Punk und Soul statt Vaterunser

Soulkostel (Foto: Alžběta Medková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
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Früher feierten die ehemaligen Bewohner des Ortes dort ihre Gottesdienste. Heute ist die verlassene Kirche bei Meziměstí eine der interessantesten Bühnen Tschechiens.

Monumentales Bahnhofsgebäude in Meziměstí  (Foto: Ondřej Machulda,  CC BY 3.0)
Meziměstí hieß früher einmal Halbstadt, und man kennt das Nest bei Broumov / Braunau in Nordostböhmen vor allem wegen seines monumentalen Bahnhofsgebäudes. Heute zieht aber etwas ganz anderes Besucher aus ganz Tschechien, aber auch aus Polen, Deutschland und anderen Ländern Europas in den Ort. Es ist die kleine Maria-Hilf-Kirche im abgelegenen Dorfteil Veneřovice. Der Musiker und Künstler Petr Osoba, genannt Osobič, erklärt, was es mit dem Sakralbau auf sich hat:

„Wir sind in der Region um Broumov, eigentlich mitten im Wald. Wenn man an der Kirche vorbeischaut, dann sieht man direkt die polnische Grenze. Das war einmal das Sudetenland, hier haben früher einmal Deutsche gelebt. Die Geschichte dieser Kirche ist eng mit den ehemaligen Bewohnern verbunden. Denn nachdem diese weg waren, verfiel sie zunehmend. In den 1990er Jahren hat sie dann ein gewisser Hans gekauft und wieder hergerichtet.“

Soulkostel  (Foto: Alžběta Medková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Hans ist ein freischaffender Künstler aus den Niederlanden. Er war in den 1990er Jahren auf der Suche nach einer ganz besonderen Immobilie und wurde gerade im tschechisch-polnischen Grenzgebiet fündig. Viele hielten Hans damals für wahnsinnig, entstanden ist aber ein einzigartiges Projekt: Soulkostel.

Den Altar ersetzt nun eine Bühne, anstelle einer Orgel steht ein Mischpult auf dem Kirchenschiff. Hans kehrte irgendwann in die Niederlande zurück, das Ruder im Soulkostel hat er Petr Osoba und seinen Freunden überlassen. Osoba ist Mitte dreißig und stammt aus der Region, wohnt mittlerweile aber in Prag:

„Mir und meinen Freunden macht das alles einfach Spaß. Wir leben alle irgendwo anders, und die Konzerte sind ein guter Grund, um sich zu treffen. Das ist für uns das Wichtigste, denn mittlerweile wohnen wir ja alle woanders.“

Petr Osoba  (Foto: Alžběta Medková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Dahinter steht für Osoba auch jede Menge persönlicher Motivation. Dank seiner Arbeit bleibe er mit seiner Heimatgegend verbunden, meint der Künstler. Das sei etwas, was ihn immer wieder hierherziehen würde. Abgesehen von seiner Familie natürlich.

Spaß steht im Vordergrund

Petr Osoba ist sich aber nicht sicher, ob er wirklich Events für große Menschenmassen machen will. Deshalb gibt er im Soulkostel vor allem jungen und sehr alternativen Bands das Mikrophon in die Hand:

„Mit der Zeit sind die Musikrichtungen sehr speziell geworden, die hier gespielt werden. Niemand kommt ernsthaft für experimentelle Musik mitten in den Wald. Uns macht das aber nichts aus, das ist ganz normal, und eigentlich ist das so auch von uns gewollt. Ein großer Besucheransturm war nie unser Ziel.“

Soulkostel  (Foto: YouTube)
Dass Osoba bei seinen Konzerten eher Musik für Feinschmecker anbietet, zeigt sich auch an den Besuchern. Es kommen nämlich hauptsächlich Leute von außerhalb, vor allem aus Prag und dem Ausland. Das sei so ähnlich wie mit vergleichbaren, wenn auch oft größeren Projekten in der Region, meint Petr Osoba. Er nennt als Beispiel die Musik-Veranstaltungen des ehemaligen Dissidenten Standa Piťas im sogenannten Kulturkloster Broumov. Insgesamt sei ja auch nicht das Ziel, zwingend die menschenvergessene Region Nordostböhmen zu propagieren und irgendetwas in die Richtung aufzublasen:

„Als wir auf dem Gymnasium waren und Konzerte für 300 oder 400 Leute organisiert haben, da konnten wir sagen: ‚Wir machen etwas für die Region.‘ Die Zeiten sind aber vorbei, und das ist jetzt auch nicht mehr meine Motivation.“

Foto: Alžběta Medková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Ganz so ist es aber dann doch nicht, versichert der Künstler:

„Ich will aber nicht, dass es sich so anhört, als ob wir nur Konzerte für Zugereiste machen, auch wenn sie die größte Besuchergruppe bei unseren Veranstaltungen ausmachen. Manchmal findet schon jemand aus Veneřovice den Weg zu uns, aber auch einige Leute aus Broumov, Náchod oder von noch weiter her.“

Die schillerndste Person aus dem Umland, die regelmäßig zu den Konzerten im Soulkostel geht, ist ein Landwirt mit dem Spitznamen „Tajga“. Er wohnt nur wenige Hundert Meter die Straße runter, reitet dann auf seinem Pferd vor und genießt die Musik der jungen Leute aus der Großstadt. Aber auch andere Besucher aus dem Umland kommen gern nach Vnerovice, wie zum Beispiel dieser junge Mann aus Broumov:

„Ich komme fast zu jeder Aktion. Meine Freunde organisieren das Ganze hier, und die Atmosphäre ist großartig. Aus meiner Stadt bin ich aber mehr so eine Ausnahme. Was die hohe Kultur angeht hier in der Region, also Theater, Ausstellungen und so, da gibt es derzeit viel. Bei irgendwelchen Underground-Aktionen sieht es aber eher mau aus.“

Andere wiederum leben mittlerweile in Prag, kommen aber, genauso wie Petr Osoba, irgendwie zurück zu ihren Wurzeln in die Gegend um Mezíměstí. So etwa diese junge Frau:

Hans mit seinen Kindern  (Foto: Alžběta Medková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Das erste Mal war ich hier, als ich sechs Jahre alt war. Gerade diese Kirche war alt und zerstört, und wir hatten alle Angst, weil hier überall Gerümpel war. Man wäre gerne hineingegangen, aber irgendwie ging das nicht, weil alles versiegelt war. In Prag lebt man wie in einer Blase, da ist so etwas wie das Soulkostel normal. Für Alteingesessenen hier, genauso wie für meine Eltern, schaut das ein bisschen wie eine Sekte aus. Die Menschen in den Dörfern wundern sich über die komischen Leute, die da irgendwas im Wald machen.“

Nach Möglichkeit unabhängig bleiben

„Die Kirche hat Hans alleine und aus eigener Tasche wieder hergerichtet“, erklärt Petr Osoba. Die Organisation der Konzerte kostet natürlich viel Zeit, Geld und Nerven. Ähnliche Projekte werden durchaus gefördert, Petr Osoba möchte das für das Soulkostel aber nicht unbedingt:

Foto: Alžběta Medková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Tatsächlich denken wir darüber nach, irgendwelche Förderungen zu beantragen. Es ist aber ein innerer Kampf. Wir haben einen Kollegen, der immer wieder vorschlägt, dass wir uns um finanzielle Unterstützung oder Geld von Sponsoren kümmern sollten, aber für mich ist da eine Grenze erreicht. So weit will ich es nicht kommen lassen. Das Projekt ist unser Hobby, und das soll auch so bleiben. Ich will es weiterhin so belassen, dass wir auch ohne externe finanzielle Hilfe klarkommen.“

Immerhin denken weder Petr Osoba selbst noch seine Freunde ans Aufgeben. Es sei ja eigentlich ein großes Hobby mit den Konzerten und Veranstaltungen im Soulkostel:

„Aufhören wollen wir auf keinen Fall. Manchmal passiert es, dass uns eine Sache nicht gelingt. Dann denken wir uns aber gleich etwas Neues aus. So schnell geben wir nicht auf, ein paar Jahre halten wir auf jeden Fall noch durch.“

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