Steht der tschechisch-deutschen Wirtschaftskooperation eine interkulturelle Welle bevor?

Nach den Spuren deutscher Firmen, die in Tschechien Tochterunternehmen gegründet haben, muss man nicht lange suchen. Doch haben Sie sich einmal gefragt, wie es eigentlich hinter den Kulissen dieser Unternehmen aussieht, wie deren Mitarbeiter eigentlich auf die Zusammenarbeit mit tschechischen Partnern vorbereitet werden? Welche kulturellen Unterschiede hier zum Tragen kommen, welche Missverständnisse entstehen und wie mit ihnen umgegangen wird? Diesem interkulturellen Bereich wird in der deutsch-tschechischen Kooperation kleinerer und mittlerer Unternehmen bislang vielfach eine eher untergeordnete Bedeutung beigemessen. Wir wollen Ihnen im folgenden am Beispiel eines tschechisch-deutschen Pilotseminars zum gemeinsamen Projektmanagement einen Einblick vermitteln, wie die Vorbereitung deutscher und tschechischer Firmenpartner auf den alltäglichen Kontakt am Arbeitsplatz aussehen kann. Das Wort hat meine Kollegin Silja Schultheis.

Der Erfolg wirtschaftlicher Zusammenarbeit wird in Deutschland gemeinhin auf der Grundlage unterschiedlicher Statistiken und Bilanzen gemessen, die zum Jahresende gezogen werden. Fallen sie positiv aus, gilt die Zusammenarbeit als erfolgreich. Doch wendet man diese Regel auf die tschechisch-deutsche Firmenkooperation an, stößt man hier bereits auf das erste interkulturelle Problem. Denn entscheidend für die Definition von Erfolg ist bei den Tschechen zunächst eine ganz andere Dimension. Ivan Novy, Professor für Psychologie und Soziologie im Management an der Prager Wirtschaftsuniversität:

"Auf der tschechischen Seite hat Erfolg eine viel breitere Bedeutung. Erfolg heißt, angenehme Beziehungen in der Arbeit zu haben, Erfolg bedeutet auch eine angenehme Atmosphäre. Und diese 'soft factors' sind meiner Meinung nach auf dem ersten Platz. Und erst dann können die Leute als Erfolg die finanziellen Ergebnisse, die Qualität des Produkts und die anderen sachlichen Faktoren nennen. Und die deutsche Seite unterschätzt meiner Meinung nach die soft skills, die soziale Kompetenz der Führungskräfte. Und deshalb sind die tschechischen Mitarbeiter nicht nur unzufrieden in der Firma, sondern bringen auch nicht eine solche Leistung, wie sie die deutsche Seite erwartet"

Ivan Novy führt seit Jahren mit seiner deutschen Kollegin Sylvia Schroll-Machl gemeinsam interkulturelle Trainings für viele namhafte Firmen durch, die im tschechisch-deutschen Bereich tätig sind. Dabei haben beide die Beobachtung gemacht, dass die tschechischen und deutschen Geschäftspartner oft bereits mit einer völlig unterschiedlichen Erwartungshaltung an die gemeinsame Zusammenarbeit herangehen. Das weit verbreitete Selbstverständnis der Deutschen bringt Novy dabei auf die folgende Formel:

"Wir investieren hier, wir bringen die Technologie, das gesamte Know how, wir bringen die Kunden, die Lieferanten, und was wollen die Tschechen noch weiter. Und erwarten, dass die Tschechen einfach in die Firma kommen und von früh bis nachmittags einfach arbeiten."

Bei den Tschechen hingegen, so Novy, stößt so eine Einstellung von vornherein auf eine Art Blockade-Haltung, da sie sich sagen:

"Wenn Sie alles wissen, wenn Sie alles haben, wenn Sie so klug sind - dann machen Sie das selbst."

Den tschechischen und deutschen Firmenpartnern ihre grund verschiedenen Vorstellungen von Erfolg und unterschiedlichen Erwartungen an die gemeinsame Zusammenarbeit zunächst bewusst zu machen, um dann besser damit umgehen zu können, ist seit Jahren Ziel der Trainings-Seminare von Ivan Novy und Sylvia Schroll-Machl. Bislang jedoch sei der Teilnehmerkreis mehr oder weniger auf eine bestimmte Gruppe beschränkt gewesen, merkt Sylvia Schroll-Machl an:

"Wissen Sie, die Problematik der interkulturellen Seminare, die wir sonst machen, ist, dass das vielfach firmenintern ist für große Firmen und Konzerne. Der kleine Mittelständler macht das nicht, der kann sich das nicht leisten, der ist darauf angewiesen, dass jemand das für ihn organisiert und dass es offene Seminare gibt."

Doch eine Trendwende ist bereits in Sicht, glaubt Sylvia Schroll-Machl:

"Grundsätzlich wird dieses interkulturelle Thema jetzt zunehmend auch ein Thema für kleinere Firmen, für all diejenigen Investoren, die eigentlich die Mehrheit ausmachen, und die auch die Mehrheit der Zahlen des Handelsaustausches ausmachen. Es kann sein, dass das ein Stückweit von diesem EU-Druck befördert wird. Es kann aber auch sein, dass es inzwischen für dieses 'softe' Thema ein anderes Bewusstsein entwickelt. So wie sich jedes Thema mit Modewellen ein bisschen einführt. Es gab immer wieder solche Wellen - Gruppendynamik-Welle, Kommunikationstraining-Welle. Und ich erlebe schon ein Stück weit in den letzten Jahren so eine interkulturelle Welle."

Im November haben Sylvia Schroll-Machl und Ivan Novy in Furth i.W. erstmals ein zweisprachiges deutsch-tschechisches Seminar für kleinere und mittlere Unternehmen in der Grenzregion durchgeführt, organisiert wurde das Ganze von der IHK Regensburg. Projektleiter war neben Sylvia Schroll-Machl und Ivan Novy erstmals ein Experte für Projektmanagement - Franz Haas. Und dies ganz bewusst, um einer weit verbreiteten Auffassung deutscher Firmen, die nach Tschechien expandieren, vorzubeugen:

"Genau das ist der normale Gedankengang: Es gibt bestimmte Methoden, die sind doch Standard, die sind doch quasi international. Und wenn wir den Leuten die Methoden lernen, dann muss das doch funktionieren. Und dann kommen wir, und sagen: na ja, aber die Methode fällt doch auf einen kulturellen Boden. Und dort wird sie adaptiert werden. Im Prinzip bleibt sie schon, ja, aber das eine wird Gewicht erhalten, das andere wird einfach vergessen werden. Es ist ein Trugschluss zu denken, Methoden sind universell."

Der Ausgangspunkt für das Pilotseminar in Furth i.W. war denn auch ein anderer. Franz Haas, Projektmanager und gemeinsam mit Sylvia Schroll-Machl und Ivan Novy Leiter des Seminars:

"Projekte werden nicht von Maschinen gemacht, sondern von Menschen. Und damit haben wir diesen interkulturellen Anteil. Hier muss ich mit Menschen zusammenarbeiten, und wenn ich hier grenz überschreitend arbeite, dann habe ich mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun. Und dann ist dieser interkulturelle Faktor eine wichtige Ergänzung, damit ich im Projektteam arbeitsfähig bin."

Jetzt sagen Sie sich vielleicht, liebe Zuhörer, das ist mir alles zu theoretisch, und deshalb wollen wir jetzt auch einmal die eigentlichen Akteure, um die es hier geht, zu Wort kommen lassen - die kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Deutschland und Tschechien, die sich - im Verhältnis 50:50 - für das Seminar in Furth i.W. angemeldet hatten. Als am letzten Tag der viertägigen Schulung Bilanz gezogen wurde, habe ich mich unter die Teilnehmer gemischt und sie gefragt, was sie aus dem Seminar mitgenommen haben und wo für sie die Hauptunterschiede zwischen tschechischen und deutschen Firmenpartnern liegen. Hier eine kleine Auswahl ihrer Antworten:

"Ich habe viel gelernt, was vor allem das Kulturelle betrifft, wie das andere Land denkt, wie die Mitarbeiter denken. Und dass ich mich darauf einstellen muss, dass die Äußerungen, die man von sich gibt, hier auch richtig verstanden werden."

"Ich habe es z.B. nie so empfunden, dass diese Terminsetzungen, die wir Deutschen ja so lieben, dass die ja eigentlich auch ganz anders aufgefasst werden können. Wir finden es immer wichtig, alles schriftlich zu fixieren, Termine zu setzen und klare Ziele zu formulieren. Und da gilt es eben auch, sich ein bisschen zurück zu nehmen."

"Ich habe hier gelernt, wie die Deutschen eigentlich sind, vor allem im Beruf. Es ging um berufliche Beziehungen, was kann ich von den Deutschen erwarten, wenn ich Konflikte löse oder überhaupt mit ihnen zusammen arbeite. Wie verstehen die meine Worte und wie soll ich ihre Worte interpretieren."

"Ja, die Unterschiede sind wirklich groß. Vor allem: Die Deutschen sind sehr sachbezogen, bei den Tschechen spielen die menschliche Seite und persönliche Beziehungen eine sehr große Rolle."

"Der Hauptunterschied liegt schon irgendwo in der Sachlichkeit und in der absoluten Korrektheit, was die Termine betrifft. Der Deutsche versucht das hier schon perfektionistisch zu beherrschen, das Thema konkret und sachlich zu beurteilen und zu lösen. Und das denke ich, ist auf der tschechischen Seite nicht so konkret sichtbar."

"Insbesondere der Unterschied darin, dass wir Deutschen eben doch sehr sachlich sind und uns auf dieser Ebene auch streiten. Während wenn wir uns mit einem Tschechen streiten, dann beleidigen wir nicht seine Sache, sondern er fühlt sich persönlich beleidigt. Und das ist dann eben wirklich etwas komplett anderes."

"Es war direkt am Anfang schon deutlich, dass sich Tschechen auch fürs Private interessieren und eben nicht diese Trennung zwischen Beruf und Privatsphäre haben wie wir Deutschen. Ich denke aber, dass wir auch abends beim Glas Bier oder Wein auch bewiesen haben, dass man mit uns ganz hervorragend quatschen kann. Ich denke, das ist schon herüber gekommen. Oder ich hoffe es zumindest."

"Ich denke, wir Deutschen sollten uns wesentlich zurücknehmen. Wir tun einfach so, als wenn das ganz selbstverständlich wäre, dass die Tschechen Deutsch können. Was mich besonders fasziniert hat, sind diese Deutschkenntnisse. Das ist einfach Wahnsinn, ich bin absolut beeindruckt."

"Ich kann nur wirklich den deutschen Managern oder meinen Kollegen, die in Tschechien Firmen haben empfehlen, dass sie so ewas mal mitmachen. Damit sie sich auch mal ein bisschen in die Psyche der Tschechen hineindenken kann. Und weil man auch wirklich in der täglichen Praxis viele Fehler vermeiden kann, die letztendlich dazu führen, dass die Tschechen ein vollkommen falsches Bild von uns Deutschen haben, weil wir die Gefühlswelt der Tschechen nicht achten."

Die genannten Unterschiede, so beobachtete Projektleiterin Sylvia Schroll-Machl während des Seminars, wurden von den Teilnehmern offenbar auch selbst verkörpert:

"Ein typisch deutscher Zugang zu dem Seminar, war die Ernsthaftigkeit, mit der man sich an die Arbeit gemacht hat. Wirklich nach dem Spruch: zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Arbeit in den Untergruppen galt wirklich dem Ziel, wo die Tschechen oft viel spielerischer herangegangen sind, das war ganz klar zu sehen."

Wagen wir abschließend mit Ivan Novy von der Prager Wirtschaftshochschule eine kleine Prognose: Wie wird sich die tschechisch-deutsche Firmenkooperation wohl nach der EU-Erweiterung im Mai 2004 verändern?

"Also, ich habe eine kleine Hypothese. Meiner Meinung nach bleibt die Konkurrenz, der Wettbewerb und die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Firmen auf der Produktionsebene gleich, diese Tendenz ist schon jetzt sehr stark. Aber es werden mehr deutsche Firmen nach Tschechien kommen, die Dienstleistungen anbieten. Die Konkurrenz bei den Dienstleistungen wird in Tschechien stärker, hier gibt es noch viele, viele Möglichkeiten für Investoren. Und meiner Meinung nach sind die kulturellen Unterschiede im Dienstleistungssektor noch viel wichtiger als in der Produktion..."

Und was würde Ivan Novy den deutschen Firmen, die sich neu nach Tschechien ausweiten wollen, empfehlen, damit sie am Ende des Jahres auf eine - sowohl aus deutscher als auch aus tschechischer Sicht - erfolgreiche Bilanz zurückblicken können?

"Verlassen Sie sich nicht nur auf die Informationen über Arbeitslosigkeit, Bruttoinlandsprodukt oder Lohnniveau. Sondern stellen Sie auch diese Kulturunterschiede fest, denn das hilft Ihnen - besonders am Anfang. Sie können eine viel größere Leistung von den Tschechen bekommen und zweitens schützen Sie sich dadurch vor vielen Enttäuschungen."

Ínterkulturelles Projektmanagement für kleiner und mittelständische Unternehmen aus Deutschland und Tschechien - Sie hörten eine Sendung über ein Pilotseminar der IHK Regensburg in Furth i.W.