Tanzverein Marjánka in Wien: Zusammensein auf Tschechisch und Slowakisch
Das Leben der Tschechen in der österreichischen Hauptstadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Doch der Tanz-, Musik- und Sprachverein Marjánka ist ganz jung.
Marjánka nennt sich eine tschechisch-slowakische Volkstanzgruppe, die 2011 in Wien entstand. Zu Anfang bot man Freizeitaktivitäten für Kinder des Kindergartens und der Volksschule des Schulvereins Komenský. Zwei Mütter standen hinter der Initiative. Martina Canova ist eine von beiden:
„Die Gruppe ist von Frau Apolin und von mir gegründet worden, es war wirklich eine sehr spontane Idee. Zielgruppe waren zuerst die Kinder im Kindergarten. Wir wollten, dass mehr gesungen, mehr getanzt wird, und wir wollten unsere Tradition an die Kinder weitergeben. Zu Anfang war uns nicht klar, wie viele Kinder sich anmelden, ob Interesse besteht oder nicht. Nach einem halben Jahr haben wir gesehen, dass das Interesse groß ist.“
Im Gründungsjahr schrieben sich 16 Kinder für die Marjánka ein, und das Betreuerteam bestand nur aus zwei Personen. In den darauffolgenden Jahren wurde das Interesse immer größer. Selbst Erwachsene kamen dazu. 2019 wurde aus der Volkstanzgruppe der Tanz-, Musik- und Sprachverein Marjánka. Dieser bietet nun Aktivitäten sowohl für Kinder als auch für Erwachsene an. Martina Canova:
„Der Verein hat 26 Mitglieder. Die Kinder können allerdings keine Mitglieder werden, sie nehmen nur ans unseren Tätigkeiten teil. Vor Corona hatten wir 100 aktive Teilnehmer.“
Tradition und Sprache an die Kinder weitergeben
Die Mitglieder der Tanzgruppe sind überwiegend Tschechen und Slowaken. Aber nicht ausschließlich. Es gibt auch solche, die weder tschechische noch slowakische Wurzeln haben. So singt und tanzt genauso das österreichische Ehepaar Buschbacher mit. Gudrun Buschbacher:
„Mein Grund dafür ist, dass ich in dem Verein die Folklore Tschechiens kennenlernen und auch meine Sprachkenntnisse verbessern kann. Ich bin zu dem Verein gekommen, weil meine Tochter mit dem Sohn von Frau Canova in die Klasse geht. Sie hat mich und meinen Mann dafür angeworben, und wir sind seit 2017 dabei.“
Gudrun erzählt auch, wie ihr Interesse für die tschechische Kultur geboren wurde und wieso sie sehr gut Tschechisch spricht:
„Ich würde jetzt nicht behaupten, dass sich sehr gut Tschechisch kann. Dass ich Tschechisch spreche, liegt an meinem grundlegenden Interesse für Sprachen und im Speziellen, dass wir drei Jahre lang an der tschechischen Grenze gewohnt haben und sehr oft hinüber gefahren sind. Irgendwann haben wir dann gesagt: ‚Gut, wir müssen die Sprache lernen, sonst ist es nicht das Richtige.‘ Aus diesem Spracherlernen hat sich eine große Liebe zur tschechischen Kultur, zu Tschechien überhaupt entwickelt, weshalb wir auch beschlossen haben, dass unsere Kinder in die tschechische Schule beziehungsweise schon in den tschechischen Kindergarten gehen sollen.“
Bedauert hat Gudrun Buschbacher ihre Entscheidung nie:
„Keinesfalls. Wir haben immer wieder gefragt, ob unsere Kinder einmal danach fragen werden, wieso wir das gemacht haben. Weil die Kinder sind sozusagen ein Experiment. Meine ältere Tochter, die in diesem Jahr maturiert hat (ihr Abitur gemacht hat, Anm. d. Red.), ist uns sehr dankbar. Das freut mich ziemlich. Sie hat dadurch einen sehr breiten Horizont bekommen, was sie auch selbst so sagt. Sie hat einfach diese Zweisprachigkeit von Beginn an aufgesogen und lebt sie auch.“
Sowohl die Kindergruppe als auch die Ensembles der Erwachsenen und der Junioren treten bei Schulveranstaltungen auf. Ebenso stand man bereits in Tschechien und der Slowakei auf der Bühne, was man künftig gerne fortsetzen würde. Seit 2017 werden die Tänzer von einigen Musikern begleitet. Zudem würden zwei Choreographinnen mit der Tanzgruppe zusammenarbeiten, sagt Ensembleleiterin Martina Canova:
„Beide denken sich alle Choreographien aus. Es ist stilisierte Folklore, nicht so authentisch, wie es sich ein Ethnologe wünschen würde. Aber wir haben Spaß daran.“
Und getanzt wird in speziellen Trachten…
„Da Mitglieder unserer Gruppe aus verschiedensten Ecken Tschechiens und der Slowakei kommen, können wir nicht einfach Trachten aus einer Region nehmen. Deshalb haben wir die Trachten selbst entworfen und nähen lassen. Das sind unsere Marjánka-Trachten, in denen wir auftreten.“
Gudrun Buschbacher beschreibt, wie das Tanzensemble funktioniert:
„Der Pandemie geschuldet war das dieses Jahr natürlich hart, aber normalerweise treffen wir uns einmal in der Woche und haben mit einer tollen Lehrerin Tanzstunden. Wir lernen verschiedene Tänze, mittlerweile singen wir auch. Das ist für mich nach wie vor eine Herausforderung, weil die meisten anderen natürlich diese Lieder kennen und den Text sofort verstehen. Aber gerade diese Mischung ist für mich einfach wunderbar.“
Folklore-Ensemble und Tanzklub
Für die Kinder gebe es ein spezielles Programm, sagt Martina Canova:
„Die Kindergruppe, die ganz Kleinen im Alter zwischen vier und sechs Jahren, macht keine Folklore. Wir reimen, wir singen, wir tanzen, es geht um frühmusikalische Erziehung. Das ist weit weg von wirklichem Tanzen, dennoch werden auch ganz kleine Choreographien geübt und präsentiert.“
Die Ensembleleiterin betont, dass die Marjánka mehr als nur Volksmusik und Volkstanz sei:
„Der Verein ist aufgeteilt in zwei Gruppen. Eine Gruppe ist das Folklore-Ensemble, und die andere Gruppe bietet andere Aktivitäten. Wir haben einige Mitglieder, die kein Interesse an Folklore haben.“
So wurde 2019 auch ein Tanzklub gegründet, in dem Gemeinschaftstänze gepflegt werden:
„Dafür haben sich von Anfang an am meisten die Jugendlichen interessiert, aber auch ältere Mitglieder der Kommunität. Wir haben ein Mitglied, das 84 Jahre alt ist. Dieser Herr liebt das Tanzen, er hat selbst in früheren Jahren professionell getanzt. In der Corona-Zeit hat er unsere Aktivitäten vermisst und ruft ständig an, wann wir wieder anfangen zu tanzen.“
Denn erst allmählich wird jetzt nach dem Corona-Lockdown das Leben wiedererweckt. Gudrun Buschbacher:
„Es gibt tolle Aktivitäten, Ausflüge und eben diese Treffen im Park, bei denen einfach wieder geschaut wird, dass die Verbindungen nach den Lockdown-Zeiten wiederhergestellt werden. Letzten Donnerstag war ein Treffen, es war wieder generationenübergreifend. Und zum ersten Mal gab es wieder einen Tanz auf der grünen Wiese.“
Buschbacher verweist auf einen wichtigen Aspekt, der die Tätigkeit des Vereins sinnvoll macht:
„Wenn man in einem anderen Land wohnt, ist es extrem schwierig, die Muttersprache zu behalten und vor allem sie auch an die Kinder weiterzugeben. Wenn man sich Migrationsbiographien anschaut, dann funktioniert dies vielleicht über eine Generation, aber bei der nächsten Generation wird es schon schwierig. Dazu braucht es eben solche Angebote, die immer wieder eine Möglichkeit bieten, in Gruppen auch die Sprache zu üben und zu sprechen. Wenn man nur in der Familie spricht, ist es schnell weg.“
Und was ist für die Ensemblemitglieder am wichtigsten: die Volksmusik und der Tanz oder eher das Zusammensein?
„Ich würde von meiner Seite sagen: das Zusammensein. Da das Zusammensein aber einen Inhalt braucht, sind das Tanzen und das Singen einfach wunderbar dafür gemacht“, sagt Buschbacher. Und Martina Canova schließt sich an: „Das gleiche gilt für mich.“