Sokol-Turnfest in Prag: 80 Brüder und Schwestern aus Wien mit dabei
„Nazdar! Zdar!“ Öfters als sonst ist dieser Tage dieses tschechische Grußwort in Prag zu hören. Es ist nämlich der traditionelle Gruß von Mitgliedern des Turnvereins Sokol, die sich Anfang Juli zu ihrem großen Turnfest in Prag treffen. Sokol heißt auf Tschechisch Falke. Der Sokol-Verein wurde 1862 gegründet und avancierte bald zu einem tragenden Bestandteil der tschechischen Nationalbewegung. Seine Traditionen werden seitdem nicht nur hierzulande gepflegt, sondern auch von tschechischen Auswanderern im Ausland. Der Höhepunkt für die Brüder und Schwestern des Sokol-Vereins ist alle sechs Jahre der sogenannte „slet“, also das Turnfest. Wörtlich übersetzt ist es der „Zusammenflug der Falken“. Im Hauptprogramm präsentieren die Teilnehmer unterschiedliche Gruppenchoreographien, die sie viele Monate lang trainiert haben.
In Prag erreicht an diesem Donnerstag und Freitag das 17. Turnfest des tschechischen Sokol seinen Höhepunkt. Insgesamt nehmen rund 20.000 Turner daran teil, darunter auch etwa 1500 Menschen aus dem Ausland. Mit dabei ist ebenfalls Stanislav Štěrba aus Wien. Herr Štěrba, wie groß ist die Gruppe, die aus Wien hierhergekommen ist?
„Wir sind mit 70 bis 80 Mitgliedern eingereist, wovon aber nicht alle turnen. Manche schauen sich das Spektakel nur an und unterstützen uns. Zirka 40 bis 50 Turner sind aktiv.“
Ich habe Sie im Stadion im Prager Stadtteil Vršovice erreicht, wo das Programm für heute Abend vorbereitet wird. Womit treten Sie in Prag auf? 50 Menschen sind eine große Gruppe, beteiligen Sie sich an mehreren Choreographien?
„Genau. Wir beteiligen uns an vier Choreographien je nach Altersklasse. Wir sind mit den Senioren und Seniorinnen dabei, das ist eine sehr schöne Komposition, etwas langsamer, da wird eher getanzt. Dann haben wir die sogenannte ‚Rocková symfonie‘, da geht es schneller zu, es sind aber auch Brüder und Schwestern dabei. Dann haben wir noch die Herren selbst, das ist eine imposante Komposition, bei der man gewisse sportliche Fähigkeiten unter Beweis stellt. Und ebenso unsere Kleinsten machen mit, das sind Buben und Mädchen im Alter von sieben bis 17 Jahren.“
Wie lange haben Sie geübt?
„Die Trainings dafür beginnen etwa ein Jahr im Voraus. Wir haben letzten Sommer begonnen und uns wöchentlich für eineinhalb Stunden getroffen, um zu üben. Wir sind dann gemeinsam zum Vor-Slet in Brünn gefahren, wo wir mit dem Sokol Vyškov, der unseren Quadranten ergänzet, zusammengeturnt haben, damit das alles bei der großen Show in Prag bestens klappt.“
Seit wann gibt es eigentlich den Sokol-Verein in Wien?
„Seit 1867. Das heißt, 2017 haben wir 150 Jahre Bestehen gefeiert. Der Sokol Wien ist einer der Vereine, die die tschechische Politik und Historie sehr beeinflusst haben. Als der Sokol in Tschechien verboten war, ob im Nationalsozialismus oder im Kommunismus, haben Vereine im Ausland, unter anderem in Wien, diese Bewegung am Leben gehalten.“
Was bedeutet das für Sie, ein Mitglied des Sokol-Vereins zu sein? Ist es in Ihrer Familie eine Tradition, im Sokol zu sein? Seit wann lebt Ihre Familie in Wien?
„Meine Familie lebt seit 1979 in Wien. Ich bin schon in Wien geboren, meine älteren Geschwister noch in Prag. Und ja, es ist eine Tradition. Zum Beispiel meine Mutter turnt auch mit, eben bei den Seniorinnen, mein Bruder turnt mit, er steht neben mir auf dem Platz, und mein Sohn ist bei den Kindern dabei.“
Wie viele Mitglieder hat der Wiener Sokol-Verein? Was wird dort gemacht? Es gibt nicht nur Turnen, sondern auch etwa Volleyball…
„Genau. Der Sokol Wien umfasst zirka 500 Mitglieder und bietet Volleyball, Floorball, Gymnastik und gesundheitliches Turnen für die Seniorinnen. Natürlich wird auch viel gefeiert, und ansonsten geht es um das Zusammensein. Wir haben auch sogenannte Nichtaktive, also sportlich nicht aktive Mitglieder, die aber ihren Beitrag leisten und bei verschiedensten gesellschaftlichen Zusammenkünften mit dabei sind.“
Die Sokol-Turner sind schon seit dem vergangenen Sonntag in Prag. Wie sieht Ihr Programm hier aus?
„Wir sind sogar seit dem Samstag hier. Wir sind mit dem Zug um 7:10 Uhr aus Wien angereist, weil wir bereits am Samstag unser erstes Training hatten. Am Sonntag war ein Umzug durch Prag, bei dem sich alle stolz präsentieren konnten, an dem alle Teilnehmer des Slet dabei waren. Und am Montag ging es schon los mit den ganzen Proben, mit den ganzen Trainings. Solch eine Masse an Leuten muss erst einmal koordiniert werden. Jeder hat seine Position, jeder muss wissen, wo er hin soll, wann er dort sein soll. Heute ist einer der längsten Tage: Ich habe gerade meine Vormittagsprobe hinter mir, dann haben wir die Generalprobe für das Freitagsprogramm, und heute Abend um 21 Uhr beginnt schon das Hauptprogramm mit der Abendshow. Am Freitag um 14 Uhr gibt es dann die Nachmittagsshow.“
Die Sokol-Feste finden alle sechs Jahre statt. Waren Sie schon einmal dabei?
„Ich bin seit 1986 dabei. Da war der Sokol in Tschechien noch verboten. Und ich war dabei auch beim ersten Slet wieder in Prag nach der Wende, 1994, damals noch im großen Stadion. Und seitdem bin ich wirklich alle sechs Jahre immer brav und natürlich voller Stolz dabei.“