Regierung will Mindestlohn erneut anheben – Opposition hält höhere Löhne für irreal

Фото: Барбора Кментова

Die Löhne in Tschechien sind in den zurückliegenden vier, fünf Jahren kaum gestiegen, was auch eine Folge der Krise war. Seit zehn Monaten ist aber die tschechische Wirtschaft wieder leicht im Aufwind, Gewerkschafter und Sozialpolitiker sehen daher erneut eine Chance für Lohnerhöhungen. Die Ministerin für Arbeit und Soziales, Michaela Marksová, will vor allem, dass der Mindestlohn auf 9000 Kronen (ca. 328 Euro) angehoben wird. Die Arbeitgeberverbände aber sträuben sich dagegen.

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Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Tschechien zuletzt im August 2013 um 500 Kronen auf 8500 Kronen angehoben. Zuvor hatte es jedoch sechs Jahre lang keine Erhöhung mehr gegeben. Die umgerechnet 310 Euro seien ein viel zu karger Beitrag zum Leben, beklagt der Mindestlohn-Empfänger Ivan Javůrek aus dem mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau:

„Es ist wirklich schrecklich, mit diesem Lohn zu leben. Ständig wird etwas teurer, die Steuern werden erhöht, es ist einfach schwer.“

Die Probleme der rund 90.000 Mindestlohn-Empfänger hat die Ministerin für Arbeit und Soziales, Michaela Marksová, nicht übersehen. Deshalb bekräftigte sie beim Treffen der Sozialpartner am Dienstag in Prag noch einmal ihren Vorschlag, den Mindestlohn zum 1. Januar 2015 um weitere 500 Kronen (18 Euro) zu erhöhen:

„Wir haben im Land viele Menschen, die trotz der Arbeit, der sie nachgehen, unter der Armutsgrenze leben. Die Armutsgrenze liegt nämlich bei rund 9600 Kronen.“

Michaela Marksová  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Der Gewerkschaftsdachverband ČMKOS unterstützt das Vorhaben der Ministerin. Václav Pícl ist der Erste Vizechef des Verbandes:

„Hierzulande wächst die große Zahl der armen Arbeitnehmer. Es ist daher erforderlich, den Mindestlohn anzuheben.“

Das sehen die Vertreter der Arbeitgeberverbände anders. Besonders in einigen Branchen wie der Textil-und Bekleidungsindustrie oder im Bauwesen könnte der erneute Zuwachs des Mindestlohns zu finanziellen Engpässen führen, meint der Präsident des Verbandes für Industrie und Verkehr, Jaroslav Hanák:

„Es wird gewisse Grenzen geben, über die diese Erhöhung nicht hinausgehen sollte. Ich spreche hier von 200, 300 oder 500 Kronen. Wir müssen abwarten, was dazu die Vertreter der Branchen sagen, die große Probleme mit den Löhnen haben.“

Probleme hin, Probleme her, die Regierung von Ministerpräsident Bohuslav Sobotka will die Aufstockung, auch um damit einer ihrer Verpflichtungen aus dem Koalitionsvertrag wie auch dem Regierungsprogramm nachzukommen. Darüber hinaus fordern aber auch mehrere Staatsbedienstete eine ihrer Meinung nach überfällige Gehaltserhöhung – Lehrer und Beamte wollen fünf Prozent, Polizisten und Feuerwehrleute acht Prozent mehr Lohn. Premier Sobotka will mit ihnen darüber verhandeln, Finanzminister Andrej Babiš aber muss erst die notwendigen Mittel dafür auftreiben. Dieses Unterfangen sieht Babišs Amtsvorgänger, Top-09-Vizechef Miroslav Kalousek, aber schon jetzt als gescheitert an:

Miroslav Kalousek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Eine Gehaltserhöhung für die Staatsbediensteten ist nur möglich im Rahmen der Wahlversprechen von Andrej Babiš. Aber sie liegt nicht im Bereich der reellen Möglichkeiten von ihm.“

Während sich die Opposition also schon die Hände reibt, bald ein Thema zu haben, bei dem die Koalition ihren Wählern gegenüber Kredit verspielen könnte, will Premier Sobotka die Finanzfragen im Sommer lösen. Diesbezüglich könnte es für die Regierungspolitiker durchaus ein heißer Sommer werden.