Reaktionen auf das Lissabon-Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts
Am Mittwoch hat das tschechische Verfassungsgericht sein Urteil über den Lissabon-Vertrag gesprochen: „Der EU-Reformvertrag steht im Einklang mit der Verfassung“, lautet die mit Spannung erwartete Entscheidung. Gleich nach der Urteilsverkündung haben Vertreter der Regierung dazu Stellung genommen. Radio Prag hat ausführlich berichtet. Am Nachmittag gab es noch weitere Reaktionen.
Premierminister Mirek Toplánek und der Vizepremier für Europäische Angelegenheiten, Alexandr Vondra zeigten sich ebenfalls erfreut über den Richterspruch. „Der Ratifizierungsprozess geht ohne Verzögerungen weiter“, so die beiden bürgerdemokratischen Politiker unisono:
Etwas später meldete sich auch Staatspräsident Václav Klaus zu Wort. Er wollte die ausführliche Begründung des Urteils abwarten, die sich über volle drei Stunden hinzog. Bereits in seinem Schlusswort bei der Gerichtsverhandlung am Dienstag hatte Klaus die Verfassungsrichter heftig kritisiert: Seiner Meinung nach hätten sie das Verfahren im Eilverfahren durchgezogen und seinen detaillierten Ausführungen und Argumenten gegen den Lissabon-Vertrag nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht eine einzige Frage hätten ihm die Richter gestellt, empörte sich Klaus.„Warum niemand von uns dem Herrn Präsidenten eine Frage gestellt hat? Weil einfach niemand eine Frage an ihn hatte. Sein Standpunkt war ja bereits aus seinen schriftlichen Äußerungen bekannt. In seinen Ausführungen vor Gericht hat er im Wesentlichen dieselben Argumente wiederholt“, so der Sprecher der Verfassungsrichter Vojan Güttler im Tschechischen Fernsehen.
Staatspräsident Václav Klaus sparte auch nach der Urteilsverkündung nicht mit Kritik am Gericht:
„Ich bin überzeugt, dass das, was die Richter heute verlesen haben, schon vor vielen Wochen verfasst worden ist. Damit haben wir alle gerechnet. Interessant war nur die Frage, ob es eine 15:0-Entscheidung wird oder ob einige der Verfassungsrichter den Mut haben, sich dagegen zu stellen. Sie haben nichts gewagt. Ich fürchte, sie haben sich nicht getraut. Das Gericht wird de facto von ein, zwei Leuten dominiert.“Verfassungsrichter Güttler wies diese Vorwürfe entschieden zurück. Man habe zwar verschiedene Varianten des Urteils in groben Zügen vorbereitet. Die endgültige Ausfertigung sei aber erst nach der öffentlichen Verhandlung erfolgt.
Das Verfassungsgericht aber nicht den gesamten Lissabon-Vertrag untersucht. Die Richter beschränkten sich auf jene Teile, gegen die es konkrete Einwände gab. Gegen die übrigen Punkte des Vertrags könnte das Parlament also jederzeit erneut Einspruch beim Verfassungsgericht erheben. Radio Prag hat darüber berichtet. Der Vorsitzende des Senats, der Bürgerdemokrat Přemysl Sobotka, hält einen neuerlichen Einspruch von Seiten des Oberhauses des Parlaments aber für unwahrscheinlich:
„Ich gehe nicht davon aus, dass der Senat weitere Schritte in diese Richtung setzt.“Präsident Václav Klaus hofft dennoch, dass das Parlament erneut die Prüfung des Lissabon-Vertrags durch das Verfassungsgericht fordern wird:
„Ich erwarte, dass eine Gruppe von Abgeordneten oder Senatoren erneut ihre Einwände vorbringen werden. Und vor allem, dass sie neue Argumente anführen.“ Argumente gegen den Lissabon-Vertrag, mein Klaus wohl.
Ob er selbst vor der Unterzeichnung des Lissabon-Vetrags das Verfassungsgericht mit einer neuerlichen Prüfung beauftragen wolle, wurde Václav Klaus bei einem Pressebriefing nach der Urteilsverkündung gefragt. Anstatt einer Antwort ernteten die zahlreichen Journalisten nur Schweigen. Und gleich darauf verließ der der Präsident den Saal. Mit versteinerter Miene.