Sozialdemokraten gehen mit großen Versprechungen in den Wahlkampf
Nur knapp vier Monate verbleiben bis zu den Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus, die Mitte Juni stattfinden werden. Bisher fehlt es noch an begeisternden Wahlreden oder an klar formulierten Wahlprogrammen. Doch die regierenden Sozialdemokraten haben längst ein anderes probates Mittel auf ihren Schild gehoben: Wahlversprechen in Hülle und Fülle. Diese sollen insbesondere aus dem Staatssäckel finanziert werden, welches derzeit aber alles andere als prall gefüllt ist. Um welche Versprechungen es sich dabei handelt, dazu Näheres von Lothar Martin.
Zunächst 15 Milliarden Kronen für den Kreis Ústí nad Labem/Aussig zur Überwindung der hier durch den Kohleabbau verursachten Schäden, danach zehn Milliarden Kronen für den Kreis Hradec Králové/Königgrätz zum weiteren Ausbau der Autobahn Prag - Hradec Králové und schließlich 23 Milliarden Kronen für die mährische Region um die Schuhstadt Zlín, ebenfalls für den Autobahnbau. Das ist die Bilanz des sozialdemokratischen Kabinetts von seinen ersten drei in diesem Jahr außerhalb Prags durchgeführten Sitzungen, denen noch neun weitere folgen sollen. Und diese natürlich, so befürchtet die Opposition, mit weiteren Versprechungen an die entsprechende Region durch eine mit dem Füllhorn durch die Lande reisende Regierung. Wenn die Prager Regierung dieses eingeschlagene Tempo beibehält, so wird geunkt, dann wird sie bis zu den Wahlen regionale Versprechungen in Höhe von rund 200 Milliarden Kronen (ca. 6,3 Milliarden Euro) gemacht haben. Versprechungen über Gelder, die gar nicht vorhanden sind, kritisiert die Opposition.
Aber damit nicht genug. Erst jüngst hat das Unterhaus des Parlaments mit den Stimmen der Sozial- und Christdemokraten sowie der Kommunisten einen Regierungsentwurf verabschiedet, der vorsieht, ab Oktober 2003 wieder für alle Kinder des Landes, unabhängig vom Einkommen der Eltern, ein monatliches Kindergeld zu zahlen. Ein Gesetzentwurf, der die Staatskasse mit weiteren vier Milliarden Kronen belastet. Ab dem 15. April wird der staatliche Wohnungsfonds jungen Leuten bis zu 36 Jahren zudem zinsgünstige Kredite zum Erwerb einer Wohnung bis 80 m2 Grundfläche oder eines Häuschens bis 120 m2 Grundfläche gewähren. Und auch an die alten Menschen sei gedacht, so die Sozialdemokraten, die ihren Vorstellungen nach Rentnern ab dem 70. Lebensjahr kostenlos Medikamente zukommen lassen sowie den jährlichen Anstieg der Renten um mindestens zwei Prozent sicherstellen wollen.
Neuestes Glied in der Kette der sozialdemokratischen "Wahlgeschenke" ist ein Vorschlag von Verkehrsminister Jaromír Schling zum Abbau der hohen Anzahl an veralteten Fahrzeugen, die in Tschechien verkehren. Eine Umsetzung dieses Vorschlags ließe vor allem die Besitzer alter Autos sowie die Produzenten neuer, preiswerter PKW jubeln. Der Idee von Minister Schling zufolge sollen nämlich vom Staat bis zu 90. 000 Kronen ausgezahlt werden an Fahrzeughalter, die ihren über 15 Jahre alten Wagen verschrotten lassen und sich dafür einen Neuwagen in einem Preissegment von bis zu 250.000 Kronen kaufen wollen. In Tschechien sind mehr als ein Drittel aller registrierten Fahrzeuge älter als 15 Jahre, und zwar über 1,2 Millionen. Wenn dieser Vorschlag greifen sollte und alle entsprechenden Fahrzeughalter von ihm Gebrauch machen würden, käme auf den Staatshaushalt eine weitere Belastung von 112 Milliarden Kronen zu.
"Eine irrsinnige Idee aus der Kategorie der Wahlkampftricks," reagierte der oppositionelle Ex-Verkehrsminister Martin Ríman von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) auf diesen Vorschlag. Der Direktor der hiesigen Vereinigung der Automobilindustrie (SAP), Ing. Antonín Sípek, wiederum sieht in diesem Vorschlag nichts außergewöhnliches: "Fakt ist, und da geben Sie mir sicher recht, in einer Reihe von westlichen Ländern hat man auch, als man die neuen Emissionsnormen einführte, staatliche Zuschüsse zum Kauf neuer, umweltschonender Fahrzeuge gewährt. Also die Idee, in westlichen Ländern in ähnlicher Form praktiziert, ist nichts unbedingt Neues."
Dennoch bleibt die Frage nach der Finanzierung eines solchen Vorhabens. Minister Schling sieht dessen Umsetzung erst für den Zeitraum nach den Wahlen als realistisch an, da es im Entwurf für das Haushaltsjahr 2003 berücksichtigt werden müsste. Zudem sollte nicht der gesamte Zuschuss vom Staat, sondern ein Teil auch von Versicherungen und Leasingfirmen getragen werden, so der Minister. SAP-Direktor Antonín Sípek wiederum entgegnete: "Schwerlich werden die Fahrzeughersteller oder die Autoimporteure selbst einen Zuschuss gewähren. Es müsste sich in der Tat um einen staatlichen Zuschuss handeln. Ich aber würde den staatlichen Zuschuss jedoch nicht für vordergründig im Bereich der privaten PKW ansehen, sondern vielmehr im Bereich der Autobusse, wo die Situation des technischen Zustands im bestehenden Fahrzeugpark noch wesentlich schlechter ist."