Komenský-Schule in Wien freut sich über weiße Fahne
Die Komenský-Schulen bieten schon seit Jahrzehnten den in Wien lebenden Kindern Unterricht nicht nur in der tschechischen, sondern seit 2004 auch in der slowakischen Sprache. Kurz vor Ende des Schuljahrs fand am dortigen Gymnasium eine Abitur-Feier statt.
Ein sonniger Juni-Vormittag im Garten der slowakischen Botschaftsresidenz in Wien-Hietzing: 22 Abiturienten von der bilingualen Komenský-Schule haben sich gemeinsam mit ihren Familienmitgliedern zur Feier ihrer Matura getroffen, wie das Abitur in Österreich genannt wird.
Nicht nur die Schüler, sondern auch ihre Lehrerinnen und Lehrer hatten einen triftigen Grund zum Feiern – zum ersten Mal seit 2014 haben alle in der Abschluss-Klasse die Reifeprüfung bestanden. Die Schuldirektorin Helena Huber überreichte ihnen die Zeugnisse. Radio Prag International bat sie danach vors Mikrophon:
„Es haben alle die Matura bestanden. Also alle 22 Schülerinnen und Schüler dieser Klasse, so dass wir keine Nachprüfungen haben. Wir konnten die weiße Fahne an das Schulgebäude hängen. Das ist in Österreich eine Tradition.“
Wie hat das diesjährige Abitur ausgesehen? Es fand immerhin in der Corona-Zeit statt. Hat dies die Form der Prüfungen beeinflusst?
„Nur teilweise. In Österreich hat die Matura drei Teile. Der erste Teil ist die vorwissenschaftliche Arbeit. Diese haben die Schüler ganz normal abgeben und präsentieren können. Der zweite Teil sind schriftliche Klausuren in Mathematik, Englisch und Deutsch oder Tschechisch oder Slowakisch. Das einzige, was nicht stattfinden konnte, waren mündliche Prüfungen. Die wurden ausgesetzt, und die Schüler haben die Note von der achten Klasse bekommen.“
Das Leben in der Komenský-Familie
Wie funktioniert die Komenský-Schule? Wir treffen uns hier mit den Abiturienten, aber sie verleben eigentlich ihre ganze Kindheit hier…
„Man kann eigentlich das gesamte Leben in der Komenský-Familie verbringen. Es fängt tatsächlich im Kindergarten an. Die Kinder kommen mit zwei Jahren zu uns und bleiben bis zu sechs Jahre im Kindergarten. Danach sind sie vier Jahre in der Volksschule und dann bestenfalls acht Jahre noch im Gymnasium. Wenn sie achtzehn sind, maturieren sie. Mit dem Abitur endet das aber nicht immer. Ziemlich viele Maturantinnen und Maturanten kommen später nach dem Lehramtsstudium zu uns und unterrichten dann als Lehrkräfte.“
Die Komenský-Schule ist eine bilinguale Schule. Wie spiegelt sich die Zweisprachigkeit im Unterricht wider?
„Dies macht sich nicht nur im Unterricht bemerkbar, sondern auch am Gang, beim Essen, bei Spaziergängen. Es ist eine normale Zweisprachigkeit, die auch bei vielen Kindern zu Hause herrscht, wo ein Elternteil Tschechisch und ein anderer Deutsch sprechen. So ist es auch bei uns in der Schule. Ich muss noch ergänzen, dass wir neben Tschechisch auch Slowakisch lehren. Das sind zwei Möglichkeiten, wie man bei uns den Unterricht absolvieren kann. Die Schülerinnen und Schüler sprechen Tschechisch-Deutsch oder Slowakisch-Deutsch.“
Gilt der Abschluss an der Komenský-Schule auch als Abitur in Tschechien? Gehen einige Absolventen zum Studium nach Tschechien?
„Sie gehen nach Tschechien, sie gehen in die Slowakei, sie gehen nach England, sie gehen in die Vereinigten Staaten – sind also überall in der Welt Da wir Teil der Europäischen Union sind, werden die Urkunden von den anderen EU-Staaten anerkannt.“
Die Schule bietet natürlich vor allem den Unterricht an. Wir haben hier aber auch das Schulorchester gehört, dass die Feier musikalisch begleitet hat. Was kann man an der Komenský-Schule noch machen und erleben?
„Wo soll ich anfangen? Es gibt nicht nur unser Orchester, wir haben auch einen Chor dazu. Das war in der letzten Zeit schwierig, weil Singen verboten war. In der Schule bieten wir diverse weitere Aktivitäten an: Wir haben eine sehr erfolgreiche Theatergruppe oder Sportgruppen mit Volleyball, Floorball und anderen Ballspielen. Es gibt einen Schach-Klub und einen Mal-Kurs. Die Schüler nehmen diese Aktivitäten sehr gerne am Nachmittag wahr, zum Entspannen. Sie sind eine wichtige Ergänzung zum Unterricht.“
Soweit die Direktorin der Komenský-Schule, Helena Huber. Für gute Stimmung bei der Matura-Feier sorgte das Schulorchester unter der Leitung von Johannes Langer:
„Die Besetzung in unserem Orchester wandelt sich ständig, und dafür müssen entsprechende Arrangements gemacht werden.“
„Wir sind ein Gymnasium mit acht Jahrgängen, und von der ersten bis zur achten Klasse gibt es Schüler und Schülerinnen, die hier mitmachen. Sie spielen zum Beispiel Bassinstrumente, den E-Bass, aber auch E-Gitarren, Geigen oder eine Viola. Manchmal spielt jemand Cello, es gibt Klarinetten, Saxophone und diesmal auch ein Fagott. Die Besetzung in unserem Orchester wandelt sich ständig, und dafür müssen entsprechende Arrangements gemacht werden. Unser Repertoire ist gemischt. Wir spielen etwa klassische Stücke: Die Schule wird von vielen Politikern besucht, da gibt es immer offizielle Anlässe, bei denen dieses Orchester spielt. Jetzt treten wir also auf der Matura-Feier auf, unlängst war auch Kardinal Duka in Wien. Da braucht es feierliche Stücke, manchmal hingegen etwas eher Schwungvolles. Wenn wir gemeinsam mit dem Chor auftreten, dann achten wir auf eine Mischung aus Deutsch, Slowakisch, Tschechisch und Englisch. Geprobt wird einmal in der Woche, gespielt wird etwa einmal im Monat.“
Die alljährlichen Abitur-Feiern finden abwechselnd in der tschechischen und in der slowakischen Landesvertretung statt. In diesem Jahr war der slowakische Botschafter der Gastgeber, aber auch die tschechische Gesandte in Österreich, Ivana Červenková, gratulierte den Absolventen. Gegenüber Radio Prag International sagte sie nach der Zeremonie:
„Es freut mich sehr, heute hier zu sein, weil wir ein schwieriges Jahr hinter uns haben. Die tschechische Schule ist für unsere Regierung ziemlich wichtig. Sie hat die finanzielle Unterstützung für die Schule in den nächsten drei Jahren bewilligt. Ich habe heute der Direktorin und dem Vorsitzenden des Vereins die gute Nachricht mitteilen können, dass ich das Geld für die nächste Förderzeit schon bei mir in der Botschaft habe. Zudem ist die Einrichtung ein Teil der sogenannten ‚Schule ohne Grenze‘ geworden, die eine finanzielle Unterstützung vom tschechischen Bildungsministerium bekommt. Wir schätzen sehr, dass wir so eine große Schule in Österreich haben. Das ist nicht selbstverständlich. Ich freue mich, dass alle tschechischen Politiker, die nach Wien kommen, einen Teil des Besuchs auch den Treffen mit der Schulleitung und den Schülern widmen wollen.“
Mit ausgezeichnetem Ergebnis…
Die Hauptrolle spielten bei der Abitur-Feier aber natürlich die Schüler. Mit ausgezeichnetem Ergebnis hat unter anderem Johana Trdlicová abgeschlossen:
„Ich war vom Kindergarten bis zum Gymnasium an der Schule, also 15 Jahre lang. Dies ist eine sehr lange Zeit.“
Kommen Sie aus einer tschechischen oder einer tschechisch-österreichischen Familie?
„Meine Familie ist eigentlich komplett aus Tschechien, aber wir haben uns vor 16 Jahren entschieden, hier zu leben, wegen der Arbeit meines Vaters.Wir fahren oft nach Tschechien. Aber ich wohne hier in Wien schon so lange, dass es auch meine Heimat ist. Also es ist so eine Kombination aus beidem.“
Sie haben gerade das Abitur abgelegt. Wie sah die Prüfung aus? War sie Corona-bedingt anders?
„Sicher war die Prüfung anders. Wir mussten die ganze Zeit FFP2-Masken tragen, auch bei den schriftlichen Tests. Dafür brauchten wir kein mündliches Abitur ablegen. Und wir haben etwas mehr Zeit für die Prüfungen bekommen, weil es auch anstrengend ist, mit Maske sechs Stunden am Computer zu sitzen und eine Arbeit zu schreiben.“
Was muss man alles tun, um das Abitur abzulegen?
„Selbstverständlich muss man lernen. Man sollte auch ein bisschen Selbstbewusstsein in sich und in sein Wissen haben. Außerdem hilft es, gute Freunde und Familie zu haben, die einen beim Abitur unterstützen. Denn es ist sehr anstrengend, eine so umfangreiche Prüfung zu machen.“
Ein Bestandteil der Prüfung ist auch eine wissenschaftliche Arbeit. Sie wurden dafür sogar ausgezeichnet. Worüber haben Sie geschrieben?
„Ich habe über die Produktion von synthetischen Drogen im Dritten Reich geschrieben, also ein sehr unbekanntes Thema. Niemand wusste, dass man im Dritten Reich groß Drogen konsumiert hat. Es war ein langer Prozess der Recherche, also im Internet zu suchen, in der Bibliothek zu sitzen und eigentlich das ganze Jahr über zu arbeiten und Stück für Stück aufzuschreiben.“
Interessieren Sie sich für Geschichte? Oder warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
„Mein Interesse gilt eher der Biologie und Medizin. Mich hat interessiert, wie Drogen unser Gehirn beeinflussen. Darüber habe ich auch ein Unterkapitel geschrieben. Aber selbstverständlich war die Geschichte auch sehr interessant. Deswegen habe ich die beiden Aspekte kombiniert.“
Welche sind Ihre weitern Pläne nach dem Abitur?
„Ich werde ein Bachelor-Studium aufnehmen, und zwar in den Niederlanden, in einer kleinen Stadt namens Tilburg. Es ist ein Fach, das eigentlich nur in den Niederlanden und in England angeboten wird, nämlich kognitive Wissenschaften und künstliche Intelligenz. Eine sehr interessante Kombination.“
Im Namen der ganzen Klasse hat sich Christoph Graninger in einer Rede bei den Lehrern bedankt und von ihnen verabschiedet. Gegenüber Radio Prag International sagte er danach:
„Ich bin vor sechs Jahren durch Zufall an die Komenský-Schule gekommen. Und ich bin sehr zufrieden: Eine Klassengemeinschaft und Lehrer wie diese habe ich noch nie erlebt. Es ist sehr einzigartig, und ich bin froh, dass wird heute trotz der Umstände noch so gebührend feiern können.“
In ‚komenština‘ mischen sich Tschechisch, Slowakisch und Deutsch zusammen
Wie läuft das bilinguale Leben in der Schule ab? Wie wird dort gesprochen und unterrichtet?
„Es ist tatsächlich alles bilingual, denn es gibt bei uns einen eigens formulierten Fachbegriff – die ‚komenština‘. Bei uns mischen sich Tschechisch, Slowakisch und Deutsch zusammen. Dann kommen ganz lustige Gespräche heraus. Im Unterricht wird oft bilingual unterrichtet, teilweise auch nur in Deutsch, teilweise nur in Tschechisch oder Slowakisch. Aber im Schulleben selbst ist es unglaublich bunt vermischt.“
Sie sagen, dass Sie durch Zufall an die Schule gekommen sind. Stammen Sie aus einer tschechischen oder teilweise tschechischen Familie?
„Ich bin hier in Wien geboren, meine Wurzeln liegen aber in Tschechien. Meine Mutter stammt aus Děčín, aus dem Norden. Und als ich aus bestimmten Gründen den Schulwechsel erwog, hat sie mich auf die tschechische Schule in Wien hingewiesen. Als wir sie uns angeschaut haben, waren wir auf den ersten Blick begeistert.“
Was hat Ihnen besonders gefallen an der Schule?
„Wir sind eine relativ kleine Schule mit allen Vorteilen, die das bringt.“
„So ziemlich alles, vor allem die Atmosphäre, die Idylle. Wir sind eine relativ kleine Schule mit allen Vorteilen, die das bringt. Die Klassen sind angenehm, die Lehrer betreuen uns individuell und mit einer Hingabe, die man sonst nirgendwo finden kann. Die Klassen halten gut zusammen. Die Leute sind super, die Lehrer sind wundervoll, die Schulleitung ist immer engagiert. Man kann sich in keiner Hinsicht beschweren.“
Welche Pläne haben Sie jetzt nach dem Abitur?
„Nach der Matura erwartet mich nun das Studium. Ich bin in der wirtschaftlichen Fakultät der Uni Wien angemeldet, für Wirtschaftsrecht und Psychologie. Jetzt habe ich noch die Aufnahmeprüfung vor mir, und ich werde sehen, wie diese ausfallen wird.“
Die 18-Jährigen haben sich gerade von ihrer Alma Mater verabschiedet. Doch die Möglichkeit, weiter in Kontakt zu bleiben, bleibt ihnen erhalten. Seit 2014 besteht nämlich der Alumni-Verein, der die Absolventen vereint. Er wachse langsam und stetig, sagt sein Begründer Michael Egermeier:
„Es kommen immer neue Mitglieder hinzu. Das Ziel des Vereins ist es, den Kontakt mit der Schule zu halten und Teil der tschechischen Community in Wien zu sein. Auf der anderen Seite bieten wir aber auch Abiturienten-Beratungen an oder organisieren Vorträge. Es gibt in jeder Klasse ein paar Absolventen, die Interesse daran haben. Man erreicht natürlich nicht immer alle, aber die Gruppe an regelmäßigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wächst. In der Zeit vor Corona hatten wir bei den Veranstaltungen ein stabiles Publikum. Wir werden sehen, wie es nun weiter geht.“
Soweit eine Einladung für alle, die sich von ihrer Schule nicht ganz trennen wollen. Und was haben den Schülern die Jahre gegeben, die sie an der Komenský–Schule verbracht haben? Johana Trdlicová:
„Sehr viel. Zum einen die Sprachen, also Tschechisch, Deutsch, Englisch, Französisch. Ich bin jetzt vielsprachig. Außerdem habe ich tolle Freunde für das Leben gefunden und eine tolle Gemeinschaft, die man nie verliert. Ich kann immer zurückgehen und werde herzlichst eingeladen. Zudem habe ich super Lehrer kennengelernt und viel Wissen gewonnen.“