„Taurus“ statt „Gorilla“ - warum österreichische Lokomotiven in Tschechien fahren
Vor gut einem Jahr sind an der Grenze zwischen Österreich und Tschechien die Grenzkontrollen gefallen, Autofahrer haben seither freie Fahrt zwischen den beiden Ländern. Nun machen sich auch die Eisenbahnen an den Abbau der letzten Hürden: Seit Mitte Dezember fahren österreichische Lokomotiven bis nach Prag durch. Bisher wurde an der Grenze umständlich die Lok gewechselt.
Der Bahnhof Břeclav / Lundenburg an einem düsteren Dezember-Abend. Soeben ist auf Bahnsteig 1 der Eurocity nach Prag angekommen. Nebenan wartet der Gegenzug auf seine Weiterfahrt Richtung Wien. Der Fahrplanwechsel am 14. Dezember dieses Jahres hat eine deutliche Ausweitung des Zugangebots gebracht:
„Auf der Strecke Prag – Brünn - Wien fährt nun ungefähr alle zwei Stunden ein Zug. Das ist der so genannte Euro-Takt“, erklärt der stellvertretende Generaldirektor der Tschechischen Bahn, Petr Moravec.
Spätabends liegt der Bahnhof Břeclav dennoch weitgehend verlassen da. Dabei herrschte bis vor kurzem geschäftiges Treiben. Die internationalen Fernzüge mussten hier die Lokomotive wechseln. In Österreich und Tschechien werden die elektrischen Lokomotiven nämlich mit einer anderen Spannung versorgt und auch die Sicherheits-Ausstattung unterscheidet sich. Nach den Grenzkontrollen ist kürzlich auch diese Hürde weggefallen:„Wir haben mit den Österreichischen Bundesbahnen vereinbart, dass zwischen Wien und Prag durchgehend Lokomotiven der Reihe 12-16, Markenname ´Taurus´ eingesetzt werden“, erläutert Lud’ka Hnulíková, die Leiterin der Abteilung Personenverkehr der Tschechischen Bahn (ČD).
Diese neuen österreichischen Lokomotiven sind für den Verkehr in den meisten europäischen Ländern ausgerüstet. Sie ersetzten damit die slowakischen Maschinen der Reihe 350, Spitzname „Gorilla“, die bisher die Eurocity-Züge zwischen Břeclav und Prag zogen; in Ermangelung geeigneter tschechischer Lokomotiven. Wegen ihres Alters von über 30 Jahren und der sich häufenden Störungen haben sie nun weitgehend ausgedient. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass der zeitraubende Loktausch an der Grenze wegfällt. Nur das Zugpersonal wechselt noch. Die Fahrgäste haben allerdings bisher nichts von der technischen Neuerung. Wie bisher stehen die Züge neun Minuten an der Grenze. Lud’ka Hnulíková erläutert warum:
„Das sind komplizierte Lokomotiven. Und es handelt sich derzeit um einen Versuchsbetrieb. Da brauchen der österreichische und der tschechische Lokführer mehr Zeit, um sich die Maschine zu übergeben.“
Es sei aber geplant, den Grenzaufenthalt zu verkürzen. Und auch der tschechische Lokführer könnte in Zukunft bis Wien durchfahren. Oder umgekehrt sein österreichischer Kollege nach Tschechien. In Kürze werden die ČD außerdem auch über eigene moderne Lokomotiven verfügen. 20 Stück der neuen Reihe 380 hat das Unternehmen bei Škoda in Pilsen bestellt, die ersten Exemplare werden bereits getestet. Auch sie werden voll „europa-tauglich“ sein.