Radio E - Demoskopie
Geht man von der Häufigkeit aus, mit der Ergebnisse demoskopischer Untersuchungen über die tschechische Nachrichtenagentur CTK tickern, ist man zu der Annahme verleitet, die Tschechen hätten einen regelrechten Faible für Meinungsumfragen. Im Verhältnis etwa zur deutschen Presseagentur, aber auch zur Zahl der maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute hierzulande ist der Anteil solcher Umfragen jedenfalls zweifelsohne überproportional hoch. Hören Sie dazu einen Beitrag von Silja Schultheis.
Adela Seidlova, Leiterin von CVVM erklärt sich das beträchtliche Maß an öffentlichen Umfragen durch die hohe gesellschaftliche Nachfrage, die daran nach 1989 entstanden ist, sowohl seitens der Politiker als auch der Journalisten:
"Hier waren die Bürger vorher überhaupt nicht gewohnt, aktiv zu sein, selber das politische Geschehen zu reflektieren und die Politiker zur Verantwortung zu rufen. Es gab keine Rückkoppelung zwischen Politik und Gesellschaft, wie es in demokratischen Staaten üblich ist. Diese Umfragen sind ein Mittel, die Meinung der Bürger herauszufinden, die von alleine nicht ans Licht kommen würde."
Auch Jan Hartl, Direktor der privaten Meinungsforschungsagentur STEM, hält demoskopische Erhebungen für ein Instrument der öffentlichen Kontrolle über politische Prozesse.
Lassen sich nun aber umgekehrt die Bürger dadurch etwa in ihrem Wahlverhalten beeinflussen? Jan Hartl misst öffentlichen Meinungsumfragen in dieser Hinsicht keine exklusive Rolle bei:
"Meinungsumfragen haben einen ähnlichen Einfluss auf den Wähler wie jede andere Information auch - Nachrichten, Kommentare aus der Presse. Sie sind ein gewisser Teil der Information, die der Wähler in den Kontext weiterer Informationen einreiht und sie dann bei der Wahl entweder berücksichtigt oder beiseite lässt."
Auch Adela Seidlova beurteilt den Einfluss ihres Institutes auf das Wahlverhalten der tschechischen Bürger eher zurückhaltend:
"Wir sind der Meinung, dass der direkte Einfluss solcher Umfragen nicht besonders groß ist. Es gibt eine ganze Reihe von Wählern, die sich überhaupt nicht von dem beeinflussen lassen, was beispielsweise in den Medien geschrieben wird. Und die eher davon ausgehen, was in der eigenen Familie gedacht wird."
Bliebe die Frage, für wen dann die Medien eigentlich mit zunehmender Häufigkeit mehr oder eher weniger repräsentative Umfragen veröffentlichen. Und: was in den Familien so gedacht wird.