfinden, wenn der künftige Regierungschef gleichzeitig bis vor kurzem die wichtigsten und einflussreichsten Medien des Landes kontrolliert hatte?, fragten sich nach dem Sieg Berlusconis viele Beobachter. Auch in der Tschechischen Republik gibt es einen Medienunternehmer, dem bereits jetzt nicht nur ein beträchtlicher Einfluss auf das öffentliche Leben des Landes nachgesagt wird, sondern der angeblich auch ganz konkrete politische Ambitionen haben soll. Er heisst Vladimír Zelezný und ist der Mehrheitseigentümer des privaten tschechischen Fernsehkanals TV-NOVA. Dem Phänomen Vladimír Zelezný ist auch unser heutiger Schauplatz gewidmet, zu dem Sie Silja Schultheis und Robert Schuster recht herzlich begrüssen.
Vor 1994 kannten den früheren Drehbuchautor und einstigen Sprecher des oppositionellen Bürgerforums Vladimír Zelezný nur Eingeweihte. Dann war jedoch sein Name von einem Tag auf den anderen in aller Munde. Am 4. Februar ging nämlich der erste private tschechische Fernsehkanal NOVA auf Sendung und Zelezný war als Generaldirektor dessen treibende Kraft. Innerhalb eines Jahres schaffte es der Sender nicht nur zum wichtigsten Medium des Landes aufzusteigen, sondern sein Erfolg strahlte auch ins benachbarte Ausland aus und fand dort zahlreiche Nahahmer. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang vor allem der slowakische Privatsender Markíza. Und eben der Chef dieses slowakischen Kanals Pavol Rusko ist vor einigen Wochen in die Politik gegangen und gründete mittlerweile sogar eine eigene politische Gruppierung.
Kann man nun erwarten, dass sich Vladimír Zelezný auf einen ähnlichen Schritt vorbereitet und bald auch in den politischen Ring in Tschechien steigen wird? Das fragten wir den Soziologen und Medienfachmann Petr Kamperský von der Prager Karlsuniversität:
"Man sollte das zwar nicht gänzlich ausschliessen, aber ich glaube nicht, dass er das vor hat. Die Lage, in der sich gerade Vladimír Zelezný befindet, ist für ihn ideal. Ein Gang in die Politik würde nämlich dazu führen, dass er sich ganz einfach an die demokratischen Spielregeln halten müssten, die es - bei aller Kritik, dass sie nicht immer funktionieren - auch in der tschechischen Politik gibt. Ich meine, dass gerade für Leute, wie Zelezný, die Welt der Medien mit ihrem schwer durchschaubaren Geflecht von persönlichen und nicht persönlichen Beziehungen eine ideale Spielwiese ist, wo sie im Hintergrund die Fäden ziehen können, ohne sich dafür zum Beispiel vor dem Parlament rechtfertigen zu müssen. Das ist der Grund dafür, warum Zelezný meiner Meinung nach auch in Zukunft nicht in die Politik gehen wird."
Tatsächlich scheint in letzter Zeit Vieles darauf hinzudeuten, dass der Chef des Privatsenders NOVA zur Zeit eher daran denkt, seine bestehende Medienmacht noch auszubauen. Vor einigen Monaten erschien die erste Nummer einer neuen tschechischen Tageszeitung, des Boullevard-Blattes "Super". Vorausgegangen war eine aufwendige und agressive Werbekampagne, so dass sich Viele die Frage stellten, wer denn der Geldgeber hinter den Kulissen sein möge. Die Antwort darauf gaben Journalisten einer tschechischen Tageszeitung, die herausgefunden hatten, dass es zwischen den Herausgebegesellschaft von "Super" und einigen Tochtergesellschaften von TV NOVA sehr enge Verbindungen gibt. Das erklärt auch den Umstand, warum der Werbung für die neue Zeitung bei TV NOVA ein so breiter Raum eingeräumt wurde. Die traumhafte Reichweite zwischen 66 % und 70 %, die fast schon zum Markenzeichen von Zeleznýs Fernsehens wurde, sollte wahrscheinlich dabei helfen, die neue Tageszeitung unters Volk zu bringen.
Dennoch hatte der Chef von TV NOVA bereits mehrmals in der Vergangenheit unmissverständlich klar gemacht, dass er dank seines Fernsehkanals über einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf breite Schichten der Gesellschaft verfüge, und stellte somit den Politikern buchstäblich die Rute ins Fenster. Ein Thema, das Zelezný dabei ganz besonders am Herzen liegt, sind die Ergebnisse der Beitrittsverhandlungen Tschechiens mit der Europäischen Union. Fall sich nämlich die Regierung dabei verpflichten würde gesetzlich den Anteil der amerikanischen Filmproduktion im heimischen TV zu senken, kündigte der Medienmogul bereits vor einigen Jahren erbitterten Widerstand an verbunden mit einer negativen Werbekampagne seines Senders vor der geplanten Volksabstimmung über eine EU-Mitgliedschaft Tschechiens. Das Programmangebot des grössten heimischen Privatkanals besteht nämlich fast ausschliesslich aus Filmen und Sendungen us-amerikanischer Provenienz und eine vom Gesetz vorgeschriebene Umstellung würde Zelezný beträchtliche Mehrkosten verursachen.
Vielen Tschechen scheinen jedoch solche starke Aussagen Zeleznýs, die er meistens jeden Samstag mittag in einer eigenen Fernsehsendung, in welcher er auf verschiedene Fragen der Zuschauer antwortet, zu imponieren. Hat also der Chef von TV NOVA das Zeug zu einen politischen Führer aufzusteigen, lautet deshalb unsere nächste Frage an den Medienfachmann Petr Kamperský:
"Potenziell sicher, weil die Tschechen offenkundig starke Führer lieben, insbesondere dann, wenn sie noch dazu gebildet sind. Und gerade Vladimír Zelezný legt ja immer ganz grossen Wert darauf, als Intelektueller bezeichnet und wahrgenommen zu werden. Diese Vorliebe der Tschechen für sogenannte intelektuelle Führer konnte in zahlreichen Studien belegt werden. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht vergessen, dass selbst die treuesten Anhänger des NOVA-Generaldirektors sich nicht ausschliesslich auf die Informationen verlassen, die in dessen Fernsehen gesendet werden, sondern lesen daneben noch regelmässig die eine oder Tageszeitung. Und mit der Ausnahme des von Zelezný unterstützten Blattes "Super" nehmen alle anderen Zeitungen NOVA und dessen Chef gegenüber eine sehr kritische Haltung ein. Ich denke, dass dieser mentale Ausgleich, der ebenfalls soziologisch nachgewiesen wurde, Zelezný daran hindert die Verwirklichung seiner Ziele ungehemmt zu verfolgen."
Der kontinuierliche Erfolg des grössten privaten Fernsehkanals Tschechiens war in den vergangenen Jahren schon oft das Thema von verschiedenen wissenschaftlichen Aufsätzen., die um eine womöglich komplexe Betrachtung bemüht waren. Medienexperte Petr Kamperský sieht vor allem zwei Ursachen für den anhaltenden Erfolg Zeleznýs:
"Ich glaube, dass die Erklärung dafür paradoxerweise ganz einfach ist, weil Vladimír Zelezný nicht versucht hatte etwas völlig Neues und Originälles zu schaffen, sondern er hatte konsequent ein amerikanisches Muster kopiert. Er konnte auf die Unterstützung eines vom Kapital her sehr reich ausgestatteten Partners aufbauen. Diese Kombination, das heisst, amerikanisches Know-how und amerikanisches Geld war der Grundstein für den phanomenalen Erfolg von Zeleznýs Privatsender TV NOVA."
Die Entwicklung in vielen Ländern, in deren Medienlandschaft es einen ähnlich grossen Spieler gibt, wie Vladimír Zelezný in Tschechien einer ist, zeigt aber auch, dass Politiker, die um den Erhalt ihrer öffentlichen Ämter bemüht sind, oft in eine Art vorauseilenden Gehorsams sich die Gunst dieser Medienzaren zu sichern versuchen. Dieses Verhältnis funktioniert aber auch in der entgegengesetzten Richtung, wenn nämlich die einflussreichen Medien auf bestimmte Politiker starken öffentlichen Druck ausüben und sie permanent unter Beschuss nehmen mit dem Ziel entweder ihren Rücktritt zu erreichen, oder sie zu verunglipfen.
Daraus ergibt sich eine weitere Frage an den Soziologen Petr Kamperský: Lässt sich in Tschechien gegen den Willen von TV NOVA und dessen Chef Politik gestalten? Haben Politiker, auf die sich der grösste Privatsender Tschechiens einschiesst in der Politik überhaupt eine Chance?
"Ja, es ist durchaus möglich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wahl von Cyril Svoboda zum neuen Vorsitzenden der tschechischen Christdemokraten vor ein paar Wochen. Niemand hatte mit seiner Wahl gerechnet und zwar auch deshalb nicht, weil TV NOVA gegen ihn persönlich zu Felde zog. Vielleicht war das aber auch einer der Gründe, warum der Aussenseiter Svoboda letztendlich das Rennen um den Parteivorsitz gewonnen hatte. Aber ich denke, wir sollten das gerade bei dieser Frage nicht nur auf Zelezný und seinen Kanal reduzieren. Gerade was die Boullevardmedien angeht, ist das Angebot in Tschechien relativ bunt. Als Politiker gegen absolut alle Medien des Landes ins Feld ziehen zu wollen, würde sicher ein sofortiges Ende der Karriere bedeuten, aber nur bei bestimmten Medien nicht beliebt zu sein, das lässt sich nicht nur politisch überleben, sondern kann sich in gewisser Weise auch positiv auswirken. Ein gutes Beispiel dafür ist die oppositionelle Viererkoalition, die lange Zeit das Kunststück fertigbrachte auch gegen den Willen von TV NOVA die Meinungsumfragen anzuführen."
Der Soziologe Kamperský ist überzeugt, dass NOVA-Chef Vladimír Zelezný paradoxerweise auch während der Krise um das tschechische öffentlich-rechtliche Fernsehen (ÈT) vom Anfang diesen Jahres, einsehen musste, dass sein Einfluss in bestimmten Bereichen weiterhin beschränkt bleibt. Er konnte sich zwar über zusätzliche Werbeeinnahmen in der Höhe von mehreren Millionen freuen, weil viele Werbekunden wegen der mehrstündigen Unterbrechung des Fernsehsignals kurzfristig zur privaten Konkurrenz übergelaufen sind. Auf der anderen Seite gingen aber viele Bürger, die sich an jenen Tagen nicht nur auf dem Prager Wenzelsplatz, sondern auch in anderen Städten des Landes aus Protest versammelten auch gegen die einseitige Berichterstattung von TV NOVA demonstrieren und das war damals für Vladimír Zelezný keine besonders gute Nachricht, meint abchliessend Petr Kamperský.