„Světlonoc“: Slowakisch-tschechischer Film gewinnt einen der Hauptpreise in Locarno

Tereza Nvotová

Die slowakisch-tschechische Co-Produktion „Světlonoc“ (englischer Titel: Nightsiren) hat beim Filmfestival im schweizerischen Locarno den Goldenen Leoparden in der Kategorie „Filmemacher der Gegenwart“ gewonnen. Er müsse unbedingt auf großer Leinwand gesehen werden, sagt Regisseurin Tereza Nvotová.

Foto: Locarno Film Festival

In dem Mystery-Drama „Světlonoc“ kehrt die junge Frau Šarlota in ihr Heimatdorf in den slowakischen Bergen zurück, um ihre schwierige Kindheit aufzuarbeiten. Ihre Fragen an die Vergangenheit decken alte Legenden auf, die für die Dorfbewohner immer noch sehr lebendig sind. Letztlich wird Šarlota als Hexe und Mörderin beschuldigt.

Den Impuls zu diesem Film habe sie von ihrer Freundin, der Drehbuchautorin Barbora Námerová bekommen, berichtete Regisseurin Tereza Nvotová in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Sie hatte ein anthropologisches Buch über die Slowakei gelesen. Darin ging es darum, dass die Leute dort immer noch an Geister und magische Legenden glauben. Uns hat überrascht, dass Hexen auch in der heutigen Zeit noch aktuell sind. Also sind wir dem weiter nachgegangen.“

Eine weitere Inspiration zog die slowakische Regisseurin, die sich dann ebenfalls am Drehbuch beteiligt hat, aus ihren eigenen Kindheitserinnerungen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Námerová habe sie den Sommer immer im Blockhaus der Eltern verbracht:

„Es befindet sich in den Bergen, dort gibt es keinen Strom und kein fließend Wasser. Seit ich klein war, sind wir in den Ferien dort hingefahren. Ich habe da nicht nur die Natur erkundet, sondern auch erfahren, dass in der 100-jährigen Hütte einmal sehr zurückgezogen eine Frau gewohnt hat. Sie ging barfuß, und die anderen Dorfbewohner haben nicht verstanden, warum sie dort so allein leben wollte. Sie haben sie dann sogar in die Psychiatrie gebracht.“

Aberglaube, Misstrauen und Schuldzuweisungen – die Themen von „Světlonoc“ treffen offenbar auch außerhalb Tschechiens und der Slowakei einen Nerv. In Locarno jedenfalls gab es die Kür zum besten Film in der Kategorie „Filmemacher der Gegenwart“. Die Rückmeldungen aus der Jury seien durchweg positiv gewesen, strahlt Nvotová:

„Sie sagten, sie seien von dem Film begeistert gewesen. Es hat mich sehr gefreut, dass die Jury einstimmig gewählt hat und es keinen Kompromiss gab. Ich kenne diese Diskussionen, weil ich auch schon an solchen Abstimmungen teilgenommen habe, und meistens ist ein Sieg ein Kompromiss. Diesmal war es aber nicht so.“

Foto: Locarno Film Festival

Neben dem internationalen Hauptwettbewerb ehrt die Sektion „Filmemacher der Gegenwart“ in Locarno Regisseur*innen für ihren ersten oder zweiten Langfilm. Nach „Špína“ (Dreck) von 2017 ist „Světlonoc“ Nvotovás zweite Spielfilm-Arbeit. Die Hauptrolle hat die inzwischen 29-jährige Natalia Germani, und zu sehen ist neben weiteren eindrücklichen Frauenfiguren auch die Musikerin Iva Bittová. Noch einmal Regisseurin Nvotová:

„Was genau die Jury angesprochen hat, das weiß ich nicht. Aber eine der Programmverantwortlichen hat mir berichtet, dass sie sich den Film zuerst auf dem Computer angeschaut und ihn da gar nicht so interessant gefunden habe. Als sie ihn dann aber noch einmal im Kino sah, habe sie plötzlich begriffen, dass es in der Geschichte um etwas ganz anderes geht, als sie zunächst dachte.“

Der Film sei tiefgründig und kompliziert, fügt die Preisträgerin hinzu. Darum müsse er unbedingt auf großer Leinwand in einem dunklen Raum gesehen werden. In Tschechien wird dies ab Herbst möglich sein: „Světlonoc“ kommt am 6. Oktober in die hiesigen Kinos.