Timo Boll träumt von drei Titeln bei der EM in Ostrau

Timo Boll (Foto: ČTK)

Im September beginnt in Tschechien in der Regel die neue Saison in mehreren Mannschaftssportarten: im Basketball, Handball, Volleyball und Eishockey. In diesem Jahr aber hält der neunte Kalendermonat auch zwei internationale Highlights bereit: die Tischtennis-Europameisterschaft, die am Samstag in Ostrava / Ostrau beginnt, und die Basketball-Weltmeisterschaft der Frauen, die vom 23. September bis zum 3. Oktober in Brno / Brünn, Ostrau und Karlovy Vary / Karlsbad ausgetragen wird. Radio Prag mit einem Vorbericht zur Tischtennis-EM und zur am Freitag in einer Woche beginnenden Punktspielsaison in der Eishockey-Tipsport-Extraliga.

Timo Boll  (Foto: ČTK)
Mehr als 600 Teilnehmer werden bei der Tischtennis-EM im mährischen Ostrau erwartet. Ostrau ist die zweite Stadt in Tschechien, in der sich die Weltelite in diesem Sport ein Stelldichein gibt. 1976 und 1986 trafen sich die besten europäischen Ballkünstler an der grünen Platte jeweils in der Hauptstadt Prag. Vor 24 Jahren endete vorerst auch die Siegesbilanz der tschechischen Tischtennisspieler und -spielerinnen, die bis dahin acht EM-Titel erringen konnten. Je drei davon wurden im Herren-Doppel und im Mixed gewonnen, je einen steuerten die Damen im Doppel sowie Milan Orlowski im Herren-Einzel bei.

Milan Orlowski, der nach seinem Einzelsieg 1974 in Novi Sad danach auch noch im Doppel und im Mixed gewann, ist mit drei EM-Titeln der erfolgreichste Tscheche bei Europameisterschaften. In seine Fußstapfen sind längst andere Europäer getreten, allen voran Timo Boll. Der 29-jährige Deutsche ist seit mehreren Jahren der beste Europäer mit dem Tischtennis-Schläger und momentan wohl auch der einzige, der den übermächtigen Chinesen im Weltmaßstab Paroli bieten kann. In seiner bereits beeindruckenden Karriere hat Boll unter anderem schon zehn EM-Titel erobert: drei im Einzel, vier im Doppel und drei mit dem deutschen Männerteam. Mit den Mannschaften von TTV Gönnern und Borussia Düsseldorf hat Boll zudem schon viermal die European Champions League gewonnen.

Der Zufall wollte es, dass sich Timo Boll nur fünf Tage vor dem Beginn der Europameisterschaft bereits den tschechischen Zuschauern in Prag vorstellte. Im Team von Titelverteidiger Borussia Düsseldorf trat er zum Saisonauftakt der Gruppenphase in der Champions League am Montag beim tschechischen Meister SKK El Niňo Prag an. Die Düsseldorfer entledigten sich ihrer Pflichtaufgabe souverän und gewannen die Partie glatt mit 3:0. Nach diesem Duell gab es Gelegenheit, mit dem Weltranglisten-Zweiten ins Gespräch zu kommen:

Herr Boll, am Wochenende beginnt im mährischen Ostrau die Europameisterschaft. Sie haben heute schon mit ihrem Club in Prag gespielt. War dieses Duell mit El Niňo Prag für Sie so eine Art EM-Aufgalopp oder muss man beide Wettbewerbe auseinander halten?

„Ja, es war auf jeden Fall noch einmal ein guter Test. Dass wir jetzt ausgerechnet in dem Land Champions League gespielt haben, in dem die Europameisterschaft stattfindet, ist Zufall. Aber wie gesagt, so kurz vor einer EM ist es immer ganz gut, noch einmal ein Feedback darüber zu bekommen, wie gut man in Form ist. Wir haben hart trainiert, doch man weiß nie so genau, wo man steht, und da ist so ein Wettkampf ganz gut.“

Tomáš Konečný  (Foto: ČTK)
Sie haben Ihr Spiel gegen Tomáš Konečný klar mit 3:0 gewonnen. Hätten Sie sich ein bisschen mehr Gegenwehr gewünscht oder sagen Sie sich: ´Ich habe im zweiten und dritten Satz auch ein paar Bälle verschossen, die ich hätte besser spielen können´?

„Ich denke, jeder in der Halle hat gesehen, dass ich das Spiel kontrolliere. Ich hatte zumindest das Gefühl, und da probiert man natürlich noch ein paar Sachen aus: zum Beispiel ein paar neue Aufschläge, die man trainiert hat. Da verliert man dann mal ein paar Punkte, aber insgesamt hatte ich die Sache schon unter Kontrolle - und ich bin mit meinem Spiel auch ganz zufrieden gewesen.“

Dmitrij Prokopcov  (Foto: ČTK)
Hätten Sie daher gern noch ein zweites Spiel gehabt, zum Beispiel gegen Dmitrij Prokopcov?

„Natürlich hatte ich gehofft, dass Patrick Baum das dritte Spiel gewinnt. Auf der anderen Seite wäre es auch nicht schlecht für mich gewesen, noch ein Spiel zu haben, da das erste Spiel doch relativ deutlich war. Aber wie gesagt, ein 3:0-Sieg bringt uns schon mal in die richtige Richtung in der Gruppenphase der Champions League. Von daher hat der klare Sieg natürlich Vorrang.“

Sie sind Weltranglisten-Zweiter, mehrfacher Europameister – da geht man natürlich als Favorit in das EM-Turnier. Ist es auch Ihr Ziel, sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft erneut den Titel zu holen?

„Das Ziel ist es auf jeden Fall. Ich bin dieses Jahr topfit. Das ist anders als im letzten Jahr, als ich leider ein bisschen verletzt war vor der Heim-WM. Vor einem Jahr hat es nicht ganz gereicht, von daher hoffe ich, dass ich diesmal ein bisschen besser spiele und am Ende hoffentlich alle drei Titel hole. Die EM wird aber ein langes Turnier und die Gegner sind stark. Es wird also kein Selbstläufer, ich muss schon in Topform auflaufen.“

Mit welchen starken Gegnern rechnen Sie besonders?

Maskottchen der Tischtennis-EM  (Foto: ČTK)
„Alle Deutschen sind Mitfavoriten, und natürlich der Weißrusse Wladimir Samsonow und der Däne Michael Maze, der im letzten Jahr gewonnen hat. Bei Maze weiß man aber nicht so genau, wie gut er in Form ist, denn er war lange Zeit verletzt. Da bin ich selbst gespannt. Aber es gibt schon einige, die mir das Leben schwer machen werden.“

Sie sagen, sie sind topfit. Schätzen Sie Ihre Form schon bei knapp 100 Prozent ein oder können Sie noch eine Schippe drauflegen?

„Ja, ich denke schon, dass ich gut drauf bin. Ich habe sehr, sehr gut trainiert, und das ist auch die Grundvoraussetzung, um ein gutes Turner zu spielen. Gerade die acht Tage mit 25 bis 26 Spielen – wenn man weit kommt – sind eine harte körperliche Belastung. Da muss man schon etwas getan haben vorher, und das habe ich. Die Voraussetzungen habe ich gelegt, jetzt muss ich mein Können aber auch noch an die Platte bringen.“


Tschechische Eishockeyteams setzen verstärkt auf Ausländer

Petr Bříza  (Foto: ČTK)
Am Freitag, dem 17. September, startet die höchste tschechische Liga im Eishockey, die Tipsport-Liga, in ihre 18. Saison. An 52 Spieltagen kämpfen erneut 14 Mannschaften um die zehn Plätze in der Playoffrunde beziehungsweise den Pre-Playoffs. Die sechs Monate währende Punktspielrunde erfordert auch hohe finanzielle Aufwendungen. Wegen der Krise aber haben viele Sponsoren ihre Gelder gekürzt, so dass auch die meisten Clubs die Finanzierung ihrer Teams reorganisieren mussten. Eine immer wichtigere Rolle in diesen Planungen spielt dabei die Integration von Ausländern in den Spielerkader. Das ist auch beim Titelmitfavoriten Sparta Prag nicht anders, bestätigt dessen Generalmanager Petr Bříza:

Yorick Treille  (Foto: www.hc-vitkovice.cz)
„Wir werden ab dieser Saison generell auf mehr Ausländer setzen. Für die neue Saison haben wir zwei nordamerikanische Verteidiger geholt: Doug O´Brien, der in der letzten Saison in Pilsen gespielt hat, und Brian Salcido, der aus den Vereinigten Staaten zu uns gestoßen ist. Des Weiteren haben wir im Angriff mit Yorick Treille einen französischen Nationalspieler verpflichtet, der auch schon in Nordamerika gespielt hat. Mit diesen Ausländern wollen wir echte Verstärkungen, also Leistungsträger nach Prag bringen.“

Bříza schiebt dann auch sofort nach, weshalb die Verpflichtung von Ausländern gerade in Prag sehr sinnvoll sei:

„Prag ist eine multikulturelle Stadt und es leben hier nach Einschätzungen 30.000 bis 40.000 Nordamerikaner. Sie sind für uns auch ein neues Marktsegment. Außerdem ist es eigentlich schon normal, dass in allen großen europäischen Städten auch gute Ausländer spielen, denn sie sind für die Zuschauer attraktiv. Bei uns in Tschechien waren sie bisher eher die Ausnahme, doch Gott sei Dank ist das jetzt anders. Wir haben schon vor zwei Jahren versucht, gute Ausländer zu verpflichten, doch jetzt werden wir das noch forcieren.“

Ein weiterer Grund, dem man Rechnung tragen müsse, sei außerdem der unerwartete Triumph, den die tschechische Nationalmannschaft dieses Jahr mit dem Titelgewinn bei der WM in Deutschland feierte. Ein solcher Erfolg hat auch immer eine Kehrseite, so Bříza:

Petr Bříza  (Foto: ČTK)
„Nach der Weltmeisterschaft in Deutschland mit dem tschechischen WM-Sieg in Köln haben gleich neun der Weltmeister einen Vertrag in anderen Ligen bekommen. Das heißt, die tschechische Extraliga verliert jedes Jahr ihre markantesten Gesichter, und es ist sehr schwierig, neue Top-Spieler zu produzieren. Deswegen müssen wir gute Spieler einfach von außen heranbringen, und warum nicht auch aus Deutschland.“

Derzeit spielt nur ein Deutscher in der Tipsport-Extraliga. Ein 28-jähriger Verteidiger mit tschechischen Wurzeln – Petr Macholda, der seine zweite Saison für Sparta Prag bestreitet.

Autor: Lothar Martin
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