Reaktionen auf die Regierungskrise

Cyril Svoboda, Vladimir Spidla und Ivan Pilip (Foto: CTK)

Nach einer etwas hektischen Woche, in der es auf dem Feld der tschechischen Innenpolitik drunter und drüber ging, begrüßen Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, Silja Schultheis und Robert Schuster wieder zu einer neuen Ausgabe der Mediensendung von Radio Prag - Im Spiegel der Medien.

Cyril Svoboda,  Vladimir Spidla und Ivan Pilip  (Foto: CTK)
Im Mittelpunkt unserer heutigen Sendung steht, wie nicht anders zu erwarten, jene Krise, welche über dem erst vor kurzem ins Amt eingeführten Kabinett von Vladimír Špidla während der letzten fünf Tagen schwebte. Begonnen hatte alles am Freitag vor einer Woche, als die Regierung ihre erste große Schlappe hinnehmen musste. Im Parlament scheiterte eine Regierungsvorlage über die Erhöhung der Steuern denkbar knapp, und zwar an der Stimme einer einzigen Regierungsabgeordneten, nämlich an Hana Marvanová von der liberalen Freiheitsunion. Die Regierung wollte mit diesem Maßnahmenpaket u.a. den Wiederaufbau nach dem Jahrhunderthochwasser vom August diesen Jahres finanzieren. Premier Špidla wurde daraufhin sehr emotional und bezichtigte die Liberalen des Koalitionsbruchs. Er forderte die Partei auf, entweder Marvanová zum Verzicht auf ihr Mandat zu bewegen, oder andernfalls das Kabinett zu verlassen. Lange Rede kurzer Sinn - nach fünf Tagen und unzähligen politischen Treffen und Verhandlungen bleibt nun alles beim alten, d.h. Marvanová behält ihr Mandat und ihre Partei verbleibt in der Regierung.

In vielen tschechischen Zeitungen fanden sich zu den immer neuen Drehungen und Wendungen im Koalitionsdrama der vergangenen Woche täglich sogar mehrere Kommentare, deren Autoren auf verschiedene Aspekte eingingen. Einen sehr originellen Blickwinkel wählte etwa der Chefkommentator der "Lidové noviny", Petr Fischer, in seinem Kommentar, der einen Vergleich zwischen der mittlerweile beigelegten Regierungskrise und Shakespeares Theaterstück "Die Zähmung der Widerspenstigen" zog:

"Das erste Theaterstück der neuen politischen Saison wird wohl kaum irgendwelchen strengen dramatischen Maßstäben gerecht. Das Problem beginnt schon mit der Feststellung der Gattung: War es nun eine antike Tragödie, die sich da abspielte, eine Situationskomödie, ein spannendes Drama oder doch nur eine Posse? Der versöhnliche Ausgang nach den vorangegangenen Wendungen und Emotionen würde für letzteres sprechen, aber die Anspannung in den Gesichtern der Darsteller, die Aufbereitung in den Medien, die daraus eine Krise machten, verlieh dem Stück den Anschein eines politischen Dramas. Aber dennoch wird dieses Stück in einigen Jahren als nicht besonders gelungenen Posse in die Geschichtsbücher eingehen - wahrscheinlich unter dem Titel ‚Die Zähmung der Widerspenstigen'."

womit Petr Fischer eindeutig auf jene Politikerin anspielte, die den Stein ins Rollen brachte - Hana Marvanová.

In der gleichen Ausgabe der "Lidové noviny" machte sich Pavel Máša auch gleichzeitig über das Krisenmanagement des tschechischen Regierungschefs Gedanken und betitelte seinen Kommentar mit "Der geniale Špidla". Er kam dabei zu folgendem Urteil:

"Der Premier glaubt vielleicht sogar selber, dass er sich in den letzten Tagen wie ein meisterhafter Stratege verhielt. In Wahrheit wurden ihm jedoch seine Grenzen aufgezeigt. Er sieht die Gefahren nicht, die auf ihn lauern und sollte er auch künftig eine ähnliche Vorgehensweise an den Tag legen, wird das kein gutes Ende haben. Vielleicht wird er dann wieder, so wie jetzt, mit einem Lorbeerkranz dastehen, dann aber vielleicht ohne eigenes Heer."

Der Chefkommentator der auflagenstarken tschechischen Tageszeitung "Mladá fronta Dnes", Martin Komárek, ging mit dem Premier sogar noch härter ins Gericht, wenn er in seinem Kommentar unter der Überschrift "Mit einem schwachen Špidla" meint:

"Die Krise ist vorbei und der Regierungschef bezeichnet dies nun lediglich als eine Art Vorstufe zu einer Krise. Falls ein schwerer Herzinfarkt auch nur eine Vorstufe einer schweren gesundheitlichen Krise ist, hat er Recht. In Wirklichkeit wurde die Regierung in ihren Fundamenten erschüttert. Nun mag zwar alles vorüber sein, aber das, was zurückbleibt, ist eine ausgesprochen schwache Regierung mit einem schwer angeschlagenen Regierungschef."

In die gleiche Kerbe schlägt auch das Urteil von Martin Denemark von der Wirtschaftszeitung "Hospodáøské noviny". Im Gespräch mit Radio Prag gesteht er ein, dass er sich, wie viele seine Kollegen übrigens auch, in der Einschätzung der Person Vladimír Špidlas und dessen Fähigkeiten verschätzt habe, wie er im folgenden erläutert:

"Vladimír Špidla hat mich vor allem in den ersten Augenblicken nach der gescheiterten Abstimmung vom Freitag vergangener Woche negativ überrascht, denn ich habe erwartet, das er stärkere Nerven hat, über ein gewisses Maß an Diplomatie, sowie über ein weitaus größeres Maß an Respekt gegenüber dem Standpunkt von jemanden anderen verfügt. Später hat er sich von dem anfänglichen Schock wieder erholt und ist dabei seinem Versprechen vor der Wahl treu geblieben, wonach er verhindern will, dass die Kommunisten direkten Einfluss auf die Regierungsarbeit in diesem Land hätten."

Martin Denemark meint die wahren Gründe für die augenblicklichen Schwierigkeiten des Regierungschefs zu kennen: Es sei der Schatten von Špidlas Vorgänger, dem früheren Regierungschef Miloš Zeman, der sich zwar offiziell aus der Politik zurückgezogen habe, der aber immer noch über der Partei schwebt und in den Tagen der Krise sogar etwas länger wurde. Davon zeuge seiner Meinung nach auch der Versuch von Zemans Anhängern ihn als offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Partei ins Rennen zu schicken.

Dennoch glaubt Denemark aber nicht, dass der Ex-Premier wieder in den politischen Ring steigen würde.

"Die Lage innerhalb der Partei ist auf jeden Fall sehr kompliziert, ich meine aber, dass die Art und Weise, wie die Regierungskrise beigelegt wurde gleichzeitig auch die Hoffnungen Zemans begraben hatte, dass er nächster Präsident werden könnte. Seine Chancen sind stark gesunken, obwohl es natürlich auch an wichtigen Schaltstellen Personen gibt, die Zeman verehren. Den Gegnern Zemans ist es nämlich gelungen durchzusetzen, dass über den Präsidentschaftskandidaten in einer auf für Nichtparteimitglieder offenen Urabstimmung entschieden wird und das heißt, dass dann viele Bürger mit einem Ziel daran teilnehmen werden, nämlich gegen Zeman zu stimmen."

Wie schätzt Martin Denemark abschließend die Wahrscheinlichkeit ein, dass sich die Krise der vergangenen Tage wiederholen könnte?

"Am ausgehandelten Zusatz zum Koalitionsvertrag ist vor allem die Verpflichtung der Freiheitsunion wichtig, auf keinen Fall einen Misstrauensantrag gegen die jetzige Regierung unterstützen zu wollen, selbst wenn die Partei nicht mehr an Špidlas Kabinettstisch vertreten wäre. Das heißt im Klartext, dass der Premier mit dieser Zusage für lange Zeit jegliche Sorgen um das weitere Bestehen seiner Koalition los sein müsste. Vladimír Špidla kann also ganz ruhig sein."

Liebe Hörerinnen und Hörer, damit sind wir wieder am Ende unseres heutigen Medienspiegels angelangt. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und auf ein Wiederhören in einer Woche freuen sich Silja Schultheis und Robert Schuster.