„Singende Linde“ zum Baum des Jahres in Tschechien gewählt

„Singende Linde“

Im Dorf Telecí, auf halbem Wege zwischen Hradec Králové / Königgrätz und Brno / Brünn, steht eine 700 Jahre alte Sommerlinde. Die Legende besagt, dass das stattliche Gehölz singen kann. Nun ist es zum tschechischen Baum des Jahres gewählt worden.

„Singende Linde“,  1925 | Foto: Wikimedia Commons,  public domain

Im vergangenen Jahr war es ein Apfelbaum ganz im Norden Tschechiens an der Grenze zu Polen. Dieses Mal ist der Baum des Jahres in der Landesmitte zu finden – in dem nicht einmal 400 Einwohner zählenden Dorf Telecí nämlich. Schon zum 20. Mal hat die Stiftung „Partnerschaft“ ihre landesweite Ausschreibung durchgeführt. Silvie Zeinerová Sanža ist die Koordinatorin des Wettbewerbs. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte sie, dass neben der Schönheit und Erhabenheit des Baumes die Teilnehmer vor allem von seiner langen Geschichte begeistert waren:

„Diese Linde zieht schon seit Jahrhunderten die Aufmerksamkeit auf sich. Unter ihr saßen bereits die Schriftsteller Alois Jirásek und Teréza Nováková sowie der Komponist Bohuslav Martinů. Zum Sieg hat ihr aber auch die unglaubliche Energie des Nominierungsteams verholfen, die sich auf die Menschen in einem breiten Umfeld dieses Baums übertragen hat. Dort wurden viele Veranstaltungen durchgeführt und dadurch eine große Unterstützung gewonnen.“

„Singende Linde“ | Foto: Lucie Mojžíšová,  Partnership Foundation

Seit Jahrhunderten sprechen die Anwohner von dem Baum als „singende Linde“. Zeinerová Sanža erklärt, warum:

„Der Name ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte, dank derer der Baum ins Finale gewählt worden ist. Sie besagt, dass am Ende des 17. Jahrhunderts der Dorfverwalter sich immer im Bauminneren versteckt und verbotene Psalmen verschriftlicht hat. Er sang sie auch, und dies sehr laut, weil er so gut wie taub war. Dies klang von außen dann so, als ob der Baum singen würde.“

„Singende Linde“ | Foto: Lucie Mojžíšová,  Partnership Foundation

Wie es aber mit Legenden so ist, existiert eine weitere Variante zur Erklärung der Namensherkunft. Diese ginge bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück, sagt David Kopecký, der bei der Stiftung für die Medienarbeit zuständig ist:

„Zu Zeiten der Hussiten versteckten sich Mitglieder der Bruderschaften im Bauminneren und sangen Psalme und biblische Texte. Die Leute erzählten sich daraufhin, dass die Linde singen könne.“

„Singende Linde“ | Foto: Lucie Mojžíšová,  Partnership Foundation
„Singende Linde“ | Foto: Lucie Mojžíšová,  Partnership Foundation

Die Sommerlinde in Telecí ist einer der mächtigsten Bäume Tschechiens. Ihr Stamm misst ganze zwölf Meter im Umfang. Mit dem alljährlichen Wettbewerb will die Stiftung „Partnerschaft“ die Menschen motivieren, sich um den Baumbestand in ihrer Umgebung zu kümmern. Fast 2700 Teilnehmer hätten in diesem Jahr die „singende Linde“ unterstützt, so die Koordinatorin:

„Zunächst wählt eine Expertenjury zwölf Finalisten aus. Dann liegt es allein in den Händen der teilnehmenden Bevölkerung. Von überall her kann durch eine Spende per DMS oder online abgestimmt werden. Dadurch tragen die Menschen auch zur Pflege und Neupflanzung von Bäumen bei.“

„Singende Linde“ | Foto: Milan Kosina,  Tschechischer Rundfunk

So kamen insgesamt etwa 250.000 Kronen (9850 Euro) zusammen. Das Geld fließt in einen geschlossenen Fonds, der den Finalisten des Wettbewerbs zugutekommt sowie den sogenannten „Helden-Bäumen“:

„Dies sind Bäume, die unmittelbar bedroht sind durch ihren schwachen Zustand oder auch durch Außeneinwirkungen von Menschen. Für diese können die Gelder beantragt werden, um entweder weitere Bäume anzupflanzen oder die bedrohten professionell zu behandeln.“

Auch der „singenden Linde“ von Telecí werden sich dank der Wahl nun Experten widmen. Die Abstimmung für den Baum des Jahres 2022 läuft bereits seit vergangener Woche.

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Autoren: Daniela Honigmann , Petr Tichý
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