Positive Wachstumsaussichten für Tschechien

Herzlich willkommen bei einer neuen Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Rudi Hermann. Das tschechische statistische Amt hat die wirtschaftsinteressierte Öffentlichkeit unlängst positiv überrascht, und zwar mit den Wachstumszahlen für das Jahr 2000. Während alle schon wussten, dass die Rezession, die Tschechien von 1997 bis 1999 plagte, inzwischen überwunden ist, erstaunte die Kraft, mit der neues Wirtschaftswachstum eingesetzt hat. 3.1% habe der Zuwachs des Brutto-Inlandproduktes gegenüber dem Vorjahr betragen, hiess es, und das ist mehr, als selbst in den kühnsten Prognosen vorausgesagt worden war. Ein kleines Aber ist selbstverständlich dennoch dabei. Denn das wachsende Ungleichgewicht der öffentlichen Finanzen und die zunehmende Verschuldung des Landes sind Störfaktoren, die mittelfristig das Bild wieder trüben könnten.

3.1 % Wirtschaftswachstum ist eine Zahl, mit der eigentlich niemand gerechnet hatte. Die optimistischeren Prognosen sprachen von einem Wert zwischen 2.5 und 3%, die weniger optimistischen lagen eher bei 2%. Die tschechische Wirtschaft hat damit schneller aus der Rezession gefunden, als dies angenommen wurde. Die Gründe dafür sehen die Analytiker namentlich im rekordhohen Zufluss aus- und inländischer Investitionen in den Unternehmenssektor, namentlich Investitionen, die in Maschinen und technologische Einrichtungen flossen. Dies ist ein Versprechen für die Zukunft, denn diese Maschinen und Einrichtungen werden mithelfen, zukünftig rationeller und damit effizienter produzieren zu können und damit die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft zu steigern. Im 4. Quartal zogen laut Kamil Janacek, Ökonom bei der Komercni banka, gegenüber den vorhergehenden drei Quartalen, auch die Investitionen im Bauwesen wieder an. Ein zweiter Wachstumsmotor, der indes ebenfalls mit den massiven Investitionen zusammenhängt, liegt beim Export von Dienstleistungen. Dahinter verbirgt sich oft Beratungs- und Dienstleistungstätigkeit für ausländische Abnehmer, die in der Tschechischen Republik Investitionen getätigt haben oder diesen Schritt beabsichtigen.

Unter den Erwartungen ist hingegen die Zunahme des privaten Konsums geblieben. Hier sind die Autokäufe ein wesentlicher Faktor, und diese verlangsamten sich laut gewissen Beobachtern wegen den hohen Treibstoffpreisen im Jahr 2000. Auf der anderen Seite verzeichnete die Sparte der Telekommunikationen eine Zunahme an privater Nachfrage, was auf den enormen Boom der Mobiltelefonie zurückgeht. Mittelfristig gehen die Experten davon aus, dass der Privatkonsum den staatlichen Konsum als Wachstumsmotor ablöst. Die Bedingungen dafür sind geschaffen worden – die Reallöhne steigen, während die Preise für Konsumgüter relativ stabil bleiben, somit erhöht sich die Kaufkraft der Bevölkerung. Im Kaufkraftvergleich hat liegt die Tschechische Republik beim Brutto-Inlandprodukt pro Kopf der Bevölkerung mit einem Wert von 13 870 Dollar jährlich bei 62 % des Durchschnitts der Europäischen Union, was deutlich höher ist als Ungarn mit 50 und Polen mit sogar nur 39 %, um von den wichtigsten Mitbewerbern um eine Aufnahme in die Union zu %, sprechen.

Die Regierung nimmt den Erfolg, die Trendwende bei der Wirtschaftsentwicklung geschafft zu haben, natürlich für sich in Anspruch. In der Tat hatte sie sich von Beginn an für Wachstumsimpulse seitens des Staats auch zum Preis defizitärer öffentlicher Finanzen ausgesprochen. Unter Experten ist allerdings umstritten, wann der Staat aufhören soll, im Rahmen seiner Möglichkeiten der Wirtschaft nachzuhelfen. Einige sind der Ansicht, dieser Zeitpunkt sei schon vor einiger Zeit gekommen. In jedem Fall aber wird der Staat, wie Finanzminister Pavel Mertlik in einem Interview für die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny meinte, jetzt seine Aktivitäten zur Wirtschaftsförderung dämpfen. 2001 sei das letzte Jahr, in dem der Staatshaushalt deutliche wachstumsfördernde Massnahmen enthalte. Deren Dämpfung im Haushaltsvorschlag für 2002 werde allerdings keine entscheidenden Auswirkungen auf die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung haben, denn das jetztige Wachstum stütze sich in überwiegendem Masse auf natürliche ökonomische Faktoren. Den Schlüssel für ein nachhaltiges Wachstum sieht Mertlik jetzt in der Verbesserung des institutionellen Umfelds der Wirtschaft. Die Arbeit der Gerichte müsse verbessert werden, ebenso die Qualität der Gesetzgebung. Denn vor allem in einer Beschleunigung der Konkursverfahren und der verbesserten Durchsetzbarkeit des Rechts liege der Weg zu zukünftiger Prosperität.

Die Direktorin des tschechischen Statistischen Amtes, die die jüngsten Wirtschaftsergebnisse vorstellte, sieht hinter dem unerwartet guten Ergebnis allerdings auch eine Reihe von Einflüssen, die nicht direkt mit der Wirtschaftspolitik des Staates zusammenhängen. So verwies sie auf das konjunkturelle Umfeld, das im Moment sehr günstig sei, was sich allerdings nicht wiederholen müsse. Die Dynamik des Welthandels habe sich sehr vorteilhaft auf die tschechischen Exporte ausgewirkt. Prognostiker sagen sowohl der amerikanischen wie der europäischen Wirtschaft heuer allerdings eine Wachstumsverlangsamung voraus, was sich zweifellos auf den tschechischen Export als wesentlichen Faktor für das Wirtschaftswachstum auswirken dürfte.

Beim Wirtschaftswachstum von 3.1 %, das im vergangenen Jahr verzeichnet wurde, handelt es sich um das drittbeste Ergebnis der letzten zehn Jahre – nur 1995 und 1996 war die Rate noch höher ausgefallen. Am Brutto-Inlandprodukt gemessen, hat die tschechische Wirtschaft allerdings noch nicht einmal ganz zum Stand von 1990 zurückgefunden. Laut Angaben des Statistischen Amts befindet sie sich noch 1.1% unter dem Stand von 1990, noch näher an diese Marke war sie 1996 mit einer Differenz von nur 0.1% gelangt. Wie ist das möglich, wird man sich fragen, wo doch zwischen dem Lebensstandard, der Versorgungslage und überhaupt dem wirtschaftlichen Umfeld von 1990 und 2001 Welten zu liegen scheinen? Nun, hier liegt eines der Probleme der Beurteilung der Wirtschaftsleistung über den Indikator des Brutto-Inlandprodukts. Denn dieses misst die Einnahmen des Staats, der Firmen und der Bevölkerung sowie die Werte, die durch die Produktion geschaffen wurden. Es misst allerdings nicht, ob die Produktion sinnvoll war oder nicht.

Ein einfaches Beispiel, das der liberale Ökonom Jiri Schwarz in einem Zeitungsartikel beschrieb: Wenn der Gehsteig vor Ihrem Haus zwei Mal pro Jahr statt nur einmal aufgegraben wird, ist dies eine Verdoppelung des entsprechenden Produkts. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob diese wirtschaftliche Aktivität für die Bevölkerung auch sinnvoll ist. Genau so verhält es sich mit der Wirtschaftsleistung des Staats zur Zeit des Sozialismus. Was nützte es der Bevölkerung, wenn das Brutto-Inlandprodukt vergleichsweise hoch war, wenn es so zustande kam, dass Beton und Stahl auf Halde produziert wurden und noch eine Reihe weiterer Güter, die niemand kaufen wollte? Der Vergleich mit 1990 ist deshalb vor diesem Hintergrund trügerisch. Dennoch wurde er von den Kommunisten und auch den Sozialdemokraten, als diese noch in Opposition waren, wiederholt bemüht, um die Konservativen anzuschwärzen. Predel

Autor: Rudi Hermann
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