Streifzug durch die Architektur: Funkhaus Pilsen
Hier spricht Pilsen, das freie Pilsen, so lautete die Rundfunkansage, die am 6. Mai 1945 in die Welt ging. Leider ist eine Originalaufnahmen der ersten Sendung nicht mehr erhalten. Dennoch gilt gerade Sie als Grundstein für das Regionalstudio des tschechoslowakischen Rundfunks in der größten Stadt Westböhmens.
Ein weiteres funktionalistisches Gebäude steht gleich neben dem Rundfunk. Der Architekt ist angeblich unbekannt, weil die gesamte Dokumentation zu dem Haus verloren gegangen ist. In dem blaugrauen Bau ist heute der Purkyně-Pavillon untergebracht, in dem das Impfungszentrum der Stadt seinen Sitz hat. Erbaut wurde es in den 1930er Jahren jedoch als Heim für taubstumme Kinder.
Viel Raum für Musik und sauberen Klang
Durch die einzigartige Lobby des Funkhauses mit ihren charakteristischen Säulen geht jeden Morgen auch Petr Vacek. Er ist Dramaturg für die Musikprogramme des Regionalsenders, kennt sich aber zudem bestens mit der Geschichte des Gebäudes aus. Petr Vacek erklärt, dass das Funkhaus eigentlich hätte viel größer sein sollen.„Ursprünglich waren drei Bauabschnitte geplant. Zuerst im Jahr 1947 wurde das Frontgebäude realisiert, also der Westflügel des Funkhauses. Ein bis zwei Jahre später wurde dann der Ostflügel gebaut, in dem sich die vier Aufnahmestudios befinden. Der dritte Teil sollte dann ein großer Konzertsaal werden, der direkt an das Studio Eins, also das große Musikstudio grenzen sollte. Man rechnete tatsächlich sehr lange mit dem Bau dieses letzten Flügels, rückte aber später davon ab. Irgendwann wurde auch diese letzte Fläche verbaut und man gab die Pläne für den Konzertsaal gänzlich auf. Und das, obwohl die Stadt Pilsen einen solchen dringend benötigt hätte.“
Nichtsdestotrotz gibt es genug Raum für klassische Musik in dem spätfunktionalistischen Bau. Der Rundfunk hat nämlich eine Kooperation mit dem Pilsener Symphonie Orchester. Dramaturg Vacek:
„Im großen Musikstudio probt das Pilsener Philharmonie-Orchester, mit dem wir uns das ganze Gebäude eigentlich teilen. Dazu gibt es einen entsprechenden Kooperationsvertrag. Doch die Musiker üben hier nicht nur ihre eigenen Stücke ein, sie nehmen auch bestimmte Werke für den Rundfunk auf. Das ist ein fester Bestandteil unserer Programmplanung.“Seit Anfang der Nuller-Jahre ist das Funkhaus in Pilsen denkmalgeschützt. Einerseits sei das großartig, meint Petr Vacek
„Wir sind sehr stolz darauf, und alle die hier im Pilsner Funkhaus beschäftigt sind, genießen das auch richtig.“
Andererseits bringt das auch viel Verantwortung, was einige Schwierigkeiten verursacht.
„Es kommt dabei wirklich oft zu Problemen. Wenn ein Fenster nicht richtig schließt und es zieht, dann treten sofort die Denkmalschützer auf den Plan. Und die haben ihre ganz eigenen Bedingungen.“
Ein architektonischer Spätzünder
In den späten 1940er Jahren war das Funkhaus bereits ein wenig aus der Zeit gefallen. Spätestens in den ab 1948 feiert der sozialistische Realismus seinen Siegeszug durch die Tschechoslowakei. Bis auch dieser Ende der 1950er Jahre vom sogenannten Brüsseler Stil abgelöst wird. Der Funktionalismus hingegen ist eher ein Relikt der Zwischenkriegszeit und der ersten Tschechoslowakischen Republik. Nichtsdestotrotz war das Pilsner Funkhaus sehr innovativ und ist es teils auch heute noch. Das liegt unter anderem daran, dass das Pilsner Rundfunkgebäude ausschließlich für seinen späteren Zweck erbaut wurde.„Die Konzeption der Studios ist einzigartig. Zwei der vier Studios sind ideal für die Produktion von Hörspielen, die zwei anderen für die Aufnahme von Musik. Dabei ist jedes der zwei Studios technologisch haargenau für seinen Verwendungszweck gestaltet, von der Schalldämmung bis hin zur Größe. Den Architekten ging es bei der Planung darum, dass die Akustik möglichst glaubwürdig bleibt.“
Und um tatsächlich einen authentischen Ton zu ermöglichen, entwarfen die Architekten das Pilsner Funkhauses sogenannte schwebende oder aber schwimmende Studios.
„Schwebendes Studio bedeutet folgendes: Beim Bau des Gebäudes wurden erst Säulen aufgestellt, in die dann vier Betonschachteln eingelassen wurden. Also das, was später die Studios werden sollten. Das hat einen ganz bestimmten Grund. Wenn beispielsweise in dem einen Studio eine Rockband übt, und nebenan ein klassisches Orchester aufnimmt, dann gibt es keine akustischen Überschneidungen. Zwischen den Räumen gibt es nämlich eine Lücke, und die Töne werden dort geschluckt.“