Sportreport
Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßen Sie Katrin Sapina und Lothar Martin. Unsere Welt ist groß und bunt und hat uns allerhand zu bieten. Glücklich schätzen darf sich der, der gesund und materiell abgesichert ist und sich daher ein gutes Stück von dem angeboten bunten Kuchen abschneiden kann. Auch im Sport stehen ihm bei entsprechendem Talent alle Türen offen. Aber was ist mit denen, die von Geburt oder frühester Kindheit an durch irgendeine Form der Behinderung gekennzeichnet sind? Können auch sie ein sportgerechtes Leben führen oder sind sie in dieser Hinsicht auf immer und ewig benachteiligt? Nun, diesen und anderen Fragen wollen wir in unserem heutigen Sportreport nachgehen, zumal es auch in der Tschechischen Republik eine ganze Anzahl von Leistungssportlern unter den Behinderten gibt. Und einige ganz erfolgreiche dazu. Um wen es sich dabei handelt, das verraten wir Ihnen gleich. Also, bleiben Sie dran!
Im schwedischen Sundsvall fanden vom 1. bis 8. März die XV. Winterspiele der Gehörlosen statt, an denen über 1000 Behindertensportler aus 25 Ländern teilnahmen. Unter ihnen auch eine kleine tschechische Mannschaft, die aus sechs Mitgliedern - zwei Sportlern, zwei Trainern und zwei Funktionären -bestand. Doch diese Mini-Equipe kehrte mit nicht weniger als vier Medaillen zurück, die auf das Konto der 30-jährigen alpinen Skifahrerin Petra Kurková gingen. Ihren vierfachen Triumph bei den vorangegangenen XIV. Winterspielen 1999 im schweizerischen Davos konnte sie zwar nicht ganz wiederholen, doch mit den Goldmedaillen im Slalom und Parallelslalom, der silbernen Medaille im Riesenslalom und der Bronzeplakette im Abfahrtslauf erwies sich die weltbeste Gehörlosen-Sportlerin des Jahres 1999 auch diesmal wieder als die erfolgreichste Skidame ihres Metiers, den alpinen Skidisziplinen. Und im Gegensatz zu ihrem "Durchmarsch" von vor vier Jahren ging Petra Kurková grippegeschwächt in die Wettbewerbe von Sundsvall. Daher schätzte sie ihren Medaillengewinn bei der ersten Disziplin, dem Abfahrtslauf, auch besonders hoch ein:
"Also der erste Wettkampf war für mich sehr schwer, denn ich wusste, dass ich gesundheitlich angeschlagen bin. Ich hatte erhöhte Temperatur, musste Antibiotika nehmen, so dass der Start beim Abfahrtslauf mir ein gehöriges Stück Mut und Moral abverlangte. Denn dieses Rennen verläuft bei hoher Geschwindigkeit und ich wusste, dass das eventuell zu Fehlern führen könnte, die ich im schlimmsten Fall mit einem schweren Sturz hätte bezahlen müssen. Zum Glück ist es nicht dazu gekommen. Ich bin sehr froh darüber und schätze daher die erste Medaille von Sundsvall sehr."
Für Petra Kurková war bereits die Anreise ins nordostschwedische Sundsvall ein Erschwernis, weshalb sie sich am Wettkampfort erst einmal zwei Tage ausruhen und auf ein frühzeitiges Training verzichten musste. Doch das war ihrer Aussage zufolge nicht der einzige Unterschied zu den Winterspielen der Gehörlosen von vor vier Jahren in Davos:
"Die Konkurrenz in Sundsvall war größer, denn es waren auch zwei junge Amerikanerinnen am Start. Selbstverständlich, wenn ich die Spiele mit denen von vor vier Jahren vergleiche, dann werde ich mich immer gern an meine ersten Deaflympics in Davos erinnern. Denn was die Organisation oder die Präparierung der Strecken anbelangt, da waren die Schweizer weitaus besser. Und zudem bin ich damals in optimaler sportlicher Form und bei bester Gesundheit an den Start gegangen."
Wir interessierten Journalisten wollten uns natürlich auch gern einmal etwas in die Lage eines gehörlosen Sportlers hinein versetzen, daher stellte ein Kollege auf der jüngst im Tschechischen Rundfunk stattgefundenen Pressekonferenz auch die Frage, wie eine erfolgreiche Behindertensportlerin den Wettkampf und das Umfeld wahrnimmt, insbesondere wenn es sich im alpinen Skisport um Disziplinen handelt, die mit einer hohen Geschwindigkeit verbunden sind. Dazu sagte Petra Kurková:
"Also der einzige Unterschied zu den nichtbehinderten Sportlern besteht darin, dass der Start bei uns mit einem Lichtsignal vollzogen wird. Wenn ich von einem weiteren Handicap der Gehörlosen sprechen soll, dann trifft das auf jene zu, die ein gestörtes Gleichgewichtsorgan haben. Dieses Organ ist beim Skifahren eine sehr wichtige Sache und es kann sich für ihn sehr nachteilig auswirken. Andererseits aber sehe ich das so, dass ein leicht behinderter Mensch durchaus aktiv Sport treiben kann, denn es liegt nur an seinem Talent, seinem Fleiß, seinen Anstrengungen und seinem sozialen Umfeld, um herauszufinden, wozu er im Sport fähig ist. Wenn dies alles zum besten bestellt ist, dann kann er selbstverständlich auch mit einem nichtbehinderten Sportler seine Kräfte messen, ja es lässt sich sogar sagen, dass er dabei auch erfolgreich sein kann."
Zu diesem interessanten Vergleich wurde indirekt auch der Leiter der in Sundsvall am Start gewesenen tschechischen Mannschaft, Vojtech Volejník, gefragt. Volejník äußerte auf die Frage, warum Tschechien bei den gehörlosen alpinen Skisportlerinnen quasi eine Weltmacht darstellt, bei den nichtbehinderten Skifahrerinnen aber weiter hinterfährt, folgendes:
"Nun also, ich denke, das sind zwei nicht vergleichbare Dinge. Aber was ich dazu sagen kann ist dies: Selbstverständlich resultiert ein Unterschied daraus, dass die Konkurrenz unter den Behindertensportlern weitaus geringer ist als bei den gesunden Spitzensportlern. Das ist einleuchtend, wenn man bedenkt, dass die Behindertensportler nur ein kleines Segment der Gesellschaft sind. Nichtsdestotrotz sage ich - und die entsprechende Frage wird immer in der Hinsicht gestellt, ob die Erfolge der Behindertensportler einen gleich hohen Stellenwert genießen wie die der nichtbehinderten Sportler - also diesen Fragestellern sage ich: Natürlich ist das der Fall, denn auch die Behindertensportler wetteifern mit ebenbürtigen Kontrahenten. Letzten Endes hörte ich sogar solche Meinungen wie: Diesen Leuten fehlt es an nichts, nur dass sie nicht richtig hören können, ansonsten ist alles in Ordnung bei ihnen. Zu diesem Thema hat man sich in der Vergangenheit maßlos gestritten. Vor allem in der Zeit des totalitären Regimes in der damaligen Tschechoslowakei hieß es immer wieder: Wer ist am meisten behindert? Wir haben uns dafür entschieden, dass wir uns damit schon nicht mehr befassen werden. Und auf dieser Grundlage haben wir den heutigen Behindertensport aufgebaut. Es lässt sich nämlich nichts vergleichen. Nichtsdestoweniger existieren Erhebungen der UNESCO, die besagen, dass die mental Behinderten am schlimmsten dran seien und nur ein kleines Stück nach ihnen kämen bereits die Gehörlosen. Versuchen Sie sich die Welt von Petra und ihrer Leidensgenossen, denen oft selbst ein Hörgerät nicht weiter hilft, einmal vorzustellen - das ist eine Welt, die in der Regel auf eine Artikulierung im ersten Fall und im Infinitiv aufgebaut ist. Und diese Menschen denken auch so. Also das ist das Problem."
Volejník vergaß jedoch nicht zu erwähnen, dass den gehörlosen Sportlern in Tschechien eine sehr große Unterstützung von breiten Teilen der Gesellschaft zuteil werde und dass er daher stolz und zufrieden sei, dass Petra und weitere Behindertensportler gerade hier ihrem geliebten Sport nachgehen können. Das freut auch uns, und was ist schöner, als unseren heutigen Sportreport mit dieser guten Nachricht zu beenden. Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit, vom Mikrofon verabschieden sich - Katrin Sapina und Lothar Martin.