Regierung verklagt Chefredakteur

Wochenzeitung Respekt

Vor nicht ganz zwei Wochen tagte in Prag die internationale Antikorruptionskonferenz. Dies nahm Petr Holub, der Chefredakteur der Wochenzeitung "Respekt", zum Anlass, um in seinem Kommentar vom Montag die tschechische Regierung für ihre wenig gelungene Antikorruptionspolitik zu kritisieren. Mit spektakulären Folgen, wie sich zeigte. Olaf Barth berichtet.

Premier Milos Zeman ist nämlich prinzipiell nicht besonders gut auf Journalisten - insbesondere auf tschechische - zu sprechen. Und so war es ihm am Montag offensichtlich ein Genuss, verkünden zu können, dass die komplette Regierung den Chefredakteur der Zeitung wegen Verleumdung verklagen wird und zwar auf eine Entschädigungszahlung von 10 Millionen Kronen pro Regierungsmitglied. Und in seiner unvergleichlichen Art fügte der tschechische Premier an:

"Es gibt 17 Regierungsmitglieder. Ich hoffe, dass auch die tschechischen Journalisten begreifen, dass 17 mal 10 Millionen Kronen insgesamt 170 Millionen ergeben. Aber ich möchte hier betonen, dass sämtliche Regierungsmitglieder entschieden haben, dieses Geld, für den Fall, dass es uns zugesprochen wird, charitativen Zwecken zur Verfügung zu stellen und niemand von uns auch nur eine einzige Krone behalten wird."

Die Regierenden hierzulande waren äußerst erbost über Holubs Formulierung, dass das Zeman-Kabinett den von ihr ausgerufenen Kampf gegen die Korruption verloren hätte, was u.a. das korrupte Verhalten sämtlicher Minister beweisen würde.

Damit will der so wortgewandte Chefredakteur Petr Holub nun aber keinesfalls gesagt haben, dass die Minister korrupt seien. Er begründet das so:

"Der Satz besagt nicht, dass die Minister Bestechungsgelder nehmen würden, sondern, dass ihr Verhalten die Korruption unterstützen könnte. Und das lässt sich sehr leicht durch das jeweilige Vorgehen bei verschiedenen Staatsaufträgen belegen.

Falls es sich Milos Zeman nicht noch anders überlegen, sondern tatsächlich vor Gericht ziehen sollte, wird es für ihn eine große Enttäuschung geben."

Um zu erklären, warum im heutigen Staatsapparat Korruption herrscht und die Regierung, wie es Holub ausdrückt, mit ihrem Verhalten die Korruption unterstütze, zitiert er in seinem Artikel den französischen Staatstheoretiker Marquis de Tocqueville, der da sagte: "Korruption herrscht in Systemen, in denen viele nicht allzu reiche Leute Zugang zur Macht haben..."

Es fragt sich nur, welches Demokratieverständnis sich hinter einer solchen Aussage verbirgt.

Autor: Olaf Barth
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