Siegesfeier zum Kriegsende: Zemans Zusage an Moskau spaltet Regierung
Anfang Mai wird in Moskau mit einer großen Militärparade an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren gedacht. Der Kreml hat zu dem feierlichen Gedenken praktisch an die ganze Welt Einladungen geschickt. Zugesagt haben zum Beispiel die Vertreter aus China und Nordkorea, aber auch der tschechische Staatspräsident. Trotz Kritik aus der Opposition hat Premier Sobotka Mitte vergangener Woche noch die Reise Zemans unterstützt, doch mittlerweile geht ein Riss durch die Regierungskoalition.
Anders als Merkel will aber der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman auch bei der Militärparade zugegen sein. Das hat vor einer Woche die Opposition auf den Plan gebracht. Die ehemalige Abgeordnetenhauschefin Miroslava Němcová von der demokratischen Bürgerpartei äußerte Kritik an Zemans Moskau-Reise und dem Vorschlag der Regierung, diese aus der Staatskasse zu bezahlen:
„Laut den bisherigen Informationen soll der Feier nur der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un beiwohnen, keiner der europäischen Staatsmänner hat bisher seine Teilnahme bestätigt. Ich denke, es ist notwendig, dass die Regierung noch einmal überdenkt, ob es der Tschechischen Republik dient, wenn der Staatspräsident zu dieser Feier fährt.“Beim Staatspräsidenten selbst fand die Politikerin jedoch überhaupt kein Verständnis. Zemans Sprecher Jiří Ovčáček entgegnete ziemlich scharf:
„Frau Němcová vermengt aktuelle Ereignisse und das Gedenken an die Gefallenen, die sich um die Befreiung der Tschechoslowakei verdient gemacht haben. Ich finde das absolut unangebracht.“
Gefallene können nichts für Putins Politik
Mittwoch vergangener Woche trafen sich dann Zeman und Premier Bohuslav Sobotka unter vier Augen. Man sprach über außenpolitische Themen, darunter auch die Teilnahme an der Siegesparade in Moskau. Als Sobotka danach vor die Kameras trat, bekundete der Sozialdemokrat im Namen der gesamten Regierung seine Zustimmung zu den Moskauer Plänen des Staatspräsidenten.„Das Gedenken in Moskau ähnelt dem 70-jährigen Jahrestag der Landung der Alliierten im vergangenen Jahr. Damals kamen die Staatslenker aus den Ländern der Europäischen Union und der Nato mit Putin zusammen. So wird es auch bei der Feier des Kriegsendes in Moskau sein. Ich denke, dass die mehr als 100.000 russischen Soldaten, die bei der Befreiung der damaligen Tschechoslowakei ihr Leben lassen mussten, nichts für die Politik von Putin können. Und die Teilnahme von Präsident Zeman an der Siegesfeier ändert nichts an der Politik meiner Regierung in Hinsicht auf die Krise in der Ukraine. Wir werden weiter gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedern handeln und auf die Einhaltung der Minsker Verträge drängen. Und auf diese Weise verhalten wir uns auch gegenüber den Sanktionen gegen Russland. Weder ich als Premier noch die Regierung wird die Teilnahme von Präsident Zeman bei dieser konkreten Feier problematisieren, und das auch, weil ein großer Teil der Tschechoslowakei von den Soldaten der damaligen Sowjetarmee befreit wurde“, so Sobotka.
Damit schien Mitte vergangener Woche die Sache eigentlich klar. Doch die Stimmung ist mittlerweile umgeschlagen. Für weitere Regierungsmitglieder ist es durchaus ein Problem, dass Zeman auch beim Defilee auf dem Roten Platz zugegen sein will. Denn tatsächlich haben westliche Politiker bisher nicht vor, nach Moskau zu fahren, obwohl sie vergangenes Jahr beim Gedenken in der Normandie waren. Nicht nur Merkel, sondern auch der amerikanische Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatschef François Hollande und der britische Premierminister David Cameron haben Putin abgesagt. Nur die Staats- oder Regierungsvertreter jener EU-Länder, die Russland traditionell nahe stehen wie Zypern oder Griechenland, wollen die Einladung aus dem Kreml annehmen. In der tschechischen Regierungskoalition sind es gerade die Christdemokraten, die sich in der Tradition von Ex-Präsident Václav Havel sehen – dieser hatte in der Außenpolitik immer auch die Frage der Menschenrechte im Blick. Pavel Bělobrádek, christdemokratischer Vorsitzender und Vizepremier:„In der Situation, da Russland internationales Recht bricht, halten wir es nicht für angemessen, dass unser Staatsoberhaupt an der Seite von Vertretern Nordkoreas und Chinas an der Militärparade teilnimmt. Allerdings finden wir es wichtig, dass der Gefallenen gedacht wird, die aus Russland, der Ukraine und Weißrussland stammen sowie aus weiteren Ländern und von weiteren Völkern, deren Soldaten sich an der Befreiung unserer Heimat beteiligt haben.“
Der landesweite Parteiausschuss der Christdemokraten rief am Freitag Zeman auf, seinen Besuch der Siegesparade zu überdenken, was dieser umgehend erneut ablehnte.
Außenminister Zaorálek widerspricht Premier
Doch auch beim zweitgrößten Koalitionspartner, der Partei Ano, und sogar in Sobotkas eigener Partei, den Sozialdemokraten, regt sich Widerstand. Kein Geringerer als Außenminister Lubomír Zaorálek wandte sich am Donnerstag bereits gegen Zeman – und zwar in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung. Dort sagte er wortwörtlich zu Zemans Moskauer Reiseplänen:„Unser Präsident begründet seine Teilnahme damit, dass er den Toten und den Soldaten verpflichtet ist. Ich würde einen anderen Weg der Würdigung suchen. Einer russischen Waffenschau würde ich nicht assistieren wollen.“
Immer mehr zeigt sich, dass Premier Sobotkas Mitstreiter einen großen Unterschied sehen zwischen den Aufmärschen, mit denen an die Landung der Alliierten im Juni 1944 erinnert wurde, und Russlands alljährlicher Demonstration militärischer Macht anlässlich des Kriegsendes am 9. Mai 1945.
Am Sonntag wurde dazu auch Verteidigungsminister Martin Stropnický. In einer Talkshow im Privatsender Prima schlug er Zeman vor, eine Lösung wie Merkel zu wählen.
„Über den zweiten Tag der Feiern in Moskau muss man nicht streiten. Die Gefallenen sollte man zum 70. Jahrestag ehren, auch wenn die politische Situation noch so unselig ist. Aber der Militärparade zu assistieren, halte ich für keine glückliche Entscheidung“, so der der Politiker der Partei Ano.Dass sich Miloš Zeman von der Kritik beirren lässt, ist kaum zu erwarten. Angesichts der negativen Reaktionen stellt sich aber die Frage, ob die Regierung tatsächlich die Kosten übernimmt für die Moskau-Reise des Präsidenten.