Präsident Vaclav Havel lehnt Wahlgesetz ab

Nach einer Kampfabstimmung über das neue Wahlgesetz am Freitag vergangener Woche im Senat des tschechischen Parlaments, drückte Präsident Vaclav Havel seine Ablehnung zu diesem Gesetz aus, indem er seine Unterschrift unter dieses Dokument, mit der er der Gesetzesvorlage ihre Rechtkraft erteilen könnte, verweigerte. Welche weiteren Entscheidungsinstanzen das neue Wahlgesetz nun noch zu bewältigen hat und welche Bedeutung dies für die tschechische Gesellschaft haben kann, dazu unser freier Mitarbeiter Armin Sandmann:

Nachdem man mit Ach und Krach und unter sehr außerordentlichen Umständen am Freitag vergangener Woche das Wahlgesetz im Senat mit nur einer Stimme mehr gebilligt hatte, legte Präsident Vaclav Havel auf Grund der ihm von der Verfassung gegebenen Gewalt sein Veto ein. Somit muss das Abgeordnetenhaus erneut über die Novelle des Wahlgesetzes abstimmen, wobei hier eine einfache Mehrheit reicht, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen. Hauptkritikpunkt aus Sicht von Vaclav Havel war die Bevorzugung großer Parteien während des Wahlverfahrens. Die Pressestimmen zu dieser Entscheidung des Präsidenten fallen unterschiedlich aus, wie auch die Meinungen der Parlamentarier auseinandergehen. Gerade die Vertreter der kleineren Parteien begrüßen Vaclav Havels Entscheidung. Die schnelle Ablehnung des Gesetzes ermöglicht, dass das Abgeordnetenhaus noch vor seiner Sommerpause erneut über die Gesetzesnovelle berät und man je nach Abstimmungsergebnis von Seiten der kleineren Parlamentsparteien eventuell sofort Verfassungsklage einreichen wird.

Speziell Vertreter der Freiheitsunion, US, wollen nach den Worten ihrer stellvertretenden Vorsitzenden, Hana Marvanova, vor das Verfassungsgericht in Brno/Brünn ziehen, denn - wie sie sagte - die tschechische Verfassung, die dem Volke seine Freiheitsrechte garantiere, garantiere somit auch den freien Wettbewerb politischer Parteien. Diesen Wettbewerb sehe man durch das neue Wahlgesetz eingeschränkt. Aus den Reihen der Sozial- und der Bürgerdemokraten sieht man den Schritt des Präsidenten als ein "typisches Wetterleuchten" an, indem Vaclav Havel wiedereinmal in seiner bekannten monotonen Weise die Stimme des Volkes vertreten muss. Eines steht fest: sollte das neue Wahlgesetz früher oder später rechtskräftig werden, wird sich leider erst bei den nächsten Parlamentswahlen im Jahre 2002 zeigen, ob der einfache Bürger um seine demokratische Macht gebracht wurde.

Autor: Armin Sandmann
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