Regionjournal

Herzlich willkommen, verehrte Damen und Herren, zu einer weiteren Ausgabe von Regionaljournal. Verschiedene Themen sowie verschiedene Regionen der Tschechische Republik warten heute wieder auf Sie. Durch die Sendung führen Sie Olaf Barth und Dagmar Keberlova.

Ganz am Anfang begeben wir uns heute in die nordböhmische Stadt Jablonec nad Nisou/Gablonz, die durch ihre Glas- und Bijouterieproduktion weltweit berühmt ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blühte die Stadt mit dem Anstieg der Glas- und Bijouterieproduktion auf. Nach dem Ende des preußisch-österreichischen Krieges , der die Konkurrenz der Gablonzer Bijouterie zunichte machte, begann der größte Aufstieg der hiesigen Produktion. Unternehmer aus der ganzen Welt kamen nach Jablonec, um hier reich zu werden und Jablonec wurde von da an als Kalifornien der Monarchie bezeichnet.

Für die Zwecke der Glas- und Bijouterieindustrie wurde hier vor 120 Jahren auf Anregung der Hersteller und Geschäftsleute auch die Mittlere Kunstgewerbe- und Höhere Fachschule errichtet. Gegründet wurde sie vom zuständigen kaiserlich - königlichen Amt für Schulwesen und Kult und stand unter deutscher Verwaltung. Die Kunstgewerbeschule in Jablonec hat alle Kriege überlebt, dafür nicht die 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts, in denen die Schwerindustrie in der damaligen Tschechoslowakei den Vorrang hatte und die Schule für einige Jahre geschlossen wurde. In der später wiedereröffneten Schule versucht man in jüngster Zeit an die alte Traditionen anzuknüpfen. Auch im Ausland weiß man die Mühen und Leistungen der Schule und der Studenten zu schätzen. Die Wiener Münzstätte hat einem Studenten der Schule einen Aufenthalt in Wien ermöglicht und die Stecher waren von seinem Interesse und seinen Kenntnissen überrascht. Aus diesem Grund beschloss die Wiener Münzstätte, solche Aufenthalte zu wiederholen. Über den Ursprung der Kontakte zur Wiener Münzstätte berichtet Jiri Dostal, der Direktor der Kunstgewerbeschule:

"Wir haben uns mit dem Vizepräsidenten der Wiener Geldprägestätte bei der Feier des fünfjährigen Bestehens der Geldprägestätte hier in Jablonec kennen gelernt und ihn in unsere Schule eingeladen. Er ist dann mit der Idee gekommen, einen unserer Studenten nach Wien einzuladen."

Den Worten von Dietmar Spranz, dem Präsidenten der Wiener Münzstätte, zufolge, ist es eine besondere Ehre, die keine andere Schule genießen kann. In Wien unterhält man keine Kontakte mit Schulen, dies sei eine große Ausnahme. Die Wiener unterstützen auch finanziell die Herausgabe der Publikation, die die Geschichte der Schule erläutert. Die Publikation sei für Jan Strnad, dem Leiter des Archivs der Schule, von großer Bedeutung, da sie helfen soll, an die Geschichte der Schule anzuknüpfen. Beeinträchtigt wurde der Betrieb der Schule durch den Abgang ihrer sudetendeutschen Professoren sowie durch die späteren politischen Verhältnisse. In der kommunistischen Zeit sind viele Schülerarbeiten, die Bibliothek und das Archiv verlorengegangen. Auf der Suche nach historischen Quellen hilft der Schule in Jablonec auch die Kunstgewerbeschule in Neugablonz, die von den Sudetendeutschen 1947 errichtet wurde. Beide Schulen stellen in diesen Tagen Arbeiten ihrer Studenten in der Galerie des Hauses tschechisch-deutscher Verständigung in Jablonec nad Nisou aus. Die Ausstellung kann noch bis Ende November von Mittwoch bis Samstag besucht werden.


Eine weitere sehr interessante regionale Veranstaltung findet im westböhmischen Plzen/Pilsen statt. Wenn sie, liebe Hörerinnen und Hörer, alle Schuleinrichtungen der westböhmischen Kreisstadt besuchen würden, könnten sie Kinder aus 60 verschiedenen Nationalitäten entdecken. Aus diesem Grund wurde Plzen für ein multikulturelles Pilotprogramm ausgesucht, in dem Lektoren in Erziehung zur Toleranz geschult werden. Die Stadt ist auf diesem Gebiet, das zu den heißdiskutierten unserer Tage gehört, sehr aktiv geworden und möchte nun mit mehreren Programmen der Rassenfeindlichkeit und Intoleranz entgegenwirken.

Ein Teil der Aktivitäten ist die Ausstellung mit dem Titel "Roma - Tradition und Gegenwart", die gerade in diesen Tagen auf dem Pilsener Messegelände zu sehen ist.

Möglichkeiten schaffen, um die Kulturen verschiedener Völker kennen zu lernen und so der Rassenfeindlichkeit vorzubeugen - dies haben sich Fachexperten aus Pilsen, unterstützt vom städtischen Rathaus, zur Aufgabe gemacht. Mit dem gleichen Ziel richtet sich die Ausstellung über die Tradition und Gegenwart der Roma vor allem an Kinder und Schüler. Und auch im Programm der Ausstellung spielen die Jüngsten eine tragende Rolle, sagte uns Alexandra Blazkova, die Koordinatorin des Pilsener Familienzentrums für Minderheiten:

"Wir haben das Angebot des Pilsener Messegeländes, sich ein stückweit an der Programmgestaltung zu beteiligen. Unsere Kinder, die sich dem Singen, Tanzen und Malen widmen, können hier zeigen, was sie einstudiert haben und was ihnen Spaß macht."

Kinder aus dem Pilsener Zentrum treten mit verschiedenen Darbietungen auf, Roma und Nichtroma malen, singen und tanzen gemeinsam und alles klappt prima, wie uns Alexandra Blazkova bestätigte:

"Probleme unter den Kindern gibt es keine. Probleme entstehen erst, wenn sich die Erwachsenen einmischen und anfangen, etwas zu bewerten."

Den Reaktionen der Besucher zufolge sind solche Veranstaltungen sowohl für Roma als auch für Nichtroma sehr interessant. Die jungen Roma selbst wissen oft auch nicht viel über ihre Vergangenheit. Hierzu eine Besucherin der Veranstaltung, deren Kindern hier mehr über das Leben ihrer Großeltern erfahren haben:

"Auch für uns ist es interessant, da wir es nicht erlebt haben und hier sehen können, wie sie lebten und was sie machten. Ich habe drei kleine Kinder und habe ihnen gerade gezeigt, wie unsere Großmutter aufgewachsen ist, unter welchen Bedingungen, damit den Kindern klar wird, wie verwöhnt sie heute sind."

Wie wir bereits erwähnt haben, wird nicht nur diese gegen die Intoleranz ausgerichtete Veranstaltung vom Pilsener Rathaus unterstützt. Der Stadtrat Petr Zimmermann, der die Ausstellung besuchte, äußerte sich sehr positiv über diese Ausstellung:

"Ich habe einen guten Eindruck und bin der Überzeugung, dass es notwendig ist, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen. Es ist eine Gelegenheit, bei der sich verschiedene Kulturen begegnen können, hier konkret eine mehrheitliche, die in Anführungszeichen "weiße" und die Romakultur.

Stadtrat Zimmermann fügte hinzu, dass das Rathaus auch in Zukunft ähnliche Aktionen plane. Darüber hinaus wird über ein Musikfestival der Roma-Jugend im nächsten Jahr nachgedacht. Diese Idee wurde von den Jugendlichen selbst aufgeworfen, nachdem sie sich beim Folklorefestival im südmährischen Straznice inspirieren ließen und sich ein derartiges Festival auch in ihrem Ort wünschen. Nun wollen die Jugendlichen das Festival auch in Eigenregie organisieren. Das Pilsener Messegelände wird nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und das Rathaus würde sich an der Organisation mitbeteiligen.


Der letzte Beitrag unseres Regionalmosaiks führt uns, liebe Hörerinnen und Hörer, in die Gemeinde des Jahres, die vor zwei Wochen gewählt wurde.

Dieses Jahr können sich die knapp 1000 Bewohner aus dem südmährischen Sloup über den ersten Preis in diesem Wettbewerb freuen, das in einer Konkurrenz von 316 Gemeinden gewonnen hat. Seit 6 Jahren werden in Tschechien die Dörfer hiermit motiviert, an ihrem Aufbau noch mehr interessiert zu sein. In den vergangenen Jahren haben sich über 1200 Gemeinden angemeldet, manche von ihnen auch mehrmals und die Zahl der Anmeldungen steigt von Jahr zu Jahr. Die beteiligten Dörfer werden im Rahmen des Wettbewerbs unter mehreren Aspekten bewertet, wie z.B. das gesellschaftliche Leben, die Aktivitäten der Bürger, die unternehmerischen Tätigkeiten, das Aussehen der Gemeinde und der Wiederaufbau. In all diesen Gesichtspunkten war Sloup der Favorit. Doch entscheidend war die Wiederbelebung der Pilgertradition in Sloup, denn Sloup ist ein berühmte Pilgerstätte gewesen. In Sloup gibt es einen barocken Dom von Giuseppe Santini, der jetzt renoviert wurde. Hierzu Jan Kruml, der Vorsitzende der Komission:

"In die Gemeinde strömen Zehntausende von Pilgern und auch die nahegelegenen Sloupsko-sosuvske Tropfsteinhöhlen im Mährischen Karst werden reichlich besucht. Hier hat sich die Gemeinde ebenfalls sehr eingesetzt für den Aufbau der für den breiten Tourismus notwendigen Anlagen."

Jan Kruml führte weiter an, das dies eine nationale Schau sei, Tschechien aber auch Mitglied der Europäischen Arbeitsgruppe für den Aufbau der ländlichen Gegenden und die Erneuerung der Dörfer ist. Die Gewinner des nationalen Wettbewerbs gehen dann in den europäischen weiter. Zwei tschechische Dörfer haben vor drei Wochen in Kaiserslautern eine besondere Auszeichnung bekommen und Jan Kruml teilte uns die Reaktion des Bürgermeisters eines der ausgezeichneten Dörfer mit:

"Ich möchte es mit den Worten eines Bürgermeisters sagen: Zum ersten mal habe ich mich als Europäer gefühlt. Die Menschen neben mir waren auch Leute vom Lande und ich fühlte mich eng verbunden mit ihnen, auch wenn sie eine andere Sprache sprechen."

Autoren: Olaf Barth , Dagmar Keberlova
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