„Schwarze Hosen, weiße Leibchen“ – Treffen der Sokol-Turner 1938

Sportreportagen gehörten von Anfang an zum Repertoire des Rundfunks. Sie hatten jedoch eine andere Atmosphäre als heutzutage, wie sich aus den Bandmitschnitten vom Turnfest der Sokol-Bewegung aus dem Jahr 1938 unschwer erkennen lässt.

„Tummeln wir uns!“ - „Tužme se!“
„Heute haben im Sokol-Stadion die Turnvorführungen der Jung-Sokoln begonnen. Das Prager Sokol-Stadiоn, in dem wir uns jetzt befinden, bietet ein grandioses Bild. Auf den Rängen des Stadions haben sich heute sicherlich über 150.000, vielleicht 180.000 Zuschauer eingefunden.“

So heißt es in einer Live-Reportage aus den späten 30er Jahren, also aus der Zeit, in der die Rundfunkübertragungen noch ganz am Anfang standen. Es ist der 26. Juni 1938. Worüber wird da berichtet? Über dаs jährliche Turnfest der tschechischen Turnbewegung namens Sokol – auf Deutsch der Falke. Das Fest wurde im Stadion auf dem Prager Strahov-Gelände abgehalten und war von großer gesellschaftlicher Bedeutung, denn in den Logen saßen auch Prominente der Tschechoslowakei:

„Der Präsident der Republik ist mit seiner Gemahlin vor kurzem erschienen und hat vom Publikum stürmisch akklamiert und in seiner Loge Platz genommen. Soeben sehen wir den Aufmarsch der Jung-Sokoln. Zwei große Säulen sind links und rechts vom Platz aufmarschiert. Soeben erfolgte der Aufmarsch der zwei anderen gewaltigen Säulen in der Mitte des Stadions. Die Säulen beginnen sich zu zerteilen, um zu ihren Standplätzen zu kommen. Die Sokol-Jugend hat rote Höschen an und weiße Leibchen und trägt schwarze Turnschuhe. Die Vorturner haben lange schwarze Hosen und weiße Leibchen und marschieren an der Spitze der einzelnen sich formierenden Züge, die jetzt in der Form eines aufgehenden Seesternes zu ihren Standplätzen ziehen. Das Publikum applaudiert lebhaft, akklamiert die Turner, von großen Lautsprechern wird Marschmusik gespielt“, so der Reporter.

Vorbild für den tschechischen Sokol war die deutsche Turnbewegung. Der erste Turnerbund unter dem Namen Sokol entstand 1862 in Prag. Gegründet wurde er von Miroslav Tyrš und Jindřich Fügner. Später entstanden Sokol-Turnbünde auch in anderen slawischen Ländern. Die Ideale, zu denen sich die Sokoln bekannten, waren körperliche Kraft, Mannhaftigkeit und Liebe zur Freiheit und Heimat. Ja, Heimat spielte bei ihnen eine große Rolle. Der Sokol wurde zu einem wichtigen Teil der tschechischen Nationalbewegung.

Reporter 1: „Jetzt sehen wir eine Sondervorführung der Jungsokoln. Im Stadion sind 48 einzelne Abteilungen aufmarschiert, sie haben sich in zwei großen Kolonnen links auf der gegenüberliegenden Tribünenseite und auf unserer Tribünenseite formiert. Und jetzt laufen immer von unserer Seite einer hinüber mit einer Fahne zur gegenüberliegenden Abteilung, die Fahne bringt er wieder zurück. Es kommt jedenfalls darauf an, glaube ich, welche Abteilung schließlich den Sieg davon trägt. So eine Veranstaltung nennt man…“

Reporter 2: „Es ist eine so genannte Pendelstaffel. Wir haben das seinerzeit im Turnunterricht der Mittelschule ab und zu abgehalten. Erst später, als wir dann vom Turnen zur Leichtathletik übergegangen sind, haben wir gelernt, die Staffel auf Bahnen, also alle in einer Richtung zu laufen.“

Soweit die Reporter vom Prager Stadion. Hinzufügen sollte man aber noch, dass der Turnverband Sokol in Böhmen und Mähren 1941 verboten wurde, nach dem Krieg existierte er nur noch bis 1948, bis zur kommunistischen Machtergreifung. Nach der Wende wurde der Sokol in Tschechien erneuert, doch seine frühere Bedeutung ist hat er nicht mehr wiedererlangt.