Präsident Klaus unterliegt im Rechtsstreit mit der Obersten Richterin

Richter des Verfassungsgerichts (Foto: CTK)

Ein demokratischer Rechtsstaat muss über unabhängige Richter und Gerichte verfügen. Wenn es daran in Tschechien wiederholt noch so manche Zweifel gab, mit einem Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts vom Dienstag könnten einige davon ausgeräumt worden sein. Doch es gibt auch genügend Stimmen, die das Gegenteil behaupten. Lothar Martin klärt Sie auf, welcher Rechtsstreit hierzulande für den jüngsten Wirbel sorgte.

Iva Brozova  (Foto: CTK)
Am 2. Februar dieses Jahres ließ Staatspräsident Vaclav Klaus die Vorsitzende des Obersten Gerichts in Tschechien, Iva Brozova, von ihrem Posten abberufen. Die Möglichkeit dazu gab ihm eine strittige Passage im Gesetz über Gerichte und Richter, nach der hohe Justizbeamte nur durch den abberufen werden können, der sie auch ernannt hat. Im Falle von Iva Brozova war es im Jahr 2002 der Vorgänger von Klaus im Präsidentenamt, Vaclav Havel. Doch die scheinbar entmachtete Oberste Richterin wehrte sich und legte Verfassungsbeschwerde ein. Mit Erfolg. Denn ein Gesetz, das den unzulässigen Eingriff der exekutiven Macht in die Macht der Gerichtsbarkeit ermögliche, hätte nie gelten dürfen, begründete das Verfassungsgericht seine jetzt getroffene Entscheidung. Eine Entscheidung, die er zwar respektieren werde, sie andererseits aber für falsch und gefährlich halte, sagte Klaus in einer ersten Reaktion und ergänzte:

"In diesem Urteil eines der Senate des Verfassungsgerichtes sehe ich eine gefährliche Verschiebung unserer nach 1989 aufgebauten Verhältnisse von einer parlamentarischen Demokratie zu einer durch nichts beschränkten richterlichen Autonomie, die nirgends in der Welt in dieser Art und Weise existiert."

Richter des Verfassungsgerichts  (Foto: CTK)
Klaus spielte in seiner Kritik auf die faktische Unantastbarkeit hoher Gerichtsbeamter an, die - sind sie erst einmal ernannt - quasi bis zum 70. Lebensjahr unkündbar sind, sollten nicht andere, wie zum Beispiel gesundheitliche Gründe dagegen sprechen. Er habe die Abberufung von Iva Brozova auf Empfehlung des damaligen Justizministers Pavel Nemec veranlasst, und das damals noch geltende Gesetz habe ihm dazu auch das Recht gegeben, betonte Klaus.

Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Die strittige Gesetzesklausel war im Juli dieses Jahres vom Verfassungsgericht aufgehoben worden mit der Begründung, dass sie die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtes nicht respektiere und dass ihre Aufnahme in das Gesetz eigentlich ein Fehler der Parlamentarier war. Iva Brozova, die bei ihrer Verfassungsbeschwerde von den Vorsitzenden der Kreisgerichte unterstützt wurde, bleibt also weiterhin im Amt. Ihr Gatte, der Rechtsanwalt Jaroslav Broz, hob noch einmal die seiner Meinung große Bedeutung hervor, die der Urteilsspruch in sich birgt:

"Von Seiten meiner Frau ging es einfach um das Prinzip. Das möchte ich noch einmal betonen. Also: Wenn sich die Demokratie durchsetzen und es zu einer echten Stärkung des Rechtsstaates kommen soll, dann sollte man dieses Urteil jetzt als einen Sieg dafür bewerten."

Iva Brozova selbst hat noch keine öffentliche Stellungnahme zum dem Urteil des Verfassungsgerichtes abgegeben, da sie zurzeit an den Folgen eines Autounfalls laboriert. Der neue Justizminister Jiri Pospisil will sich dennoch bald mit ihr treffen und mit ihr über ihre Vorstellungen zur weiteren Führung des Obersten Gerichtes sprechen. Auf die gesundheitlich und psychisch angeschlagene Richterin angesprochen, fügte er jedoch hinzu, dass er es nicht für gut befände, wenn das Oberste Gericht de facto längerfristig keinen Vorsitzenden hätte. Das letzte Wort in dieser "Affäre" ist daher vermutlich noch nicht gesprochen.