Streit um die Tschechische Nationalbank

Die Regierung von Ministerpräsident Zeman erwägt die Anfechtung der Ernennung von Zdenek Tuma zum neuen Nationalbankgouverneur vor dem Verfassungsgericht. Begründet wird dies damit, dass unklar sei, ob die Ernennung des Notenbankchefs durch den Staatspräsidenten nicht noch vom Regierungschef gegengezeichnet werden müsse. In diesem Fall würde die Regierung die Ernennung Tumas, den sie ablehnt, offensichtlich verhindern wollen. Das tschechische Grundgesetz ist in dieser Angelegenheit laut Rechtsexperten nicht ganz eindeutig. Mehr dazu im folgenden Beitrag von Rudi Hermann, es liest Jürgen Webermann:

Tschechischer Staatspräsident Vaclav Havel
"Ich wünsche ihnen, dass sie die Zentralbank professionell und unabhängig führen, so, dass diese Bank ihr von der Verfassung vorgegebenes Ziel erfüllen kann, das heisst, die Stabilität unserer Währung zu gewährleisten."

Als Präsident Vaclav Havel am Mittwoch im Schloss Lany diese Worte anlässlich der Ernennung von Zdenek Tuma zum neuen Gouverneur der tschechischen Nationalbank und von Ludek Niedermayer zu einem Vizegouverneur sprach, wusste er schon, dass diese Ernennungen möglicherweise von Problemen begleitet sein würden. Denn in einer geheimen Sitzung am Dienstag Abend hatte das Kabinett von Milos Zeman beschlossen, Havel die Anfechtung der Ernennung Tumas vor dem Verfassungsgericht in Aussicht zu stellen. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, dass für die rechtsgültige Besetzung des Postens des Nationalbankgouverneurs die sogenannte Kontrasignation der Ernennung durch den Regierungschef nötig sei. Ein Beschluss dieses Inhalts wurde noch am Dienstag per Kurier dem Präsidenten zugestellt. Nun sind allerdings bisher alle Besetzungen von Gouverneurs- und Vizegouverneursposten seit der Entstehung der Tschechischen Republik ohne Gegenzeichnung erfolgt - der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass es eine einzige, auf Grund eines Irrtums entstandene Ausnahme gab - und niemand hatte sich bisher darüber aufgehalten.

Havel antwortete deshalb ebenfalls per Kurier, dass die Anfechtung letztlich bedeute, dass bisher alle derartigen Ernennungen nicht rechtsgültig erfolgt seien und damit alle bisherigen Entscheidungen der Nationalbank in Zweifel gezogen werden könnten. Ein Streit dieser Art könne sehr negative Folgen für die tschechische Wirtschaft haben. Dass dies sehr wohl der Fall sein könnte, liess sich am Kurs der tschechischen Krone ablesen, die bei Bekanntwerden des Konflikts zwischen Regierung und Präsident gegenüber dem Euro um 30 Heller, also ein knappes Prozent, nachgab.

Laut Äusserungen verschiedener Juristen, Staats- und Verfassungsrechtler erlaubt das tschechische Grundgesetz zwar tatsächlich unterschiedliche Auslegungen der prozeduralen Vorschriften zur Ernennung des Nationalbankgouverneurs und der Vizegouverneure. Ausdrücklich in der Kompetenz des Präsidenten liegt zwar die Ernennung des Bankrates, aus dessen Mitgliedern die Führungsspitzen der Bank dann hervorgehen, doch wie es sich konkret mit den Funktionen Gouverneur und Vizegouverneur verhält, ist strittig.

Das Problem liegt aber ohnehin mehr auf der politischen Ebene. Sogar schon zur Regierungszeit Zemans, von früheren Regierungen ganz zu schweigen, hatte es Umbesetzungen auf den entsprechenden Posten der Nationalbank gegeben - darunter die Ernennung Tumas zum Vizegouverneur -, ohne dass die Regierung ein Mitspracherecht geltend gemacht hätte. Dass ein neuer Gouverneur bestimmt würde, war seit Wochen klar, und seit vergangenem Freitag wusste man auch, wer es sein würde. Wenn die Regierung erst in der Nacht vor der Ernennung in geheimer Sitzung über eine Verfassungsklage nachdenkt, dann müssen die Gründe wohl andernorts zu suchen sein. Dass die Regierung Zeman nicht glücklich damit ist, dass die Wahl des Präsidenten auf Tuma gefallen ist, ist allgemein bekannt. Denn Tuma hält mit seiner Ansicht nicht hinter dem Berg, dass die nachlassende Budgetdisziplin der Regierung Anlass zu einer Zinserhöhung sein könnte, die laut unabhängigen Beobachtern ohnehin unumgänglich sein wird. Damit aber würde das Wachstum gebremst, das die unter Druck gekommene sozialdemokratische Minderheitsregierung zur Aufbesserung ihres Images bei den Wählern dringend benötigt.

Autoren: Rudi Hermann , Jürgen Webermann
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