Schwarzenberger Schwemmkanal

Der Schnee in den tschechischen Gebirgen hat für dieses Jahr wahrscheinlich schon das seine gesagt. Die Temperaturen um 15 Grad Celsius haben die Schifahrer aus den Bergen vertrieben. Schon am vergangenen Wochenende meldete man aus dem südlichen Böhmerwald, die Wintersaison sei vorbei. Gerade in den Bergen bedeutete aber in der Vergangenheit der beginnende Frühling, wenn der Schnee schmilzt, die Eröffnung einer neuen Saison: man begann das Holz zu schwemmen. Im Böhmerwald können wir bis heute auf die Spuren einer einzigartigen technischen Einrichtung stoßen. Verschiedene Brücken, Gräben, und Tunnels im Walde sind Überreste des sog. Schwarzenberger Schwemmkanals, von dem wir heute sprechen wollen. Gute Unterhaltung wünschen Olaf Barth und Markéta Maurová.

Im Böhmerwald liegt die europäische Wasserscheide. Was bedeutet das? Die Bäche aus den nördlichen Hängen münden in Flüsschen, diese in größere Flüsse, diese in die Moldau, die Moldau in die Elbe und das Böhmerwälder Wasser ergießt sich am Ende in die Nordsee. Die Bächlein, die auf der südlichen Seite des Böhmerwaldes entspringen, fließen wiederum gen Süden, und mit der Donau in das Schwarze Meer. Die Idee, die Moldau und die Donau, und dadurch auch zwei verschiedene Meere zu verbinden, entstand schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Zeit von Kaiser Karl IV. Ein wirtschaftlich so notwendiger Wasserweg würde aus den böhmischen Ländern einen bedeutenden Verkehrsknotenpunkt machen, nicht nur auf den Land-, sondern auch auf den Wasserwegen.

Zur Verwirklichung dieser mutigen Idee kam es aber erst am Ende des 18. Jahrhunderts.

Damals herrschte im Inland ein Mangel an Holz und sein Preis stieg immer mehr. In den südböhmischen Grenzgebieten blieben riesige Waldflächen noch ungenutzt, da dort keine Wege hinführten. Wegen der Holzbeförderung wurde der Schwarzenberger Schwemmkanal erbaut, einer der merkwürdigsten Wasserbauten seiner Zeit. Der neue Wasserweg ermöglichte das Schwemmen des Holzes aus dem Böhmerwald und seine Beförderung zum Absatzplatz in Wien.

Den Entwurf des Schwemmkanals erarbeitete Ingenieur Josef Rosenauer, Angestellter der Obrigkeitsverwaltung der Schwarzenbergischen Herrschaft mit Sitz in Ceský Krumlov (Böhmisch Krumau), aus. Dieser Baumeister legte im Jahre 1775 seinen Bauplan für einen Wasserweg vor, durch den Scheitholz aus den Waldbeständen um Sv. Tomás, Zelnava und Stozec hinunter geschwemmt werden konnte. Er erweckte Bewunderung, aber auch Entsetzen. Im Jahre 1779 billigte der damalige Besitzer der Herrschaft, Johann von Schwarzenberg, den Entwurf, aber mit der Arbeit begann man erst zehn Jahre später, im Jahre 1789.

Damals endete das kaiserliche Patent für das Passauer Bistum und das damit erteilte Vorrecht für das Holzschwemmen auf dem Fluss Mühl, der in die Donau mündet und ein notwendiger Bestandteil der Pläne zur Beförderung des Holzes vom Böhmerwald nach Wien war. Das Recht des Holzschwemmens wurde dem Fürst zu Schwarzenberg neu erteilt. Der Bau des Schwarzenberger Schwemmkanals ging sehr schnell voran. Innerhalb des ersten Jahres wurde eine beinahe 30 km lange Strecke erbaut, nämlich vom Zwettelbach bis zum Hefenkriegbach (Bach Rasovka), der nahe der Gemeinde Hory in die Moldau mündet. Im Jahre 1791 wurde der Kanal bis zum Bach Jezerní potok gebaut, der aus Plesné jezero (Plöckensteinsee) herausfließt. Dieser See wurde zu einem bedeutenden Wasserreservoir für den Bedarf des Holzschwemmens. Im Jahre 1793 wurde das Kanalbett bis zum Bach Jelení potok an der Gemeinde Jelení Vrchy verlängert. Damit wurde der ganze erste Teil des Kanals, später "alter Kanal" genannt, in der Gesamtlänge von fast 40 km fertiggestellt. An der Stelle des Zusammenflusses des Seebaches mit dem neu erbauten Bett des Schwemmkanals ließ Rosenauer ein Granitdenkmal und eine Kapelle als Dank für das gut gelungene Werk erbauen.

Im Jahre 1791 wurde ein kontinuierliches Holzschwemmen über die ganze Länge des Kanals durchgeführt. Das verarbeitete Holz wurde am Ende des Sommers übernommen, da es bis zum Beginn des Schwemmens gut trocknen musste. Zum Schwemmen wurden nur hochqualitative, gesunde und gerade Scheite mit einer Länge von zweieinhalb bis drei Fuß ausgesucht. Angefaultes Holz oder Zweige wurden nicht geschwemmt. Die Scheite mussten vorerst von den hohen Hügeln bis zum Kanalufer transportiert werden. Da noch keine festen Verkehrswege gebaut waren, führte man das vorbereitete Scheitholz aus den Hügeln mit Hilfe der Handrodel hinunter. Mit dem eigentlichen Schwemmen begann man erst im Frühjahr, meistens Ende März oder Anfang April, wenn der schmelzende Schnee die Zuflüsse des Kanals mit genug Wasser füllte.


Das Holz sollte gleichmäßig in den Kanal geworfen werden, damit es zu keinem Rückstau kommt. Die Kapazität des Kanals, der am Boden 1,5-2 Meter und an der oberen Kante 3,5-4 Meter maß, musste genau eingehalten werden. Bei einem guten Betrieb konnten täglich 900-1000 Klafter Holz geschwemmt werden. Aufsicht über einen guten Verlauf des Schwemmens hielten etwa 200 Menschen entlang des Kanals, welche die gestauten Scheite sowie auch andere Hindernisse aus dem Kanalbett beseitigten. Das Schwemmen wurde beendet, wenn entweder das ganze vorbereitete Holz durch den Kanal geflossen war oder wenn Wassermangel herrschte. Im letztgenannten Fall mussten dann die Schwemmarbeiten unterbrochen werden, und man wartete auf ausgiebige Regenfälle.

Der Anstieg der Waldnutzung nach der Eröffnung des Schwemmkanals brachte in den oberen Böhmerwald-Revieren auch einen erhöhten Bedarf an Arbeitskräften mit sich. Aus diesem Grund kamen Waldarbeiter hierher, vor allem Holzfäller mit ihren Familien und gründeten hier mit der Bewilligung der Obrigkeit neue Holzarbeitergemeinden. Gerade in dieser Zeit entstanden die Dörfer Huský Dvur, Nová Pec, Jelení Vrchy, Stozec, Nové Údolí und weitere, mit der typischen Architektur der Berghäuser aus Holz.

Der gute Absatz des Holzes sowie sein immer steigender Verbrauch führten zu der Idee, den Kanal dem ursprünglichen Projekt entsprechend zu beenden und somit weitere Teile der Wälder zur Waldnutzung zugänglich zu machen. Der zweite Teil des Kanals von Jelení potok zur bayrischen Grenze unterhalb von Trístolicník, einschließlich des 419 Meter langen Tunnels oberhalb von Jelení wurde in den Jahren 1821 - 1822 gebaut. Die erste Schwemmung durch den "neuen Kanal" verwirklichte sich im Jahre 1824. Die Gesamtlänge des Wasserweges nach der Verbindung beider Kanalteile, erreichte von der Mündung des Flusses Mühl in die Donau bis zum Bach Svetlá (Zwettelbach) insgesamt 89,7 km. Der Kanal wurde mit Wasser aus 21 Bächen gespeist. Das ganze ausgedehnte Werk wurde von 87 Brücken, 80 Wasserdurchlässen, 78 Wassergräben und 22 Schleusen ergänzt.


In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Nutzung des Brennholzes immer mehr durch die Kohle ersetzt und damit sank auch der Bedarf an der Förderung des Scheitholzes. Gleichzeitig stieg aber die Nachfrage nach langem Stammholz an. Zum Schwemmen von langem Holz war der Schwarzenberger Kanal nicht geeignet, und darum suchte man für die Beförderung eine andere Art und auch neue Absatzmärkte. Ein Teil des Kanals zwischen dem Hefenkriegbach (Rasovka) und dem Bach Lichtwasser an der bayrischen Grenze wurde im Jahre 1887 zum Schwemmen ganzer Stämme umgebaut. In dieser 22 km langen Strecke wurden die Kurven so umgestaltet, dass Stämme bis zu einer Länge von 20 Meter durchgeschwemmt werden konnten.

Nur ein kleiner Teil des Kanalbettes wurde noch im 20. Jahrhundert genutzt. Die Eisenbahn besiegte schrittweise den Wasserweg. Im Jahre 1916 wurde an der ganzen Länge des Kanals das letzte Mal geschwemmt. Durch die Zelnava-Glitsche wurde noch bis zum Jahr 1962 Holz geschwemmt. Dann wurde der Schwemmbetrieb endgültig eingestellt. Seit dem Jahre 1963 wird der Schwarzenberger Schwemmkanal auf der Liste der Kulturdenkmäler von technischer Bedeutung geführt. In den letzten Jahren zeigen sich immer öfter Versuche zur Rettung mindestens eines Teiles dieses einzigartigen Werkes für die kommenden Generationen.

Alles, wovon wir heute erzählt haben, war ein Werk des südböhmischen Ingenieurs Josef Reisenauer. Diesem Baumeister wollen wir auch die nächste Sendung widmen, in der wir seinen Geburtsort besuchen. In Chvalsiny-Kalsching entsteht dieser Tage ein Museum, von dem wir nächstes Mal sprechen werden. Und nun noch die versprochene Verlosung. Richtige Antworten auf unsere letzte Quizfrage - nämlich, dass für die Volksarchitektur in Nordmähren die sogenannten Holzkirchen charakteristisch sind, schickten uns u.a. folgende Hörer:


Peter Vaegler aus Altenpleen

Bernd Woitunik aus Leisnig

Franz Walter aus Pößneck

Sie erhalten von uns einen Radioempfänger, einen Bildband und eine Reisetasche. Damit sind wir heute aber noch nicht am Ende angelangt. Das ganze Jahr über haben wir Ihnen in der folkloristischen Serie Fragen gestellt und auf Ihre Antworten gewartet. Unter denen, die uns fleißig zuhörten und 12 richtige Antworten schickten war auch der folgende Hörer, der von uns einen Discman erhält. Also der Gewinner ist:

Matthias Herold aus Waldkirch

Autor: Olaf Barth
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