Tschechien in Europa

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Eurodomino, in der wir uns mit dem aktuellen Geschehen um den EU-Beitritt Tschechiens befassen. Heute erfahren Sie, wie verschiedene Bevölkerungsschichten mit der EU vertraut gemacht werden und was dabei rauskommt. Gute Unterhaltung wünschen Ihnen vom Mikrophon Lothar Martin und Dagmar Keberlova.

Je näher der angestrebte EU-Beitritt Tschechiens rückt, desto mehr Kampagnen über die EU finden hierzulande statt. So sieht man in kleineren Städten der Tschechischen Republik mit maximal 15 000 Einwohnern einen kleinen blauen Bus mit den 15 gelben Sternen durch die Gegend fahren. Mit diesem fahren wir ein anderes mal in unserer Sendung mit. Heute wollen wir Ihnen von zwei Aktionen erzählen. Von einer, die sich an alle richtet bzw. richtete und von einer weiteren, die die Zielgruppe Schüler unter die Lupe nimmt.

Im vergangenen Monat konnte man in den Straßen größerer tschechischer Städte ein bestürzendes oder fast provokatives Plakat sehen. Darauf war eine zu Ende gehende Klopapierrolle abgebildet und folgendes war zu entnehmen:

"Jede Klopapierrolle muss einen Meter vor ihrem Ende eine sichtbar angebrachte Warnung haben - dies legt eine EU-Richtlinie fest. Stimmt das - ja oder nein?"

Wissen Sie, wohin wir uns begeben? fragten die Autoren des Werbespots und verwiesen auf eine gratis EU-Info-Hotline. Die Reaktionen der Menschen waren verschieden, manche blieben stehen und lachten amüsiert, andere regten sich auf, was sich denn die EU wieder ausdenkt, kommentierte die Koordinatorin Ota Vlckova von der Bürgervereinigung Spiralis. Vlckova zufolge nehmen die Tschechen oft die Europäische Union als eine Institution wahr, die ihnen etwas verbieten will, also zum Beispiel die landestypische Essigwurst und Olmützer Quargeln von der Speisekarte streichen will.

Das Plakat sollte einfach bei dem Bürger Interesse an dem EU-Beitritt Tschechiens wecken, ohne anzudeuten, ob dieser gut oder schlecht sei. Wie die Fragen der Menschen waren, die bei der EU-Info-Hotline angerufen haben, erläutert Petr Pirochta direkt von der Auskunft:

"Die Fragen waren sehr unterschiedlichen Charakters. Die meisten allerdings, die angerufen haben, wollten einfach nur wissen, ob diese Telefonnummer besetzt ist, ob dort jemand sitzt oder ob man ein Tonband mit einer Menge Infos abhören kann. Drei Viertel der Anrufenden haben sich gar nicht gemeldet."

Also eher ein trauriges Ergebnis. Aber es fanden sich doch Menschen, die sich ernsthaft für die EU-Thematik interessiert haben. Wie viele tschechische Bürger der Klopapierwarnung geglaubt haben, sagte uns Petr Pirochta direkt von der EU-Info-Hotline:

"Von den Menschen, die mit uns kommuniziert haben, fragten viele, ob der Plakattext der Wahrheit entspreche. Ungefähr jeder Fünfte, der bei uns angerufen hat, glaubte, dass es so eine Bestimmung in der EU tatsächlich gibt."

Pirochta zufolge glauben dies in den meisten Fällen Menschen, die eher EU-skeptisch sind und wenig Informationen über die EU haben. Doch bei ca.3/4 der insgesamt über 2000 Anrufe im Februar, wo die Kampagne lief, kam es nicht einmal zu einem Gespräch, da die Menschen nur neugierig waren, ob die Telefonnummer wirklich existiert. Aber auch spezifische Fragen waren laut Pirochta keine Ausnahme. So fragte z. B. ein Tischler, was sich für ihn nach dem EU-Beitritt Tschechiens ändern werde, wenn er seine Ware nach Deutschland exportiert. Uns hat interessiert, ob die Operatoren vielleicht auch im Rahmen dieser Kampagne eine Frage bekamen, die sie nicht beantworten konnten:

"Dies ist uns relativ oft passiert, dass wir die richtige Antwort nicht gewusst haben. Darauf waren wir aber vorbereitet und haben dann auf offizielle Beratungs- und Informationsstellen verwiesen."

Dies war auch einer der Ziele der Aktion, den Druck der Öffentlichkeit auf die Informationsstellen zu steigern und sie somit zur größeren Effizienz zu zwingen, denn bis heute leisten diese laut Pirochta weniger gute Arbeit. Gute Arbeit wäre aber gerade für einen erfolgreichen EU-Beitritt Tschechiens unbedingt notwendig, da sich bereits mehrfach gezeigt hat, dass mangelnde Informiertheit der Bürger und wenig Interesse nach wie vor ein gravierendes Problem bleiben.

Bei der Kampagne blieb es nicht nur bei der Klopapierrolle. Auch Radiohörer wurden miteinbezogen und so konnte man bei verschiedenen Radiostationen eine bestürzende Meldung auf Tschechisch hören. Es waren Kurznachrichten, die allerdings ohne die diakritischen Zeichen verlesen wurden. Danach folgte ein Statement, dass in der EU alle Pressemeldungen kompatibel mit dem europäischen ABC ohne Striche und weitere Zeichen sein müssen. Abgesehen von den Medien war die Kampagne begleitet von ca. 500 Veranstaltungen, die in den Regionen vor sich gingen und sich auf konkrete Bereiche spezialisierten.

Schüler gehören zu einer der Bevölkerungsgruppen in der Tschechischen Republik, die am meisten Interesse für die Europäischen Union zeigen. Die Ergebnisse einer Umfrage, die unter Schülern und Studenten in jüngster Zeit durchgeführt wurde, sprechen für sich: über 70 Prozent sind für den EU-Beitritt Tschechiens. Diese Umfrage wurde anhand von Fragebögen ausgewertet, die dem sog. Schülerkalender mit dem bezeichnenden Namen Europa beigelegt waren. Dieser Schülerkalender erscheint bereits seit einigen Jahren in den

Ländern der Europäischen Union. Das Schuljahr 2000/2001 ist das zweite, in dem dieser kleine EU-Begleiter durch den Alltag auch für Schüler in Tschechien erscheint. Das Ziel des Kalenders ist es, die Schüler über die EU zu informieren sowie über den angestrebten EU-Beitritt Tschechiens und nicht zuletzt über die Möglichkeiten eines Studiums im Ausland. Der Koordinator des Socrates-Programms in Tschechien, Josef Vochozka, führte an, dass unter den Schülern großes Interesse an diesem Schülerkalender besteht. Man sehe, dass sie das Buch wirklich studieren, sich daraus informieren und gleichzeitig auch kritische Anmerkungen vorbringen. Josef Vochozka fragte ich, welche Ergebnisse der Umfrage ihm im Vergleich zum Vorjahr am interessantesten erscheinen:

"Mich hat am meisten überrascht, dass Deutsch zur ersten Fremdsprache an unseren Schulen wurde, weil immer von Englisch als wichtigster Sprache die Rede ist und die Tschechische Republik scheint hier eine Ausnahme zu sein. Nach Deutsch gibt es - im Gegensatz zur EU - eine viel größere Nachfrage. Ich glaube, dass die Schüler und Studenten die Wichtigkeit der deutschen Sprache vor allem für die Grenzregionen sehen."

Vochozka führte zur Bekräftigung seiner Aussage noch den Vergleich an, dass in der EU lediglich 8 Prozent der Bürger aus den nichtdeutschsprachigen Ländern angeben, Deutsch zu sprechen. In Tschechien lernen über 50 Prozent der Schüler und Studenten Deutsch, womit nach Vochozka nach dem EU-Beitritt Tschechiens deutlich der Anteil der deutschsprechenden EU-Bürger ansteigen wird. Zu weiteren interessanten Umfrageergebnissen gehört die Tatsache, dass der Prozentsatz der Schüler, die einen EU-Beitritt Tschechiens unterstützen, im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist und die Schüler sich in der EU Problematik besser auskennen. Um den Umfragebogen für die Schüler noch attraktiver zu machen, werden nach der Auswertung drei Beteiligte ausgelost, die einen Sprachkurs gewinnen. Neben dem französischen Kulturinstitut sponsort auch das Prager Goethe-Institut einen Sprachkurs. Warum, hierzu Herr Schneider vom Goethe-Institut in Prag:





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union.



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt