Roma, Euro, Uno
Katrin Materna hat zusammengestellt, was die tschechische Medienlandschaft in dieser Woche bestimmt hat.
Tatsächlich haben sich nicht nur die Zeitungen genau diesem Thema ausführlich gewidmet. Anlässe gab es gleich mehrere. Für Schlagzeilen sorgte aber vor allem der Brandanschlag auf das Zuhause einer Roma-Familie in der Nähe der mährischen Stadt Ostrava. Ein zweijähriges Mädchen erlitt dabei Verbrennungen an 80 Prozent ihres Körpers. Sie kämpft nach wie vor ums Überleben.
Präsident Václav Klaus und eine Reihe weiterer tschechischer Spitzenpolitiker haben diesen Anschlag aufs Schärfste verurteilt, am Montag hat Noch-Ministerpräsident Mirek Topolánek die Verhinderung von Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund auf der Regierungssitzung thematisiert. Es soll auf Prävention gesetzt werden. Martin Zvěřina von der Zeitung Lidové noviny warnt vor voreiligen Schlüssen, denn es sei noch nicht endgültig geklärt, ob der Anschlag tatsächlich rassistisch motiviert sei. Experten scheinen sich aber einig zu sein, dass rechtsextreme Gruppierungen immer in Erscheinung treten. Der Politologe Jan Charvát geht in seinem Kommentar für die Mladá Fronta Dnes zum Beispiel davon aus, dass nicht die Zahl der Rechtsextremen zunimmt, vielmehr seien sie aktiver.
Sichtbar geworden ist dies auch am Wochenende in der nah an der Grenze zu Sachsen gelegenen Stadt Ústí nad Labem. Dort sind wieder einige Hundert Neonazis durch die Stadt gezogen.Derartige Veranstaltungen häufen sich in letzter Zeit. Die Tageszeitung Lidové noviny hat den Experten Miroslav Mareš nach den Gründen für diese Entwicklung gefragt, der glaubt, die Neonazi-Szene gewinne vor allem unter jungen Leuten zunehmend an Attraktivität. Für sie sei die Szene zwischen einem Hobby und Bungeejumping anzusiedeln. Hinzu kommt, dass „das Auftreten der rechtsextremistischen Szene immer professioneller wird. Sie hat ihr Image aufpoliert und wird heute nicht mehr automatisch mit der Kneipencommunity von Skinheads gleichgesetzt.“
Seiner Meinung nach haben sich die Politiker noch nicht auf diese neue Entwicklung eingestellt. Vor allem mit der Tatsache, dass die Neonazis von heute sehr genau wissen, in welchem rechtlichen Rahmen sie sich bewegen. Die Frage ist, wie sich dieser Trend in den Griff bekommen lässt. Jan Charvát sieht nicht nur die Politik in der Verantwortung, der er vorwirft, sich nur mit den Symptomen statt mit den Ursachen zu beschäftigen. Vielmehr appelliert er an jeden Einzelnen, wenn er schreibt:
"Bürgerliches Engagement, feste Positionen und die Bereitschaft, über brenzlige Themen zu diskutieren - das ist der einzige Weg, der langfristig zum Eindämmen der rechtsextremistischen Tendenzen führt."
Viele Roma werfen die Flinte ins Korn und verlassen das Land, wie die neueste Auswanderungswelle nach Kanada zeigt. Fairerweise muss man aber sagen, dass es dabei häufig um wirtschaftliche Gründe geht. In dieser Woche war die Einführung des Euro wieder Thema. Wann wird es den Euro denn nun in Tschechien geben?Ich fürchte, diese Frage sollte man eher gen Himmel schicken, hierzulande scheint man keine Antwort auf sie finden zu können. Daniel Kaiser behauptet in der Zeitung Lidové noviny, dass das größte Hindernis für die Einführung des Euro in Tschechien die hiesigen Sozialdemokraten sind. Deren Vorsitzende Jiří Paroubek habe das im Grunde selbst zugegeben. In einem Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen räumte Paroubek ein, der Euro werde das Nachsehen haben, und zwar dann wenn man sich zwischen dem Euro und großzügigen Staatsausgaben entscheiden müsse. Es gäbe keinen Grund zur Eile, zumindest solange die Maastrichter Kriterien nicht entschärft würden, die die Höhe der erlaubten Staatsausgaben vorgeben. Kaiser kritisiert die Sozialdemokratische Partei dafür, dass sie auch in wirtschaftlich guten Zeiten als Regierungspartei keine Rücklagen geschaffen hat. Er schreibt ihr folgendes Szenario zu:
„Die ČSSD plant allem Anschein nach, den Staatshaushalt zu zerrütten, sich in die Euro-Zone einzumogeln und sich dort von reicheren Mitgliedern sanieren zu lassen. Im Falle, dass das die anderen Mitglieder der Euro-Zone wider Erwarten nicht zulassen sollten und wir draußen bleiben müssen, bleibt ja zum Glück noch der Weg, die Verantwortung auf den europaskeptischen Präsidenten zu schieben oder auf dessen ehemalige Partei.“
Bleiben wir noch einen Augenblick in Europa, und zwar in Genf, wo die Uno in dieser Woche bekanntlich eine Anti-Rassismus-Konferenz einberufen hat. Während die deutschen Delegaten gar nicht erst hingefahren waren, haben die Tschechen erst nach den skandalösen Ausfällen von Irans Präsident Ahmadinedschad gegenüber Israel, zum Rückzug geblasen. In der Mladá Fronta Dnes reagiert Karel Steigerwald auf dieses Ereignis. Die Tatsache, dass sich die Tschechische Republik im Gegensatz zu einigen anderen demokratischen Ländern, in den Genfer "Ring" getraut hat und dachte, sie könne dort das Schlimmste verhindern, bezeichnet er als lächerlich. Das Schlimmste sei nämlich eingetreten: Ahmadinedschad hat Israels Regierung als rassistisch beschimpft. Gleichzeitig kritisiert Steigerwald die Konferenz an sich, deren Sinn er nicht erkennen kann. Er schreibt:
„Die UNO ist längst keine Organisation von Verbündeten mehr, die gemeinsam gegen Nazismus und andere Übel vorgehen. Es ist eine Organisation, in der Übel eine wichtige Rolle spielen."Von der Uno noch einmal zurück nach Tschechien, und zwar zur geplanten Privatisierung der Czech Airlines. Zwei der vier Bewerber sind bereits ausgeschieden, darunter die russische Fluggesellschaft Aeroflot. Und das, obwohl viele Ökonomen glauben, damit habe der tschechische Staat die erhofften 4,5 Milliarden Kronen für die ČSA unerreichbar gemacht. Gründe wurden nicht angegeben.
Der Journalist Tomáš Němeček von der Zeitung Hospodářské noviny listet eine Reihe von Gründen auf, die objektiv gegen die Airline sprechen, darunter der Absturz eines ihrer Flugzeuge bei Perm im vergangenen Jahr, bei dem 88 Menschen ums Leben kamen. Oder die Tatsache, dass der größte Aktionär der Gesellschaft der russische Staat ist.
„All das wussten die tschechischen Politiker jedoch bereits, als sie das Tenderverfahren eingeläutet haben. Machen wir uns nichts vor: Ein Teil der Regierungskoalition will den Verkauf schaffen, die Sozialdemokraten wiederum würden ihn gerne selbst übernehmen. Neue Sicherheitsrisiken sind jedenfalls nicht aufgetaucht. Wenn ihr die Russen nicht wollt, müsst ihr euch schon eine andere Begründung einfallen lassen.“