Sportfestival-Chef Kumpošt: Neue Konzepte müssen Jugend wieder mehr zum Sport bewegen

Roman Kumpošt mit dem Kreishauptmann Stanislav Eichler (Foto: EYOWF 2011)

Im nordböhmischen Liberec / Reichenberg ist am vergangenen Freitag das European Youth Olympic Winter Festival (EYOWF) zu Ende gegangen. In acht Sportarten und insgesamt 28 Disziplinen waren 936 junge Sportler aus 44 Ländern am Start. Neben dem Kampf um Medaillen und Platzierungen wollten sie vor allem das olympische Fluidum genießen, sozusagen als Ansporn für ihre weitere Entwicklung zum internationalen Top-Sportler. Organisatorisch haben die Gastgeber das Festival brillant gemeistert, sportlich aber ist Tschechien hinter den Erwartungen geblieben.

Eishockeyfinal des European Youth Olympic Winter Festivals  (Foto: ČTK)
Erinnern Sie sich? Vor zwei Jahren fand in Liberec die Nordische Ski-WM statt, bei deren Ausrichtung sich die tschechischen Organisatoren nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Im Vorfeld der WM wurde häufig der Schneemangel an den im relativ flachen Land gebauten Wettkampfstätten beklagt, nach der WM förderte der Kassensturz ein dickes Defizit zu Tage. Deshalb sprach der Präsident des Tschechischen Olympischen Komitees (ČOV), Milan Jirásek, vor Beginn des Sportfestivals auch diese Hoffnung aus:



„Ich denke, das Festival wird für Liberec ein Festtag sein. Es gibt der Stadt zudem die Möglichkeit, sich als Veranstalter eines großen Sportevents zu rehabilitieren. Und ich hoffe, dass das die Einwohner von Liberec und Umgebung genauso sehen.“

Um es vorweg zu nehmen, die Hoffnung von ČOV-Präsident Jirásek hat sich voll und ganz erfüllt. Zum Abschluss des Sportfestivals erklärte der Präsident des Verbandes der Europäischen Olympischen Komitees (EOC), Patrick Hickey, dass die Organisation der gesamten Veranstaltung vorbildlich gewesen sei. Alle Wettkämpfe, die er besucht habe, seien reibungslos und in einer tollen Atmosphäre verlaufen, ergänzte Hickey. Dank dieser Einschätzung steigen nun gewiss auch die Chancen für die mährische Messestadt Brno / Brünn, um vielleicht schon im Jahr 2017 das olympische Sommersportfestival der europäischen Jugend auszutragen.

Petr Coufal  (Foto: ČTK)
Wie aber sieht es rein sportlich aus? Haben sich in Liberec auch mehrere tschechische Olympiahoffnungen von morgen empfehlen können? Wohl eher nicht. Die tschechische Jugend-Vertretung hat zwei Goldmedaillen gewonnen – durch den Eiskunstläufer Petr Coufal und die Snowboard-Fahrerin Ester Ledecká. Hinter diesen beiden Siegertypen aber klafft ein großes Loch, und keiner der anderen 96 Teilnehmer aus Tschechien sprang noch auf das Podest. Ein Resultat, das bereits erahnen lässt: Im tschechischen Leistungssport mangelt es großen Talenten. Warum das so ist, darüber hat Radio Prag mit dem langjährigen Funktionär des tschechischen Ski-Verbandes und Organisationschef des Wintersportfestivals, Roman Kumpošt gesprochen.

Roman Kumpošt
Herr Kumpošt, Sie haben vor dem Festival gesagt, dass Sie vor allem junge Leute in die Vorbereitung dieses Events einbinden wollten. Ist Ihnen das gelungen?

„Ich denke schon. Wir sind sehr froh darüber, dass viele junge Leute in unserem Organisationsteam und auch als Volontäre an der Vorbereitung mitgewirkt haben. Mich hat vor allem das Interesse von Studenten an der Arbeit eines Volontärs gefreut. Das motiviert mich, daran mitzuarbeiten, zukünftig wieder mehr junge Leute für den Sport zu gewinnen. Jetzt sitzen die meisten noch häufig vor dem Computer.“

Foto: EYOWF 2011
Wie sieht es konkret im Wintersport aus? Ist das Interesse der Jugendlichen, sich dem Leistungssport zu verschreiben, zurückgegangen?

„Ich denke, dazu reicht nicht nur ein solches Sportfestival. Um junge Leute für den Sport zu begeistern, müssen noch weitere Schritte unternommen und noch mehr Sportwettbewerbe durchgeführt werden. Ihr Interesse am Sport ist in der Tat zurückgegangen, denn das Spektrum ihrer Freizeitangebote wächst ständig. Das macht sich auch bei unseren Nachwuchstalenten bemerkbar. Wir sehen das zum Beispiel bei internationalen Junioren-Wettkämpfen, bei denen die Ergebnisse unserer Athleten nicht mehr so gut sind wie noch vor fünf bis zehn Jahren. Es ist daher notwendig, dass alle verantwortlichen Funktionäre und Trainer in den Sportverbänden, der Nachwuchsarbeit noch mehr Aufmerksamkeit widmen.“

Foto: EYOWF 2011
Woran liegt es, dass das Interesse am Leistungssport nachgelassen hat? Liegt es nur am erweiterten Freizeitangebot für die Jugendlichen oder hat es auch damit zu tun, dass immer weniger die Anstrengungen und Entbehrungen, die damit verbunden sind, auf sich nehmen wollen?

„Selbstverständlich steht der Sport in Konkurrenz zu anderen Interessensgebieten und er verlangt einem alles ab. Ein Sportler muss hart arbeiten, denn für ihn gibt es nur eine klare Regel: Wer nichts tut, der wird auch keine guten Resultate haben. Ich finde aber, dass das auch ein großer Erziehungsfaktor für junge Leute ist, an dem sie arbeiten sollten.“

Gibt es Sportarten, wo es schon kritisch aussieht, weil sie vielleicht in Tschechien von fast niemandem mehr ernsthaft betrieben werden?

„Es ist schwer zu sagen, ob eine Sportart die Jugend mehr oder weniger interessiert. Man muss vielmehr festhalten, dass das ein generelles Problem ist.“

Wie sehen Sie diese Problematik zum Beispiel im Eisschnelllauf. Hier ist Martina Sáblíková fast über Nacht zum internationalen Superstar aufgestiegen. Motiviert es die jungen Leute nicht, ihr nachzueifern?

„Sobald es ein solches Idol in einer Sportart gibt, dann zieht es verstärkt junge Leute zu diesem Sport. Deswegen ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir solche Idole auch immer wieder präsentieren können. Denn gerade ihre Leistungen, ihre Erfolge und ihre mediale Präsenz werden junge Leute auch zum Sport locken. Die Vorbildwirkung ist also ganz wichtig.“

Roman Kumpošt mit dem Kreishauptmann Stanislav Eichler  (Foto: EYOWF 2011)
Wie sind eigentlich die Bedingungen in Tschechien für den leistungsorientierten Wintersport? Wird er ausreichend finanziell gefördert?

„Für den Sport wird nicht mehr Geld als früher bereitgestellt, es ist weniger. Auch im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern wird bei uns weniger Geld in den Sport investiert. Das ist also eine Frage, die in Zukunft gelöst werden muss. Andererseits ist es auch nicht möglich, die besten Bedingungen für den Spitzensport nur im eigenen Land zu schaffen. Ich nenne da nur unsere alpinen Skisportler, die fast das ganze Jahr über im Ausland trainieren und dort auch ihre Wettkämpfe haben, weil wir eben nicht die höchsten Berge und somit auch kaum Rennstrecken haben. Es ist aber wichtig, zu ergründen, ob unser sportliches Konzept einschließlich der Trainerausbildung eine ausreichende Qualität besitzt. Denn nur so kann man junge Leute für den Leistungssport gewinnen und sie dann auch trainieren und fördern.“

Foto: EYOWF 2011
Und was ist noch zu tun?

„Der Spitzensport entwickelt sich ständig weiter auf ein immer höheres Niveau. Das ist wie in der Wirtschaft: Wer erfolgreich sein will, muss fortwährend mehr und mehr beherrschen. Im Sport betrifft das die Fachkompetenz im Management, bei der Physiotherapie, der ärztlichen Betreuung oder im Trainerwesen. In allen diesen Bereichen ist es erforderlich, die Professionalität zu verbessern.“

Autor: Lothar Martin
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