Schüler entdecken Schicksal ihrer Altersgenossen in der NS-Zeit

Foto: Martina Schneibergová

Wie sah der Unterricht an den Schulen im Protektorat Böhmen und Mähren aus? Diese Frage will eine Ausstellung beantworten, die am Mittwoch an der Karlsuniversität in Prag eröffnet wurde.

Foto: Martina Schneibergová
Historische Fotografien, Schulzeugnisse, Plakate und weitere Dokumente sind im Vestibül der Pädagogischen Fakultät zu sehen. Organisiert wurde die Ausstellung vom Prager Pädagogischen Museum und dem Institut der Theresienstädter Initiative. Die Schau sei der Höhepunkt eines Projektes mit dem Titel „Schüler sein in den Kriegsjahren“, erzählt Magdalena Šustová. Sie arbeitet im Pädagogischen Museum.

„Das Ziel des Projektes war es, die Schülerinnen und Schüler in den Geschichtsunterricht miteinzubeziehen. Sie wurden aufgefordert, mehr über das Leben an ihrer Schule während des Zweiten Weltkriegs herauszufinden. Jedes der Schulteams sollte aufgrund von historischen Quellen, der Schulchroniken oder Erinnerungen von Zeitzeugen ein Szenario für eine Schautafel zusammenstellen. Diese wird im Rahmen der Ausstellung gezeigt. Ich muss zugeben, dass ich sehr angenehm überrascht war, was die Schülerrinnen und Schüler alles bei ihren Forschungen entdeckt haben.“

Magdalena Šustová  (Foto: Martina Schneibergová)
Besonders interessant findet Magdalena Šustová die neuen Erkenntnisse über das Gymnasium in Moravské Budějovice / Mährisch Budwitz. Nach dem Anschluss der Sudetengebiete an Deutschland musste das Gymnasium einen Zustrom von neuen Schülern bewältigen. Zudem habe es unter den Absolventen und Lehrern einige bedeutende Persönlichkeiten gegeben, sagt Magdalena Šustová:

„Einer der Absolventen, Viktor Fried, flüchtete nach Großbritannien und diente während des Zweiten Weltkriegs bei der Royal Air Force. Zwei Lehrer des Gymnasiums wurden nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich hingerichtet. Einer der Schüler wurde im KZ Majdanek ermordet. Die heutigen Schüler stießen bei ihren Forschungen auf einige Persönlichkeiten, deren Schicksal sie bewegte. Wenn sie sich mit der Lebensgeschichte konkreter Menschen bekannt machen, nehmen sie die ,große Geschichte´ völlig anders wahr.“

Schüler aus dem mittelböhmischen Příbram haben sich mit dem Schicksal ihrer Altersgenossen beschäftigt, die vor mehr als 70 Jahren das Gymnasium der Stadt besuchten. Dort spielten sich 1942 Ereignisse ab, die den tschechischen Schriftsteller Jan Drda zu seiner Erzählung „Das höhere Prinzip“ inspiriert haben. Magdalena Šustová:

Die Ausstellung mit dem Titel „Schüler sein in den Kriegsjahren“ ist bis 8. Mai im Vestibül der Pädagogischen Fakultät zu sehen. Die Fakultät befindet sich in der Straße M. Rettigové Nr. 1 im ersten Prager Stadtbezirk. Das Gebäude ist von 8 bis 19 Uhr geöffnet.

„Den Schülern gelang es sogar eine Zeitzeugin zu finden, die ihnen mehr über den Fall aus Příbram erzählte, der sich in der Zeit nach dem Attentat auf Heydrich abspielte. Das Gymnasium besuchte auch Antonín Dvořák, der Enkelsohn des berühmten Komponisten. Die Kinder begegneten bei ihrer Arbeit am Projekt wirklich interessanten Persönlichkeiten.“

Am Projekt waren 15 Schülerteams aus ganz Tschechien beteiligt. Neben den Schautafeln der Schüler, enthält die Ausstellung auch eine historiographische Zusammenfassung der Situation im Bildungswesen während der Okkupation durch Nazi-Deutschland. Es wird unter anderem gezeigt, wie bestimmte Begriffe in den Lehrbüchern geschwärzt wurden, weil sie unpassend waren. Beschrieben wird auch die Schikane der jüdischen Schüler sowie der Roma-Kinder.