Topolánek: „Prager Frühling“ führte als Kulturbewegung zur gesellschaftlichen Entspannung

Angela Merkel mit Mirek Topolánek (Foto: ČTK)

Am Mittwoch hatten die Botschaften Tschechiens und der Slowakei im Berliner Konzerthaus zu einem Festakt geladen, der dem 40. Jahrestag des Prager Frühlings gewidmet war. An der Festveranstaltung, die an die zwischenzeitliche Reformbewegung in der ehemaligen Tschechoslowakei im Jahr 1968 erinnerte, nahmen unter anderen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Premierminister Tschechiens und der Slowakei, Mirek Topolánek und Robert Fico teil. Radio Prag hat darüber mit dem Deutschland-Korrespondenten des Tschechischen Rundfunks, Jiří Hošek, gesprochen.

Angela Merkel mit Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Herr Hošek, wie haben sich gerade die drei genannten Politiker zur Bedeutung des Prager Frühlings geäußert?

„Der slowakische Premierminister Robert Fico hat ausdrücklich die führenden politischen Persönlichkeiten des Prager Frühlings gelobt, insbesondere Alexander Dubček. Er ist der Meinung, dass Dubček der erste Politiker war, der das riesige Loch zwischen den Normalbürgern und den Politikern gestopft hat, und dass Dubček auch der Politiker war, der dem ´Sozialismus mit menschlichem Antlitz´ in der Tat eine Realität gegeben hat. Auf der anderen Seite ist zu sagen, dass Mirek Topolánek die politische Bedeutung des Prager Frühlings gewissermaßen bezweifelt hat. Er hat richtig betont, dass diese ganze Bewegung auf der politischen Ebene als Streit zwischen unterschiedlichen kommunistischen Fraktionen begonnen hat und dass das Vorhaben, den ´Sozialismus mit menschlichem Antlitz´ zu schaffen, eigentlich geplatzt ist. Und zwar sehr früh, weil auch die Kommunistische Partei ziemlich schnell offenbarte, dass sie sich im Grunde genommen nicht reformieren kann. Das wichtigste Ergebnis des Prager Frühlings sei daher, so Topolánek, die gesellschaftliche Entspannung gewesen, die diese Bewegung mit sich brachte. Eine Entspannung, die die Kommunistische Partei zum Beispiel dazu gezwungen hat, die Zensur in den Medien aufzuheben.

Robert Fico,  Angela Merkel und Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Für Angela Merkel, das war deutlich zu sehen, ist der Prager Frühling und der Einmarsch der ´Bruderarmeen´ eine ganz, ganz persönliche Sache. Sie war damals 14 Jahre alt und hat die Sommerferien mit ihren Eltern und Geschwistern im Riesengebirgsort Pec pod Sněžkou / Petzer verbracht. Sie sei ziemlich begeistert gewesen von der Stimmung in der tschechoslowakischen Gesellschaft, von den freien Diskussionen, die man seinerzeit führen konnte, und von der Tatsache, dass man im Stadtzentrum Prags westliche Tageszeitungen kaufen konnte. Angela Merkel sprach davon, es sei für sie ein großer Schock gewesen, als sie von dem Einmarsch erfahren hat. Als DDR-Bürgerin habe sie sich daher geschämt für die, wenn auch indirekte Teilnahme der Nationalen Volksarmee (NVA) an dem Einmarsch.“

Herr Topolánek hat über die Ereignisse von 1968 mehr von einer Kulturbewegung als von einer politischen Bewegung gesprochen. Liegt er mit dieser Einschätzung richtig oder hat er damit die Bedeutung des Prager Frühlings nicht doch etwas heruntergespielt?

„Ganz persönlich gesprochen muss ich sagen: Ich teile diese Meinung. Denn wenn man auf der politischen Ebene im Zusammenhang mit der Bewegung des Prager Frühlings von Demokratisierung oder gar Demokratie spricht, dann finde ich das ziemlich lächerlich. Das ist ein großer Irrtum! Die führenden Persönlichkeiten des Prager Frühlings waren doch Hardcore-Kommunisten und ich denke, damals wie auch heute, Kommunismus und Demokratie sind einfach nicht kompatibel! Meiner Meinung nach lag die Bedeutung des Prager Frühlings wirklich in dieser großen gesellschaftlichen Entspannung.“