Polen wünscht Neubewertung zum Bau des Terminals Bohumin

Am vergangenen Freitag trafen der tschechische Premier Milos Zeman und sein erst jüngst gewählter polnischer Amtskollege Leszek Miller in Warschau zu Gesprächen zusammen. In ihrem Schlepptau verhandelten auch die Verkehrsminister beider Länder, und das nicht ohne Grund. Es wurde vornehmlich über das Projekt eines Eisenbahnterminals gesprochen, das die Verbindungsstelle zwischen den mittel- und westeuropäischen Gleiskörpern mit den Breitspurgleisen der Transsibirischen Eisenbahn herstellen und nach vorherigen Vereinbarungen im nordmährischen Bohumin entstehen soll. Doch die Gespräche in Warschau zeigten, dass die polnische Seite sich inzwischen auch ganz gut eine andere Variante des lukrativen Projekts vorstellen kann. Lothar Martin berichtet.

Als der tschechische Premier Milos Zeman und sein Verkehrsminister Jaromir Schling letzte Woche nach Warschau aufbrachen, waren sie noch guter Dinge. Schon bald aber mussten sie erkennen, dass mit dem bei den Parlamentswahlen vom September vollzogen Regierungswechsel in Polen auch eine offensichtliche Kehrtwende in einigen Fragen der bilateralen Beziehungen beider Länder einher zu gehen scheint. Markantestes Beispiel ist das genannte Eisenbahnterminal in Bohumin, zu dem im Oktober bereits der Grundstein gelegt und die ersten vorbereitenden Arbeiten aufgenommen wurden. Falls dieses Bauvorhaben weiter vorangetrieben und beendet werden sollte, müsste parallel dazu noch eine 140 km lange breitspurige Eisenbahnstrecke zwischen Bohumin und dem polnischen Slavkov bei Katowice/Kattowitz entstehen, um die nahtlose Verbindung zur bereits bis dorthin existierenden Transsibirischen Eisenbahn zu gewährleisten. "Die Frage der Breitspurstrecke haben wir erst heute eröffnet," verkündete Polens Ministerpräsident Leszek Miller auf der im Anschluss an seine Gespräche mit Zeman stattgefundenen Pressekonferenz. Und dessen Verkehrsminister Marek Pol ergänzte, dass man eine Neubewertung des Projektes wünsche. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: das Terminal zwischen den beiden Bahnspurbreiten ist ein riesiges Geschäft. Allein aus Japan und Südkorea strömen jährlich 250 Millionen Tonnen Waren nach Europa; ein nicht geringer Teil davon in sechs Millionen Containern, die sich vorzüglich über die Schiene transportieren lassen. Während der Transport per Schiff von Fernost nach Europa rund einen Monat dauert, benötigen Eisenbahnzüge dafür maximal zwei Wochen. Noch vor den Wahlen hatten Polens ehemaliger Verkehrsminister Jerzy Widzyk und auch die Polnischen Staatsbahnen ihr Einverständnis zum Bau des Terminals und der 140 km langen Breitspurstrecke von Bohumin nach Slavkov gegeben, schrieb im Oktober die einflussreiche polnische Wochenzeitung Politika. Nun aber könne man sich durchaus vorstellen, so Minister Pol, dass Slavkov die Rolle des internationalen Umschlagsplatzes übernehme, zumal dadurch auch der weitere Ausbau der Breitspurstrecke bis an die tschechische Grenze entfalle. Sein tschechischer Amtskollege Schling hält dem entgegen, dass erst mit dem Ausbau des Gleisnetzes von Nordmähren ins Oberschlesische Becken die Modernisierung des bereits vorhandenen Terminals in Slavkov sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch auf der polnischen Seite einher gehen. Um das Für und Wider dieser Varianten zu erörtern und um den Planungs- und Bauprozess nicht unnötig zu gefährden, haben sich beide Seiten nun für die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe entschieden. Was wären aber die Folgen für die Tschechischen Eisenbahnen, wenn das Terminal nicht wie ursprünglich geplant in Bohumin entstehen würde, dazu hat Radio Prag die Mitarbeiterin der Presseabteilung der Eisenbahngesellschaft Ceské drahy, Martina Benesova, befragt: "Für die Tschechischen Eisenbahnen würde das selbstverständlich eine gewisse Einbuße an erbrachten Transportleistungen bedeuten. Aber zu diesem Zeitpunkt einzuschätzen, wie hoch die Einbußen wären, ist sehr schwierig, da wir uns erst in der Phase der Ausarbeitung einer Studie befinden. Diese Transporte sind bisher noch nicht durchgeführt worden, deshalb könnte man derzeit nur von sehr groben Schätzungen ausgehen, die vom realen Transportaufkommen sehr weit auseinander liegen könnten." Wann die Arbeitsgruppe zu ihren ersten möglichen Ergebnissen kommen werde, konnte Martina Benesova ebenso wenig abschätzen. Das Tauziehen um die "Goldene Gans" hat daher soeben erst begonnen.