Prag erwartet Europas beste Kämpfer im Capoeira

Foto: Archiv Abadá Capoeira

Ab Donnerstag wird allerorten in der christlichen Welt erneut das Osterfest begangen. Es steht aber längst nicht mehr nur für das Gedenken an die Auferstehung Jesu Christi und all der dazu überlieferten Bräuche. Zu Ostern wird auch viel Sport getrieben. Und in Prag werden sogar internationale Titelkämpfe ausgetragen – die 19. Europameisterschaften im Capoeira.

Foto: Archiv Abadá Capoeira
Melancholischer Gesang, der Musikbogen Berimbau, die Trommel Atabaque und die Rahmentrommel mit Schellenring namens Pandeiro. Diese Klänge gehören untrennbar zum Capoeira. Es sind Instrumente aus Brasilien, wo auch der Capoeira seinen Ursprung hat. Petr Mladěnka ist der Chef der Prager Tanzgruppe Abadá Capoeira:

„Capoeira ist ein Kampftanz mit vielseitigen Komponenten. Dazu gehören neben der Musik viel Bewegung, Rhythmik, Akrobatik, Kampfsportelemente, Improvisation und Kreativität. Deshalb ist Capoeira auch attraktiv für viele Leute, denn bei diesem Tanz findet jeder etwas, was ihm gefällt.“

Capoeira wurde während der Kolonialzeit in Brasilien von aus Afrika verschleppten Sklaven praktiziert und stetig weiterentwickelt. Heutzutage wird bereits zwischen zwei Hauptrichtungen unterschieden: Dem „alten“ Capoeira Angola und dem „modernen“ Capoeira Regional. In der neueren Version verschmolzen die afrikanischen Elemente mit Einflüssen anderer internationaler Kampfkünste wie zum Beispiel Ringen, Jiu Jitsu und Wushu. Laut Mladěnka könne man Capoeira am ehesten mit Breakdance vergleichen. Daher sei es kein Wunder, dass auch dieser Kampftanz ab etwa den 1970er Jahren nach Europa gelangt sei:

Petr Mladěnka  (Foto: Archiv von Petr Mladěnka)
„Das erste Land in Europa, in dem sich Capoeira durchsetzte, war Frankreich. Brasilianische Einwanderer wie auch Südamerika-Besucher haben ihn hier publik gemacht. In Tschechien geht der erste Kontakt mit dem Capoeira auf das Jahr 2000 zurück. Meine Freunde und ich haben uns damals von einem Video inspirieren lassen, denn YouTube gab es da noch nicht.“

Seitdem sind 17 Jahre vergangen und die tschechischen Capoeiristas brauchen sich mit ihrem Können mittlerweile nicht mehr zu verstecken. Zwar gäben die westlichen Nationen wie Frankreich, Spanien und Portugal in Europa weiter den Ton an. Doch die Länder aus Mittel- und Osteuropa haben mächtig aufgeholt, glaubt Mladěnka.

„In den zuletzt vergangenen Jahren setzten sich immer mehr Wettkämpfer aus unserer Region durch. Bei uns trainiert beispielsweise Mikuláš Keselík, der in seiner Kategorie den EM-Titel gewonnen hat. Und wir haben Kollegen aus der Slowakei, die sehr geschickt sind. Sehr stark sind zudem die Capoeiristas aus Russland und Polen. Gegenüber den westlichen Ländern gibt es bereits einen großen Unterschied: Bei den Kampfsportelementen zeigen die Osteuropäer mehr Entschlossenheit und Willen, das Maximum in diesem Kampfspiel zu zeigen.“

Foto: Archiv Abadá Capoeira
Das ist den Verantwortlichen der Organisation Abadá-Capoeira offenbar nicht entgangen. Denn der Weltverband hat der erstmaligen Vergabe einer Europameisterschaft in ein mittel-osteuropäisches Land, und zwar nach Prag, zugestimmt. Das erfülle sie mit Stolz, sagt Mladěnka auch im Namen seiner Mitstreiter und wirft schon einen Blick voraus:

„Die Wettkämpfe beginnen am Abend des Karfreitags mit den ersten K.o.-Runden. An den weiteren Tagen folgen das Achtel-, Viertel- und Halbfinale, bevor man am Ostersonntag zwischen 15 und 17 Uhr die Finalwettkämpfe erleben kann. Die Europameisterschaft wird in der Sporthalle des Prager Stadtteils Radotín ausgetragen.“

Von Petr Mladěnka kann man erfahren, dass Capoeira – ähnlich wie Judo oder Karate – ein Zweikampfsport ist. Sowohl bei den Frauen als auch Männern werden die Europameister in mehreren Kategorien ermittelt, die unterschieden werden nach Gewichtsklassen und nach der Kordel. Letztere stuft – analog zum Judo – die jeweilige Stärke des Kämpfers anhand seiner Gürtelfarbe ein. Die Bewertung über Sieg oder Niederlage erfolgt, ähnlich wie beim Eiskunstlauf, durch Juroren. Sie werden in der Regel aus Brasilien, dem Ursprungsland des Capoeira, gestellt. Sie bewerten dabei weniger die angewandten Techniken, sondern den kreativen Gesamteindruck des Kampfspiels. Und das zentrale Element – die Seele der Capoeira – ist Malicia. Sie wird dabei mit den positiv belegten Eigenschaften wie „Schläue“ oder „Kriegslist“ übersetzt. Ein guter Kämpfer ist demzufolge der, der seinen Gegner gut täuschen kann. Dennoch bleiben die Regeln in der Capoeira sehr schwammig und sind abhängig von den Mitspielern.

Foto: Archiv Abadá Capoeira
Dies bestätigte auch Deutschlehrerin Michaela Bajerová in einem Gespräch mit Radio Prag, das am Rande einer Trainingseinheit in Prag entstanden ist.

Frau Bajerova, wie sind Sie zu diesem Sport gekommen und was gefällt Ihnen besonders am Capoeira?

„Ich habe 2011 damit angefangen. Ich habe damals eine Show gesehen und fand besonders gut, dass es zwar ein Kampfsport ist, aber kein wirklicher Fight. Es gibt keine echten Attacken, alles fließt eher ineinander über - dazu die Musik, das ist einfach wunderbar. Der Sport ist auch sehr vielseitig, weil jeder Capoeirista nicht nur einen kreativen Tanz zeigen und sich gut bewegen muss, sondern er muss bei anderen Kämpfen auch Lieder singen und Instrumente spielen. Es wird sogar erwartet, dass man sich ein bisschen mit der Philosophie des Sports auseinanderzusetzt.“

Wo ist Ihnen dieser Kampftanz denn zum ersten Mal begegnet?

„Ich habe Capoeira zum ersten Mal bei einer Show in einer Disco gesehen, und zwar in Hradec Králové / Königgrätz.“

Und da wussten Sie sofort, dass dieser Sport etwas für Sie ist? Weil er so vielseitig ist…

„Damals wusste ich noch nicht, dass jeder alles machen muss. Bei der Show gab es keine Instrumente, denn die Musik kam aus den Lautsprechern. Aber die Darsteller haben schon viel Akrobatik gezeigt. Und diese dynamischen Bewegungen haben mir sehr gefallen. Zunächst wollte ich den Sport nur mal ausprobieren. Dass ich aber daran festhalte und mittlerweile schon sechs Jahre dabei bin, ahnte ich natürlich noch nicht.“

Was ist das Besondere für sie an diesem Sport?

„Nach dem Training bin ich voller Energie. Ich bekomme vom Training mehr Energie als ich verbrauche. Das ist mir bisher noch bei keiner anderen Sportart passiert. Das ist die Sache, die mir besonders gut daran gefällt.“

Kommt dies vielleicht dadurch, weil dieser Sport nicht brutal ist, sondern einen eher intuitiven Charakter hat? Also dadurch, dass man selbst kreativ wird und von der Musik begleitet wird?

„Ja, so ist es. Auch die Technik spielt eine große Rolle. Die Bewegungen müssen perfekt ausgeführt werden. Man muss sich in seinen Körper hineindenken, um die schnellen Reaktionen ausführen zu können. Ich würde sagen, dass Capoeira ein individueller Sport ist, der aber nur in der Gruppe ausgeübt wird. Man entwickelt sich als Sportler, doch unabhängig von den anderen. Es hängt davon ab, wie viel ich persönlich trainiere und wieviel Energie ich in den Sport investiere. Aber natürlich braucht man jemanden, der mit einem zusammen trainiert.“

Es gibt auch Capoeira-Meisterschaften. Wenn es Wettkämpfe gibt, muss es auch Regeln geben. Welche sind das?

„In den Wettkämpfen werden verschiedene Aspekte beurteilt: die Kreativität in den Bewegungen, wie das Zusammenspiel mit dem gegnerischen Partner funktioniert, oder ob man eine ausgefeilte Technik und ein gutes Rhythmusgefühl hat. Es gibt eigentlich keine festen Regeln, und doch sind gewisse Dinge quasi vorgeschrieben. Man kann das nur schwer beschreiben.“

Autor: Lothar Martin
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