Internationale Konferenz zu Rechtsextremismus

In Prag fand kürzlich ein internationaler Kongress unter dem Titel „Gegenwärtige Drohung des Neonazismus und Äußerungen der Xenophobie“ statt. Veranstaltet wurde er von der Gedenkstätte Lidice und dem deutschen „Aktuellen Forum“. Eingeladen waren auch Delegationen aus Griechenland, den Niederlanden, der Slowakei, Norwegen und Italien. Entsandt wurden die Vertreter von jenen Gemeinden, die ihr Schicksal mit Lidice in der Nähe von Prag teilen: Alle diese Orte waren Schauplätze von Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs. Schwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung war die aktuelle Situation des Rechtsextremismus in Tschechien. Daniel Kortschak war dabei:

Ondřej Cakl  (Foto: www.jedensvet.cz)
Rund 7000 Anhänger zählt der harte Kern der Neonazi-Szene in Tschechien. Zwischen 25 und 35 Großveranstaltungen mit rechtsextremem Hintergrund finden jedes Jahr in Tschechien statt. Häufig mit Unterstützung durch Neonazis aus anderen Ländern - vor allem aus Deutschland. Erst vor wenigen Wochen kamen in Königgrätz / Hradec Králové mehrere hundert Neonazis zu einer Demonstration zusammen:

„Zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg haben sich die tschechischen Neonazis offen mit der deutschen NPD verbrüdert. Dabei formuliert die NPD gegenüber Tschechien Gebietsansprüche.“

Außerdem betone die Partei in ihren Publikationen stets die Überlegenheit des deutschen Volkes, so Ondřej Cakl, der seit über zehn Jahren für verschiedene antifaschistische Organisationen die Aktivitäten der Rechtsextremen beobachtet.

Obwohl die Veranstaltung nicht genehmigt war, haben die Behörden nichts dagegen unternommen. Gegen die Organisatoren wurde lediglich ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren eingeleitet. Cakl kritisiert die zu große Toleranz der Behörden:

Foto: Štěpánka Budková
„Die städtischen Behörden in Königgrätz haben zwar festgestellt, dass diese Aktion nicht angemeldet ist. Einen Grund zur Auflösung der Veranstaltung haben sie darin aber nicht gesehen. Die Beamten versteckten sich. Die Polizei war zwar ebenfalls vor Ort. Die Polizisten saßen aber die meiste Zeit nur im Auto und schritten nicht ein. Vier deutsche Neonazis waren auch da. Es wurde über das ‚Reich’ gesprochen und die angebliche Bruderschaft zwischen Tschechen und Deutschen. Das war natürlich eine glatte Lüge des Redners dort. Schauen Sie in die Materialien der NPD: Überall schrieben die von der Überlegenheit der Deutschen über alle anderen Völker. Es sprachen Vertreter der NPD auf unserem Staatsgebiet und trotzdem haben wir keinen genauen Aufzeichnungen darüber, was gesagt wurde. Die tschechische Polizei hat nichts davon aufgenommen. Die haben wirklich schlechte Arbeit geleistet.“

Die örtlichen Behörden oder die Polizei würden zwar immer wieder rechtsextreme Veranstaltungen verbieten. Die entsprechenden Bescheide seien aber meist mangelhaft und die Neonazis hätten gute Anwälte, die oft mit Erfolg in Berufung gegen diese Verbote gehen würden.

Foto: Štěpánka Budková
Tschechien habe gegenüber den meisten anderen mitteleuropäischen Ländern zwar den Vorteil, dass seit zehn Jahren keine extrem rechte Partei mehr im Parlament vertreten sei und die rechtsextremen Gruppierungen bei den Wahlen auf weniger als ein halbes Prozent kommen. Dem gegenüber stehe aber eine gut organisierte und ausgesprochen gewaltbereite rechtsextreme Szene, so Cakl in seinem Vortrag:

„Was aber die rassistisch motivierte Gewalttaten, Morde und Demonstrationen betrifft, sind wir in Europa führend. Die einzigen, die mit uns dabei noch mithalten können, sind die deutschen Neonazis.“ 30 Menschen starben Cakls Aufzeichnungen nach seit dem Wende-Jahr 1989 in der Folge von rechtsextrem motivierten Gewalttaten.

Auch der tschechischen Justiz gelingt es nicht immer, die Aktivitäten der der Neonazis zu verhindern beziehungsweise zu bestrafen. Die Juristin und Rechtsextremismus-Expertin Klára Kalibová nannte auf der Konferenz ein Beispiel:

„Der tschechische Verleger Michal Zítko hat zu Jahresbeginn 2000 „Mein Kampf übersetzen. Er ließ das Werk schwarz einbinden und auf die Titelseite den Reichsadler mit dem Hakenkreuz prägen. Insgesamt 106.000 Exemplare ließ er drucken. Er rechtfertigte sich damit, dass er dieses Buch herausgegeben hat, um damit Geld zu verdienen. Polizei und Justiz haben Ermittlungen aufgenommen. Michal Zítko wurde in erster Instanz zu drei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer halben Million Kronen verurteilt. Zítko hat bis zum Obersten Gericht berufen. Und das hat das Urteil aufgehoben. Das Höchstgericht hat festgestellt, das sowohl die Arbeit der Polizei als auch die der untergeordneten Gerichte mangelhaft war. Hätten diese Instanzen einwandfrei gearbeitet, hätte Zítko verurteilt werden können.“

Mitorganisator des Kongresses ist das deutsche „Aktuelle Forum“. Dessen Vorsitzender, Hartmut Hellwig, zeigte sich mit dem Verlauf des ersten Konferenztages zufrieden:

„Gerade wir Deutschen haben eine besondere Verpflichtung. Wir freuen uns sehr, jetzt in Europa von Freunden umgeben zu sein und nicht mehr die Kriegstreiber zu sein. Wir wollen aufgrund unserer eigenen Erfahrung mit das Banner tragen für ein friedliches Europa in Zukunft.“

Milouš Červencl,  links  (Foto: ČTK)
Milouš Červencl ist der Leiter der Gedenkstätte Lidice und für die Organisation des Kongresses verantwortlich. Ich habe mit ihm nach dem ersten Veranstaltungstag gesprochen:

Es waren auch einige Politiker angekündigt zur heutigen Veranstaltung. Die Veranstaltung eröffnen sollte der Kulturminister der Tschechischen Republik, Václav Jelička. Auch angekündigt war die Ministerin für Minderheiten und Menschenrechtsfragen, Džamila Stehlíková. Gekommen sind sie nicht und haben Vertreter geschickt. Sind Sie enttäuscht?

„Ja, ich bin sehr enttäuscht. Es ist heute Regierungssitzung und beide Minister mussten sich entschuldigen und ihre Vertreter entsenden. Aber ich glaube, das ist auch ein Zeichen für den derezeitigen Zustand der Politik, die das Thema nur am Rande wahrnimmt und ganz andere Interessen hat. Gottseidank gibt es Ausnahmen. ich bin sehr froh, dass der Präsident des Abgeordnetenhauses Miloslav Vlček und der Präsident des Senats Přemysl Sobotka gekommen sind.“

Přemysl Sobotka
Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Veranstaltung?

„Ja, ich bin recht zufrieden. Vor allem viele Stundenten sind gekommen. Es tut mir eben nur leid, dass so wenige Politiker, Abgeordnete und andere offizielle Vertreter gekommen sind. Denn gerade für sie war dieses Veranstaltung nämlich eigentlich gedacht.“

Dafür reisten Politiker aus anderen europäischen Ländern eigens zu der Veranstaltung an. Der Vertreter der italienischen Delegation, der Bürgermeister der toskanischen Gemeinde Gemeinde Bucine, Sauro Testi, äußerte sich in seiner Grußbotschaft besorgt über das Erstarken des Rechtspopulismus in Europa und in seinem Land:

„Noch vor zehn Jahren hätten viele von Ihnen eine Diskussion über Rechtsextremismus für einen überflüssigen Blick zurück in die Vergangenheit gehalten. Aber in Europa und vor allem in Italien ist die jüngste Entwicklung eine eher traurige. Diese ideologischen Phänomene, von denen wir heute in den Vorträgen gehört haben, sind leider in meinem Land präsenter denn je. Denken Sie nur an die Spezialgesetzte gegen die Roma in Italien. Gott sei Dank werden diese Entwicklungen mittlerweile aber in Europa umfassend diskutiert.“