Rechtsextremisten-Szene in Tschechien sucht verstärkt internationale Kontakte

Foto: Stepanka Budkova

Nach längerer Zeit machten die tschechischen Rechtsextremisten in den vergangenen Tagen und Wochen wieder einmal von sich Reden. Und zwar wegen des ursprünglich geplanten Marsches durch das ehemalige Jüdische Viertel (Josefstadt) in Prag am Jahrestag der so genannten Reichskristallnacht. Auch wenn sich die einzelnen Gruppen immer stärker vernetzen und zunehmend politischer und ideologischer werden, gelten sie bei weitem noch nicht als Auffangbecken für Protestwähler.

Ds ehemalige Jüdische Viertel in Prag  (Foto: Martina Stejskalova)
Am vergangenen Samstag glichen Teile der Prager Innenstadt einer uneinnehmbaren Festung. Hunderte von Polizisten schirmten die Josefstadt ab, um zu verhindern, dass Neonazis anlässlich des Gedenkens an die so genannte Reichskristallnacht durch das Viertel marschieren. Erst recht, nachdem die von den „Glatzen“ angekündigte Kundgebung nach langem Hin und Her von Behörden und Gerichten verboten wurde.

Der ursprünglich geplante Marsch durch die Prager Innenstadt Prag war nicht nur eine gezielte Provokation. Vielmehr diente die ganze Debatte, die sich um das Verbot des Marsches entzündete, in Wahrheit auch einer neuen, bis dahin wenig bekannten Neonazi-Gruppe – den so genannten Jungen Nationaldemokraten – zur Werbung in eigener Sache.

Wer verbirgt sich hinter dieser Gruppe und wie stark ist die rechtsextreme Szene in Tschechien generell? Das fragten wir den Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Zdenek Zboril vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

Foto: Martina Stejskalova
„Die Bezeichnung der Gruppe ist völlig neu. Sie war vorher nicht stärker in Erscheinung getreten und auch nicht bei den Behörden registriert. Medienberichten zufolge soll sie erst jetzt einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Es ist anzunehmen, dass sich diese Gruppe vom gleichnamigen Jugendverband der rechtsextremen deutschen Nationaldemokraten inspirieren ließ, der in Sachsen politisch relativ stark verankert ist. Seit geraumer Zeit lässt sich eine verstärkte Tätigkeit der tschechischen Rechtsextremisten gerade im Erzgebirge, also im Grenzraum zu Sachsen festzustellen. Dort finden etwa einschlägige Konzerte statt, zu denen auch Besucher aus Sachsen über die Grenze kommen. Ich denke, dass die Mitglieder der tschechischen Jungen Nationaldemokraten keine eigentlichen Jugendlichen sind, sondern schon etwas ältere Personen, die schon zuvor fest in der Skinhead-Subkultur integriert waren und später Mitglieder verschiedener Parteien wurden – zum Beispiel der chauvinistischen tschechischen Nationalpartei, der Bewegung Nationaler Korporatismus oder noch einiger anderer Parteien. Vieles deutet darauf hin, dass diese neue Gruppe nicht besonders viele Mitglieder zählt, auch wenn sie auf ihren Internetseiten sehr großspurig wirkt. In den Anfängen waren es vielleicht nur fünf bis zehn Personen, heute sind es wohl gerade einmal 25 Mitglieder, aber auch unter diesen gibt es starke ideologische Unterschiede. Das, was sie verbindet, ist die feindliche Einstellung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft.“

Foto: Stepanka Budkova
Wie Extremismusforscher Zdenek Zboril bereits erwähnte, liegen die gemeinsamen Wurzeln der verschiedenen rechtsextremen Gruppierungen in Tschechien in der Subkultur der Skinheads. Was aber heute im Gegensatz zu früher anders ist, ist die Tendenz, bewusst und gezielt politische Themen zu besetzen und diese auch ideologisch zu untermauern. So sind zum Beispiel die Beiträge, die verschiedene Gruppen im Internet veröffentlichen, sehr antisemitisch, und es würde sich laut Zboril auch häufig um Imitationen von offiziellen Texten aus der Zeit des Protektorats und des Zweiten Weltkriegs handeln.

Neben dieser verstärkten Ideologisierung der tschechischen Rechtsextremen lässt sich aber ebenso eine weitere Neuerung entdecken – die wachsende Neigung, grenzüberschreitend mit den deutschen Neonazis zusammenzuarbeiten. Das ist schon deshalb erwähnenswert, weil sich die extreme Rechte in Tschechien bislang stets gegenüber Deutschland und auch den dortigen Rechtsextremen zu profilieren suchte. Dazu meint Politikwissenschaftler Zdenek Zboril:

„Ich denke, dass es schon früher Versuche gab mit der rechtsextremen Szene in Deutschland Verbindung aufzunehmen, was dann aber stets scheiterte. Dank der starken Fragmentierung der tschechischen Rechtsextremisten wurde der klassische tschechische und somit anti-deutsche Chauvinismus von der Nationalpartei aufgesogen. Übrig blieb eine kleine Gruppe, die sich dadurch zu profilieren versucht, dass sie systematisch Kontakte ins Ausland knüpft. Gleichzeitig stimmt aber auch, dass es bei der Gedenkfeier für Rudolf Hess vor zwei Jahren in Wunsiedel zu einem Zwist zwischen den tschechischen und deutschen Gruppen gekommen ist. Ich denke aber, dass die Motive für eine Zusammenarbeit mit den deutschen Neonazis auch kommerzielle Gründe haben können, weil durch die Veranstaltung von gemeinsamen Konzerten die tschechischen Bands natürlich auch auf den größeren deutschen Markt gelangen können. Prinzipiell lässt sich aber schon feststellen, dass es auf Seiten der tschechischen extremen Rechten immer schon Gruppen gab, die sich zum ideologischen Vermächtnis des Großdeutschen Reiches bekannten, gleichzeitig jedoch die wichtigsten Protagonisten der Nazi-Zeit aussparten. So wurde etwa an Stelle Hitlers die Person Hess´ gestellt. Anstelle der übrigen politischen Größen wurden beispielsweise Wehrmachtsgeneräle zu Ikonen hochstilisiert. Das entsprach natürlich nicht der Wirklichkeit, aber diese Personen wurden gerade dann favorisiert, wenn sie markante Züge hatten.“

Der politische Erfolg der Rechtsextremisten in Sachsen ist vor allem dadurch gegeben, dass es der dortigen NPD gelungen ist, vor Ort politisch präsent zu sein und eine politische Basis aufzubauen. Zum Beispiel durch die Kandidatur für die Kommunalparlamente. Häufig konnten sie dabei in entfernten Gegenden erfolgreich Bereiche in der Gesellschaft besetzen, in denen sich die so genannte Bürgergesellschaft mangels Aussicht auf Erfolg bereits zurückgezogen hat. Zum Beispiel dort, wo auch die letzten Jugendclubs ihre Pforten geschlossen haben. Könnte eine ähnliche Taktik, die in Sachsen Erfolg feierte, auch in Tschechien Fuß fassen und den rechtsextremen Gruppen Erfolge bei Wahlen bescheren? Dazu sagte Extremismusforschers und Politikwissenschaftlers Zdenek Zboril vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

Foto: Stepanka Budkova
„Es stimmt, dass diese Gruppen schon in den 90er Jahren in Gegenden vertreten waren, wo das bis dahin bestehende kulturelle Umfeld und dessen Institutionen auseinander gebrochen waren. Das muss nicht immer unbedingt mit der Arbeitslosigkeit oder der wirtschaftlichen Krise zusammenhängen. Ein wichtiger Grund konnte generell der Wegfall jeglicher Infrastruktur für Jugendliche nach der Wende gewesen sein. Heute ist das aber weitaus komplizierter. Die jungen Menschen, die sich zu rechtsextremen Gruppen bekennen, sind enttäuscht vom moralischen Zustand der tschechischen Gesellschaft. Sie stehen der Regierung und dem Establishment natürlich konträr gegenüber, und sie finden ihre Kritik nicht ausreichend bei den politischen Parteien bzw. in deren Jugendorganisationen berücksichtigt. Auch aus diesem Grund gibt es vielleicht diese Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg und auch diesen Drang, sich in die gesamteuropäischen Strukturen einzubinden. Das Protestpotential in Tschechien wird aber immer noch weitgehend von den bestehenden Parteien aufgesogen. Was übrig bleibt, ist eine sehr kleine Gruppe, die vielleicht auch deshalb nur einen begrenzten Zugang zu den Medien hat und umso stärker im Internet präsent ist. Allerdings gibt es de facto nur ein Thema, mit dem rechtsextreme Gruppen eine eventuell größere Unterstützung in der Gesellschaft erreichen können – ihre Haltung in der Roma-Frage. Die vulgäre und aggressive Art und Weise, wie sie dieses Thema angehen, wird jedoch von einer Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt. Korrekterweise muss man aber sagen, dass sich auch der Zugang der meinungsbildenden Medien zur Roma-Frage geändert hat – vor allem was die Thematisierung der problematischen Aspekte angeht. Heute wird in den Medien nicht mehr nur über Exzesse, sondern auch über Beispiele, die man als positiv bezeichnen kann, berichtet.“