Tschechien fällt in Gunst deutscher Investoren zurück, Polen auf Platz 1

Illustrationsfoto: Klára Stejskalová, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Tschechien ist nicht mehr die Nummer eins - zumindest, wenn es nach den deutschen Investoren in Mittel- und Südosteuropa geht. Nach einer Umfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Zusammenarbeit mit anderen deutschen Außenhandelskammern hält Polen derzeit die besten Bedingungen für Investoren bereit. Dazu ein Gespräch mit dem Pressesprecher der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Prag, Hannes Lachmann.

Hannes Lachmann
Herr Lachmann, regelmäßig führen die deutschen Außenhandelskammern eine Umfrage unter den Mittel- und Südosteuropäischen Staaten durch, gefragt werden deutsche Investoren, welches Land die besten Bedingungen für Investitionen bietet. Tschechien war der Platz an der Sonne lange Zeit sicher, nun ist das Land das erste Mal abgerutscht auf Platz zwei. Erster wurde der Nachbar Polen. Haben Sie damit gerechnet?

„Um ehrlich zu sein: ja. Allerdings muss man gleich dazu sagen, dass Polen im Gesamtranking wirklich nur hauchdünn vor Tschechien liegt und die beiden insgesamt also von ihrem Gesamtimage etwa gleichauf liegen. Sieht man sich aber einmal die einzelnen Investitionsfaktoren etwas genauer an, dann erkennt man, dass die deutschen Investoren in Polen in fast allen Bereichen zufriedener sind als die in Tschechien. Schon seit Jahren verfolgen wir eine Tendenz der Verbesserung in Polen. Da die Bewertungen in Tschechien in dieser Zeit weitgehend unverändert blieben, war es nur eine Frage der Zeit, bis Polen an die Spitze kommt. Natürlich ist Tschechien in der Region weiterhin ein Top-Standort, aber die anderen Länder ziehen nach und dicht auf den Fersen Tschechiens sind zum Beispiel auch die baltischen Staaten.“

Illustrationsfoto: Klára Stejskalová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Wonach werden die Investoren gefragt, also nach welchen Kriterien wird die Rangliste erstellt?

„Wir fragen nach der jeweiligen Wirtschaftsperspektive und vor allem nach den wichtigsten Rahmenbedingungen für Investitionen. Dazu gehören zum Beispiel die politische Stabilität, die Rechtssicherheit und die Transparenz und Effizienz des öffentlichen Sektors. Genauso schauen wir uns die Qualifikation und Verfügbarkeit von Arbeitskräften an und natürlich die Infrastruktur. Auch Steuerbelastung und staatliche Förderprogramme für Investitionen, z.B. in Forschung und Entwicklung, gehören dazu. Diese ganzen Faktoren werden jeweils von den in den einzelnen Ländern ansässigen Investoren bewertet und die Ergebnisse anschließend mit anderen Länderergebnissen verglichen. Insofern können wir Tendenzen in jedem Land sehen und die gegenüberstellen, aber keine objektive Analyse der jeweiligen Standortfaktoren erstellen.“

Foto: Free Domain
Was hat Tschechien im letzten Jahr falsch gemacht bzw. vernachlässigt? Oder worin sind die Polen besonders gut?

„Die größten Probleme gibt es in Tschechien weiterhin mit Korruption, Rechtsunsicherheit sowie Intransparenz in behördlichen Prozessen. Hinzu kommt die immer noch nicht gelöste Frage der Berufsausbildung, bei der sich aber derzeit auch wegen des Engagements der DTIHK etwas bewegt. Damit hängt auch die Fachkräfteverfügbarkeit zusammen, bei der Polen an der Spitze und Tschechien mittlerweile auf dem drittletzten Platz rangiert.“

Kann die Tschechische Republik ihren Spitzenplatz zurückerobern oder sehen wir den Beginn eines anhaltenden Trends nach unten?

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Interessant ist, dass Tschechien in der Umfrage gerade bei jenen Kriterien unterdurchschnittlich abschneidet, die von der Politik beeinflusst werden können, darunter Rechtssicherheit, Transparenz, Bürokratieabbau, oder Ausbildung. Tschechien hat allein durch seine kulturelle und geografische Nähe zu Deutschland, aber auch durch seine industrielle Tradition ein ungeheures Potenzial. Dieses gilt es zu erhalten und auszubauen und dafür ist es sicher noch nicht zu spät. Allerdings muss man schnell handeln, gerade was das Thema Fachkräfteverfügbarkeit angeht. Gleichzeitig muss man parallel an anderen Hauptaufgaben arbeiten, zum Beispiel im Verwaltungs- und Rechtssystem, im Arbeitsrecht oder bei der Forschungsförderung.“